Die Baureihe wurde ab Mitte der 1970er Jahre von verschiedenen Reedereien geordert und von 1977 bis 1980 in 26 Einheiten gefertigt. Es entstanden 16 Schiffe des Grundtyps 95, sechs des Untertyps 95a, zwei des Untertyps 95b und je eines der Untertypen 95c und 95d. Abhängig von der Bauvariante wurden die Schiffe bis in die 1990er Jahre häufig als Containerfeeder auf europäischen Containerzubringerdiensten eingesetzt, wo sie zu einer Standardgröße wurden. Daneben nutzte man sie in der Bulk- und Holzfahrt. Durch Verkäufe findet man den Typ 95 heute weltweit in der Küstenfahrt.
Einige Schiffe wurden nachträglich umgebaut, um sie für andere Verwendungszwecke zu nutzen. Den Anfang machte 1988 die zum Zementfrachter umgerüstete Hornbaltic. Speziell zum Transport von Kohlenstoffdioxid baute man 1989 die Este und 1992 die Britta zu Flüssiggastanker um. Die Anja wurde im Jahr 2016 vom Unternehmen Bakkafrost erworben. Nach einem Komplettumbau, bei dem auch die Aufbauten entfernt wurden, kommt sie als antriebsloses Spezialschiff Høvdabogi in den firmeneigenen Lachsfarmen auf den Färöer-Inseln zum Einsatz.[3][4] Im Jahr 2018 kaufte die philippinische JBL Martime Vanguard Services die ehemalige Passat und ließ sie zum SchulschiffCapt. John B. Lacson umbauen.[5] Im Frühjahr 2019 ging aus dem Umbau der damals 42 Jahre alten ehemaligen Jörn Dede der ViehtransporterBanyas 1 hervor.[6]
Mehrere Schiffe des Typs 95 entstanden auf der Norderwerft, die damals zur Sietas-Gruppe gehörte. Der Rumpf der Frey, die am 23. Mai 1980 vom Stapel lief und danach auf der Sietas-Werft komplettiert wurde, war bis zur Ablieferung der Osnabrück im Jahr 1996 der letzte Neubau der Norderwerft.
Technik
Die Schiffe der Baureihe entstanden in Sektionsbauweise und wurden in verschiedenen Varianten gefertigt. Angetrieben werden sie von Viertakt-Dieselmotoren verschiedener Hersteller, die bei einigen Schiffen mit einem Wendegetriebe auf einen Festpropeller, bei der Mehrzahl der Schiffe jedoch auf einen Verstellpropeller wirken. Die meisten Schiffe wurden mit einem Bugstrahlruder ausgerüstet. Zudem erhielten mehrere Einheiten ein Kort-Düsenruder.
Typ 95
Der als Mehrzweckfrachtschiff ausgelegte Grundtyp 95 ist 71,97 m lang, 12,80 m breit und vom Kiel bis zum Oberdeck 6,80 m hoch. Der Tiefgang beträgt maximal 4,45 m. Der Grundtyp hat eine Tragfähigkeit von rund 2.040 dwt. Der einzelne kastenförmige Laderaum (box-shaped) besitzt einen Getreide-Rauminhalt von 3.197 m³ (3.122 m³ Ballenraum). Durch die Form des Laderaums ist der Schiffstyp auch in der Zellulose- oder Paketholzfahrt einsetzbar. Die Tankdecke ist für die Stauung von Schwergut verstärkt. Es wurden schwergutverstärkte hydraulisch betätigte Faltlukendeckel verwendet. Die Lukengröße beträgt 43,80 m × 10,20 m. An Bord können maximal 127 20-Fuß-Standardcontainer (TEU) gestaut werden, davon 53 TEU im Laderaum und 74 TEU an Deck. Alternativ ist ein Transport von bis zu 58 40-Fuß-Standardcontainer (FEU), davon 34 FEU an Deck, plus 5 TEU möglich.
Typ 95a
Der Untertyp 95a entstand durch eine Verlängerung des Grundtyps 95. Er besitzt eine Gesamtlänge von 79,77 m (74,50 m Lpp). Die Tragfähigkeit der Mehrzweckfrachtschiffe variiert geringfügig und liegt zwischen 2.213 dwt (Holger) und 2.291 dwt (Süderelv). An Bord können bis zu 149 TEU gestaut werden. Die Hans Lehmann wurde im September 1988 durch einen Umbau auf 94,77 m (90,40 m Lpp) verlängert. Das umgebaute Schiff hat eine Tragfähigkeit von 3.182 dwt und eine Kapazität von 185 TEU.[2]
Typ 95b
Der Untertyp 95b ist als Minibulker konzipiert worden und primär zum Transport von Schüttgut ausgelegt. Die beiden gebauten Schiffe wurden bei Ablieferung mit 343 BRT und einem maximalen Tiefgang von 3,77 m vermessen. Sie sind 71,40 m (65,15 m Lpp) lang und vom Kiel bis zum Oberdeck 6,00 m hoch. Die Seitenhöhe ist um 80 Zentimeter niedriger als beim Grundtyp 95 und wurde zum Teil durch ein höheres Lukensüll ausgeglichen. Zur Gewichtseinsparung erhielt der Untertyp 95b ein modifiziertes Deckshaus. Die Tragfähigkeit der Kiekeberg beträgt 1.491 dwt, die Tragfähigkeit der Tafelberg 1.582 dwt.[2]
Typ 95c
Die Abmessungen des Untertyps 95c sind identisch mit denen des Untertyps 95a. Er besitzt jedoch ein höheres Lukensüll, wodurch man den Getreide-Rauminhalt auf 4.564 m³ (4.296 m³ Ballenraum) steigern konnte. An Bord können bis zu 145 TEU gestaut werden. Das einzige gebaute Schiff, die Melton Challenger, war ursprünglich bei Ablieferung im Jahr 1980 mit 991 BRT und 2.208 dwt vermessen worden.[2] In den 1990er Jahren erfolgte eine Neuvermessung mit 2.195 BRZ und 3.041 dwt. Das Schiff kam ab 2006 primär als Minibulker zum Einsatz und wurde hierzu mit einem verfahrbaren Bagger ausgerüstet.
Typ 95d
Der als Mehrzweckfrachtschiff ausgelegte Untertyp 95d basiert auf dem Untertyp 95b und ist wie dieser 71,40 m lang (jedoch bei 66,46 m Lpp). Im Gegensatz zum Untertyp 95b erhielt er verstärkte Lukendeckel, so dass zwei Containerlagen an Deck gestaut werden können. Das einzige gebaute Schiff, die Frey, wurde bei Ablieferung mit 499 BRT, 1.644 dwt und einem maximalen Tiefgang von 3,93 m vermessen.[2] Im Jahr 1994 erfolgte eine Neuvermessung mit 1.710 BRZ und 2.540 dwt.
Die Schiffe
In der Tabelle sind die Schiffe in Reihenfolge der Ablieferungen gelistet.
Sietas Typ 95
Bauname
Typ
Bau- nummer
IMO- Nummer
Stapellauf Ablieferung
Auftraggeber
Umbenennungen und Verbleib
Seevetal
95
807*
7601059
27.03.1977 23.04.1977
Friedrich G. Frommann, Hamburg
1982 Eco Maria → 1983 Seevetal → 8/1985 Adils → 4/1989 Cintra → 11/1990 Ville du Mistral → 6/1991 Cintra → 11/1991 Ville D’Alexandrie → 6/1992 Ville de Mina Qaboos → 3/2009 Marina → 12/2011 Aser, im November 2016 in Aliağa verschrottet
Corvette
95
797
7615024
19.03.1977 30.04.1977
Gebrüder Winter, Jork
abgeliefert als Else-Beth → 1/1978 Corvette → 1/1981 Eco Dao → 4/1983 Corvette → 12/1989 Arosia → 8/2002 Amy → 4/2003 Rosi → 10/2003 Maria P → 6/2005 Farah I → 6/2001 Vienna S, im Dezember 2012 in Aliağa verschrottet
Jörn Dede
95
799
7615036
06.05.1977 27.05.1977
Friedhelm Dede, Jork
abgeliefert als Bell Variant → 1978 Jörn Dede → 1983 Akak Progress → 1986 Joern Dede → 6/1995 Baltic Courier → 9/2004 Baltic Cartier → 10/2007 Majeda → 2/2010 JSM → 8/2013 Christina → 3/2015 Leith → 11/2016 Anwar-A → 4/2019 Umbau zum ViehtransporterBanyas 1 → 9/2024 Leader
Britta
95
786
7509172
11.06.1977 30.06.1977
Hans & Uwe Heidhoff, Hamburg
7/1977 American Cheyenne → 1/1979 Britta I → 1/1987 Britta II → 5/1992 Umbau zum Flüssiggastanker Hydrogas II → 12/2004 Yara Gas II, im August 2013 zur Verschrottung in Frederikshavn eingetroffen
Niedermehnen
95
812
7633404
28.06.1977 26.07.1977
Osterwisch & Sohn, Hamburg
abgeliefert als Ibesca Portugal → 1982 Niedermehnen → 5/1983 Juliana → 1984 Akak Victory → 1985 Victory → 1986 Juliane → 1986 Lady Juliane → 9/1988 Fareast Victor → 1989 Tong An, Zustand und Verbleib unklar
12/1986 Passat 1 → 12/1990 Passat → 5/1997 Super Shuttle → 2018 Umbau zum SchulschiffCapt. John B. Lacson, so 2022 in Fahrt
Falkenstein
95
820*
7633454
19.08.1977 17.09.1977
Helfried Fahje, Hamburg
12/1990 Norrland → 2/1996 Baltic Bonita → 11/1997 Windfjord, am 9. September 2001 nach Ausfall der Hauptmaschine in der Nordsee auf Position 55.35N,03.30E gekentert, am 17. September 2001 auf Position 54.39N,03.50E gesunken
Levern
95
814
7633428
05.08.1977 23.09.1977
Osterwisch & Sohn, Hamburg
1983 Akak Express → 1985 ZIM Alexandria → 1987 Tatiana → 4/1990 Diana D → 12/1992 Lu Sheng → 3/2008 Dan Gyol Bong → 12/2012 Tan Wyol Bong, im Dezember 2015 in Jingjiang verschrottet
12/1983 Pico Ruivo → 4/1995 Baltic Champ → 10/2002 Rania → 10/2012 Rakel → 2/2013 Ahmad-M → 10/2013 Sandy, am 9. Dezember 2014 mit etwa 580 syrischen Flüchtlingen von der italienischen Küstenwache nach Crotone verbracht, der spätere Verbleib des Schiffes ist unklar
Anja
95
831*
7703273
22.10.1977 19.11.1977
Peter Meyer, Klein-Nordende
8/1988 Loga → 4/1990 Annika-M → 4/2001 Sally → 9/2013 Angelina → 2016 vom Unternehmen Bakkafrost erworben und danach zum antriebslosen Versorger Høvdabogi umgebaut, der in den firmeneigenen Lachsfarmen eingesetzt wird
Kiekeberg
95b
699
7615000
19.11.1977 10.12.1977
Friedrich Dauber, Hamburg
4/1989 Nordcarrier → 3/2009 Laguna, im November 2017 in Grenaa verschrottet[8]
Este
95
834*
7711892
25.11.1977 22.12.1977
Estebrügger Schiffahrts-GmbH
1/1989 bis 3/1989 Umbau zum Flüssiggastanker Hydrogas → 12/2004 Yara Gas 1, am 29. März 2013 zur Verschrottung in Frederikshavn eingetroffen
Hollwede
95
813
7633416
09.12.1977 29.12.1977
Osterwisch & Sohn, Hamburg
1978 Ibesca Anglia → 1980 Hollwede → 1987 Kyra → 11/1988 Tharos → 8/1992 Rong Da → 10/2009 Il Sim, im Dezember 2015 in Jingjiang verschrottet
Tafelberg
95b
709
7615012
10.12.1977 30.12.1977
Friedrich Dauber, Hamburg
4/1989 Nordtrader → 3/2009 Lunden → 6/2009 Armony, so 2022 in Fahrt
Detlefsen, Gert Uwe: Vom Ewer zum Containerschiff. Die Entwicklung der deutschen Küstenmotorschiffe. Koehlers Verlagsgesellschaft, Herford 1983, ISBN 3-7822-0321-6.
Detlefsen, Gert Uwe; Abert, Hans Jürgen: Die Chronik der deutschen Küstenmotorschiffe 1945-1995. 1. Auflage. Verlag Gert Uwe Detlefsen, Bad Segeberg 1995, ISBN 3-928473-24-7 (3 Bände).
Detlefsen, Gert Uwe; Abert, Hans Jürgen: Register der deutschen Kümos sowie anderer Fracht- und Containerschiffe von 500 bis 1600 BRT und bis BRZ 5000 1945-1999. 1. Auflage. Verlag Gert Uwe Detlefsen, Bad Segeberg 1999, ISBN 3-928473-54-9 (2 Bände).
Gert Uwe Detlefsen, Hans Jürgen Abert: Die Geschichte und Schicksale deutscher Serienfrachter. Band 1 - Die Entwicklung, deutsche Serien nach 1945 Die Schicksale der Hansa-A-Frachter. Verlag Gert Uwe Detlefsen, Bad Zwischenahn 1998, ISBN 3-928473-41-7.
Gert Uwe Detlefsen, Hans Jürgen Abert: Die Geschichte und Schicksale deutscher Serienfrachter. Band 2 - Die Schicksale und Lebensläufe der Hansa-B und C-Frachter, der Deutschen Mehrzweckfrachter, Typ '36 / 36 L', Trampko, Typ 'Rendsburg', BV 16/1800, RW 39/49 und Eco-Box. Verlag Gert Uwe Detlefsen, Bad Zwischenahn 1998, ISBN 3-928473-42-5.