Pella Sietas war ein Schiffbauunternehmen in Hamburg-Neuenfelde, Stand September 2024 befindet es sich in der Abwicklung. Das Unternehmen entstand durch die Übernahme der traditionsreichen J. J. Sietas KG Schiffswerft GmbH u. Co. durch die Open JSC Pella Group aus St. Petersburg. Der Unternehmenssitz befand sich im „Alten Land“ hinter der Hauptdeichlinie der Unterelbe an der Estemündung.
Die zuletzt älteste noch bestehende Werft Deutschlands wurde 1635 erstmals urkundlich erwähnt und war vermutlich im selben Jahr von Carsten Sietasch gegründet worden. Sie zählte damit zu den ältesten Unternehmen in Hamburg sowie zu den ältesten noch aktiven Schiffsbaubetrieben weltweit.
Von 1635 bis Anfang 2009 war das Unternehmen neun Generationen lang ununterbrochen im Familienbesitz. Der Familienname Sietasch wurde gegen Mitte des 18. Jahrhunderts zu Sietas verkürzt.
1635 bis 1945
In den ersten 200 Jahren ihres Bestehens leistete die Werft hauptsächlich Reparaturarbeiten und baute daneben Boote, Lastkähne sowie Prahme aus Holz, die auf der Este und anderen Flüssen zum Einsatz kamen. Unter Hans Sietas (1768–1843), der die Werft Ende des 18. Jahrhunderts von seinem Vater Hannß Sietasch (1734–1800) übernommen hatte, begann die Fertigung größerer Segelschiffe. Das erste namentlich dokumentierte Schiff war der 1823 abgelieferte EwerMinerva. Ab 1849 baute das nun von Hinrich Sietas (1818–1899) geleitete Unternehmen auch Galeassen, Schoner und andere seetüchtige Typen. Sietas beschäftigte damals bis zu 45 Arbeitskräfte. Wegen der Konkurrenz durch die zahlreichen Werften im Umland wuchs das Unternehmen nur langsam. Auch blieb die Anzahl der Neubauten überschaubar, ein erheblicher Teil der Aufträge entfiel weiterhin auf Reparaturen. Im Jahr 1871 lieferte Sietas die SchonerbriggJohann (205 BRT) ab, die bis 1937 der größte Neubau blieb. Hinrich Sietas übergab das Unternehmen 1895 an seinen Sohn Johann Jakob Sietas (1856–1941). Unter seiner Leitung wurde die Fertigung Anfang des 20. Jahrhunderts langsam von Holz auf Eisen und Stahl umgestellt, wobei zunächst Schiffe in gemischter Bauweise entstanden. Die 1902 gebaute GaliotAnna Mary war der erste Sietas-Neubau mit einem eisernen Rumpf. Ab 1911 wurden Reparaturen zunehmend zum Hauptgeschäft des Unternehmens, zumal während des Ersten Weltkriegs aufgrund von Auftragsrückgängen und des Rohstoffmangels nur zwei Schiffe gebaut werden konnten. Nach Ablieferung des GaffelschonersWalter stellte Sietas im Jahr 1919 das Neubaugeschäft wegen der schwachen Auftragslage komplett ein. Erst 1925 nahm man die Produktion mit dem Bau des FahrgastschiffsSaxonia wieder auf.[2]
Ab 1912 vergab die Werft erstmals Baunummern für ihre Aufträge (beginnend mit № 63), stellte dies aber bereits 1914 mit der Baunummer 74 wieder ein.[3] Erst ab dem Jahr 1934 wurde die Vergabe konsequent umgesetzt, wobei nun jeder Neubau eine fortlaufende Nummer bekam. Weil keine vollständige Aufzeichnung über die tatsächliche Zahl aller bis dahin gefertigten Schiffe vorlag, wurde ihre Gesamtzahl auf 314 geschätzt. Der 1934 abgelieferte FischkutterBussard erhielt somit als erstes neu nummeriertes Schiff die Baunummer 315.[4] Johann Jacob Sietas (1908–1986) übernahm 1935 die Unternehmensleitung. Im selben Jahr lieferte die Werft mit der Käte (№ 318) ihr erstes Küstenmotorschiff (Kümo) ab. Bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs entstanden etwa 15 weitere Schiffe, hauptsächlich Fischkutter und Kümos. Darunter befand sich mit dem 1938 nach Kolumbien gelieferten Motorfrachtschiff Siempre Igual (№ 328) auch der erste Exportauftrag.[4] Während des Zweiten Weltkriegs war Sietas überwiegend als Reparaturbetrieb sowie im geringen Umfang auch als Zulieferer für die Werften der Kriegsmarine tätig und stellte unter anderem einige U-Boot-Türme her. Die Werft konnte 1941 mit der Elbe (№ 341) und 1943 mit der Hummel (№ 331) noch zwei Kümos abliefern, bevor der zivile Schiffsbau kriegsbedingt zum Erliegen kam.
1946 bis 2011
Den Zweiten Weltkrieg überstand die Werft ohne Beschädigungen. Sie besaß damals zwei hölzerne Slipanlagen sowie einen 20 Meter und einen 50 Meter langen Helgen für Neubauten. Nachdem die Westalliierten das 1945 erlassene deutsche Schiffbauverbot gelockert hatten, konnte das Unternehmen 1949 die Produktion wieder aufnehmen und mit dem Fischkutter Auguste (№ 343) sein erstes Nachkriegsschiff abliefern. Am 10. Januar 1950 folgte mit der Süd-West (№ 347) das erste Nachkriegskümo.
Mit der völligen Aufhebung des Schiffbauverbots im Jahr 1951 erweiterte Johann Jacob Sietas das Firmengelände zunächst in die Tiefe und verlängerte die vorhandenen Helgen und Slipanlagen auf 60 Meter. Das Unternehmen ging in den frühen 1950er Jahren zur Sektionsbauweise über, wodurch man die Bauzeiten verkürzen und Schiffe in standardisierten Serien herstellen konnte.[5] Nach weiteren Landkäufen weihte die Werft 1956 das mit zwei Portalkränen ausgestattete Ausrüstungskai ein. Das erste Schwimmdock, ein umgebauter Hebeponton für U-Boote, wurde 1958 in Betrieb genommen. Aus Platzgründen musste das Schwimmdock zunächst außerhalb des Firmengeländes direkt an der Estemündung vertäut werden. Kurzzeitig plante Sietas an dieser Stelle einen komplett neuen Betrieb zu errichten. Diese Planung wurde verworfen, weil man am 1. Juli 1959 die östliche Nachbarwerft W. Holst aufkaufen konnte, die zwischen dem Stammbetrieb und dem Schwimmdock lag. Wegen der verkehrstechnisch ungünstigen Lage seines Unternehmens ließ J. J. Sietas im selben Jahr die ersten 120 Werkswohnungen für seine Arbeitskräfte in Hamburg-Neuenfelde bauen.[6]
Bekannt ist die Werft auch durch die Typenbezeichnungen ihrer Schiffe, die seit 1958 in nummerisch chronologischer Reihenfolge vergeben werden. Seit dieser Zeit hat, mit Ausnahme des 1970 gebauten Fischkutters Nixe (HF 551), jedes Einzelschiff sowie jede neue Bauserie von Schiffen eine durchgängig vergebene Typennummer (z. B. Typ 28 oder Typ 137) erhalten. Die ersten, noch nicht auf Nummern basierenden Typenbezeichnungen führte die Werft ab 1955 zunächst für drei neue Serien von Küstenmotorschiffen ein, wobei die Anfangsbuchstaben des jeweils ersten bestellten Schiffs als Typbezeichnung dienten. So war der ab 1955 gefertigte Typ HG benannt nach der Hertha Gerdau (№ 395). In den Jahren 1956 und 1957 folgten die Kümo-Baureihen Typ F und Typ A, benannt nach der Hannes Fesefeldt (№ 404) beziehungsweise Astarte (№ 419). Alle sonstigen zwischen 1955 und 1958 gefertigten Bauserien und Einzelbauten trugen noch keine Typenbezeichnung.[7]
Mitte 2008 begann abrupt eine Schifffahrtskrise: Charterraten (Mietpreis für ein Schiff) und Frachtraten für Container und andere Güter fielen stark. Viele Schiffe fuhren nicht mehr kostendeckend; die Reeder ließen nur noch die nötigsten Reparaturen und Instandhaltungen machen. Dies sowie steigende Stahlpreise und falsche Kostenkalkulation brachten die Werft in finanzielle Schwierigkeiten. Der größte Gläubiger der Werft, die HSH Nordbank, setzte Anfang März 2009 ein neues Management ein. Damit wird die Werft erstmals seit 1635 von Familienfremden geführt.
Die Werftmitarbeiter fertigten auf einer Werksfläche von rund 16 Hektar verschiedene Schiffstypen. In erster Linie wurden in den letzten Jahren kleine bis mittelgroße Containerschiffe gebaut. Nachdem im Zuge der weltweiten Rezession ab 2008 besonders die Containerschifffahrt stark zurückgegangen war und J.J. Sietas mit zahlreichen Stornierungen und schwindendem Auftragsbestand zu kämpfen hatte, wendete man sich vom Containerschiffbau ab und suchte Nischen im Spezialschiffbau. Hierzu zählen u. a. Schwergutschiffe, Fähren und Offshore-Schiffe. Am 6. November 2009 wurde der 393. und letzte Containerfrachter abgeliefert. Es handelte sich dabei um ein Schiff des Typs 178.[8] Danach baute die Werft mit dem Typ 183 Schwergutschiffe, die zu den leistungsfähigsten der Welt zählen. Die Schiffe wurden von der Reederei SAL bestellt. Das erste Schiff dieses Typs heißt Svenja und wurde Dezember 2010 in Dienst gestellt.[9] Im März 2011 wurde das Schwesterschiff Lone abgeliefert.
Am 17. November 2011 wurde wegen Überschuldung ein Antrag auf Insolvenz gestellt[12] und mit Beschluss vom 1. Februar 2012 das Insolvenzverfahren eröffnet.[13] Am 22. Mai 2012 teilte der Insolvenzverwalter Berthold Brinkmann mit, dass fünf Kaufangebote von Unternehmen der Schiffbaubranche aus Deutschland, Europa und Asien vorlägen.[14] Ende Juni entschied der Gläubigerausschuss, die drei Sietas-Unternehmen (Sietas-Werft, Neuenfelder Maschinenfabrik und Norderwerft) getrennt zu verkaufen.[15] Die Sietas-Werft sollte an die niederländische VeKa-Gruppe verkauft werden, die Norderwerft wurde an die Bremer Lürssen-Werft verkauft und die Neuenfelder Maschinenfabrik (NMF) an die norwegische TTS Group ASA.[16] Der Verkauf der Sietas-Werft an die VeKa-Gruppe kam jedoch nicht zustande, da das Wasserbauunternehmen Van Oord anders als erwartet kein zweites Errichterschiff in Auftrag gab.
Beginn und Entwicklung der Pella Sietas
Im März 2014 wurde die Sietas-Werft von der Terraline GmbH in Hamburg, die zur in St. Petersburg ansässigen Pella Shipyard gehört, übernommen. Laut Vereinbarung musste die Werft für mindestens acht Jahre weiter betrieben werden[17], die verbliebenen Beschäftigten wurden übernommen. Der Name des Werftunternehmens wurde nach der Übernahme in Pella Sietas GmbH geändert.[18]
Pella Sietas arbeitete im Spezialschiffbau. Insbesondere eisgängige Schiffe, Fähren und Baggerschiffe wurden erbaut, aber auch Sektionen für große Kreuzfahrtschiffe z. B. für die Meyer-Werft in Papenburg wurden in Hamburg vorgefertigt. In mehrere Schiffe wurden Scrubber eingebaut, um aktuelle Umweltvorschriften zu erfüllen. Auch Reparaturen und Umbauten wurden durchgeführt.
Mitte 2020 zeigte Pella Sietas Interesse an der Übernahme der insolventen Flensburger Schiffbau-Gesellschaft (FSG), dies kam nicht zustande, stattdessen erwarb FSG 2022 das Schwimmdock aus der Konkursmasse von Pella Sietas.[19]
Am 29. Juli 2021 stellte Pella Sietas abermals einen Insolvenzantrag.[20]
Im September 2024 sollten 2 der 4 letzten Kai-Kräne abgebaut werden, die verkauft worden waren. Sie waren kurz zuvor unter Denkmalschutz gestellt worden. Die Bürgerschaftsabgeordnete Gudrun Schittek, in deren Wahlkreis die Werft liegt, verständigte die Polizei, die die Demontage stoppte.[21] Wenige Tage später wurde bekannt, dass sich der Denkmalschutz nicht halten lässt und alle vier Kai-Kräne demontiert werden dürfen.[22]
Ehemalige Sietas-Gruppe
Neben der Schiffswerft gehörten bis 2012 folgende Unternehmen zur Sietas-Gruppe: