Die Behörden in Vorderösterreich wurden seit der frühen Neuzeit von der WienerHofburg in Innsbruck, Ensisheim und Freiburg im Breisgau eingerichtet, um die weit verstreuten Besitzungen im Südwesten des Heiligen Römischen Reiches zu verwalten. Die habsburgischen Territorien gehörten nicht zum Schwäbischen, sondern zum Österreichischen Reichskreis. Die Beziehungen pendelten im Laufe der Jahrhunderte zwischen den Polen Eigenständigkeit der Vorlande und Abhängigkeit von der Zentrale.
In der Schlacht bei Austerlitz am 2. Dezember 1805 errang Napoleon den entscheidenden Sieg über das Kaisertum Österreich, das empfindliche territoriale Verluste einstecken musste. Im Südwesten Deutschlands fanden fünf Jahrhunderte Herrschaft des Hauses Habsburg ihr Ende und Vorderösterreich wurde auf die mit dem französischen Kaiser verbündeten Rheinbundstaaten verteilt. Die neuen Gebieter der ehemals habsburgischen Territorien gaben sich in der Folgezeit alle Mühe, die anachronistisch gewordene Zugehörigkeit zu Wien von Ländern und Ländchen an Oberrhein und Oberdonau vergessen zu lassen. Das Archivgut der k. k. Verwaltungen aus den Zentralbehörden und Oberämtern fristete ein Schattendasein in diversen Archiven von Karlsruhe über Stuttgart bis München. Weitgehend ist die Politik des gezielten Verschweigens auch gelungen; selbst das renommierte 19-bändige Meyers Konversations-Lexikon der Jahre 1885ff verzeichnet nicht einmal mehr das Stichwort. Es musste erst das 21. Jahrhundert anbrechen, bis endlich die Bestände Vorderösterreichs – in der Hauptsache im Generallandesarchiv Karlsruhe – neu geordnet, verzeichnet und in Findbüchern ediert wurden.
Nach der Verlagerung des Schwerpunkts ihrer Machtinteressen nach Mittelosteuropa blieben die Territorien im Elsass, Sundgau, Aargau, Thurgau, Breisgau und auf dem Schwarzwald – obwohl sie die Stammlande mit der den Namen des Hauses gebenden Habsburg umfassten – kleinteilige Anhängsel des Erzherzogtums Österreich. Die auch „Vorlande“ genannten Besitzungen, da sie sämtlich vor dem Arlberg lagen, bildeten nie mehr als die „Schwanzfeder des Kaiseradlers“[1], immer wieder einmal auch als Tauschobjekte ins Auge gefasst. In der Auseinandersetzung mit den Eidgenossen gingen im Verlaufe des 14. und 15. Jahrhunderts, besiegelt im Basler Frieden 1499, nach und nach die einstigen Stammlande im Aargau und Thurgau an die Schweizer verloren. Mit dem Westfälischen Frieden 1648 musste Österreich auf sämtliche linksrheinischen Besitzungen verzichten und das Elsass mit allem Zubehör an Frankreich abtreten.
Fünf Epochen prägten das Verhältnis zwischen Wien und den für den Länderkomplex Oberösterreich in der Hofburg zu Innsbruck eingerichteten Behörden einerseits und den Vorlanden andererseits im Verlaufe der Jahrhunderte. Erst 1523 wurde ein „Regiment“ für Vorderösterreich mit Sitz in Ensisheim (Département Haut-Rhin) eingerichtet und nach dem Verlust des Elsass 1651 nach Freiburg im Breisgau verlegt, allerdings zunächst mit beschränkter territorialer Zuständigkeit.
Erste Epoche 1406–1490
Die Herzöge Friedrich IV. mit der leeren Tasche und Sigmund hatten keine Befugnisse im eigentlichen Österreich und waren nur Landesfürsten der ober- und vorderösterreichischen Lande mit Sitz in Innsbruck. Sie standen persönlich an der Spitze der Regierung, als ihre ersten Beamten fungierten Amtsträger mit den Titeln Hofmeister, Kanzler und Amtmann. Die Zeit von 1439 bis 1458 war die einzige, in der Vorderösterreich eigenständig regiert wurde. Erzherzog Albrecht VI. der Freigebige hielt mit seiner Gemahlin Mathilde, Tochter des Pfalzgrafen bei Rhein, in Freiburg im Breisgau Hof. 1457 gründete er die Universität Freiburg, die rasch zum geistigen Zentrum Vorderösterreichs wurde. Der Einfluss seiner Frau, die das Vorbild Heidelberg am Pfälzer Hof kennen gelernt hatte, spielte bei der Gründung eine nicht zu unterschätzende Rolle. Mit der Errichtung der Universität Freiburg war Albrecht und Mathilde die wohl bedeutendste und dazu langlebigste kulturelle und politische Leistung in Vorderösterreich gelungen.
Zweite Epoche 1490–1565
Die Kaiser Maximilian I. und Ferdinand I. regierten Vorderösterreich zusammen mit den anderen Königreichen und Ländern der Monarchie. Die oberösterreichischen Zentralbehörden waren vom Hof in Wien abhängig, in Innsbruck fungierten Vertreter der landesfürstlichen Gewalt, mit dem Titel Landhofmeister bei Maximilian, Statthalter bei Ferdinand. In Ensisheim wurde eine Regierung („Regiment unserer vorderen Lande in Oberelsass“) eingesetzt, 1523 erließ Erzherzog Ferdinand erste nähere Instruktionen. Ein Landvogt fungierte als Oberhaupt, unterstützt von Statthalter, Kanzler, Kammerprokurator und vier anderen Räten. Die vorderösterreichische Regierung und Kammer blieben immer den oberösterreichischen Hofbehörden in Innsbruck unterstellt. Die vier Länder Elsass, Sundgau, Breisgau und Schwarzwald genossen eine Sonderstellung unter dem eigenen „Regiment“, während Schwäbisch Österreich bestehend aus Hohenberg, Nellenburg, Konstanz, Burgau, den Donaustädten und der Landvogtei Schwaben sowie die Herrschaften vor dem Arl bis 1752 unmittelbar der oberösterreichischen Regierung und Kammer zu Innsbruck unterstanden.
Dritte Epoche 1565–1665
Die Erzherzoge Ferdinand II., Maximilian III., Leopold V., dessen Witwe Claudia de’ Medici, Ferdinand Karl und Sigismund Franz waren wieder nur gefürstete Grafen von Tirol in Innsbruck, zu denen auch die Vorlande gehörten. Das oberste Kollegium zur Unterstützung der Landesfürsten hieß nun Hofrat oder Geheimer Rat mit einem Statthalter an der Spitze bis 1596, danach hatten Geheimer Rat und Regiment je einen Präsidenten mit Sitz auf der Innsbrucker Hofburg. Den meisten Einfluss hatte der Hofkanzler im Geheimen Rat, daneben bestand auch das Amt des Regimentskanzlers. Nach der Abtretung des Elsass und damit auch des Regierungssitzes Ensisheim im Westfälischen Frieden an Frankreich musste rasch über die zukünftige Struktur der Verwaltung entschieden werden. Die Alternative der direkten Unterstellung der Lande im Breisgau und auf dem Schwarzwald unter die oberösterreichische Hofkammer zu Innsbruck wurde verworfen. 1651 nahmen die vorderösterreichische Regierung und Kammer ihren Sitz in Freiburg im Breisgau im repräsentativen Stadtpalast von Maximilians Hofkanzlers Konrad Stürtzel, der nach der Reformation dem Basler Domkapitel Zuflucht geboten hatte und daher Basler Hof heißt.
Vierte Epoche 1665–1752
Die Kaiser Leopold I., Joseph I., Karl VI. und zunächst noch Maria Theresia herrschten in zentralistischer Manier über alle österreichischen Länder, die Hofburg in Innsbruck war wieder den Behörden in Wien unterstellt. Der Vertreter des Monarchen in Innsbruck führte den Titel Gubernator, von denen Herzog Karl von Lothringen 1678–1690 und Pfalzgraf Karl Philipp von Pfalz-Neuburg 1706–1717 sich besonders auswirkten. Die Präsidenten des oberösterreichischen Geheimen Rates in Innsbruck und die Hofkanzlei blieben bestehen. Unter Graf Friedrich Wilhelm von Haugwitz, der die Politik der Theresianischen Reformen maßgeblich bestimmte, wurden die „Wesen“ in Inner- und Oberösterreich aufgelöst, dafür in Graz, Klagenfurt, Laibach und Innsbruck Mittelbehörden für die einzelnen Länder mit dem Namen „Repräsentation und Kammer“ eingerichtet.
Fünfte Epoche 1752–1805
1752 wurde die Innsbrucker Behörde auf Tirol beschränkt und eigene Institutionen für die Vorlande mit dem Sitz der „Repräsentation“ in Konstanz und der „Kammer“ in Freiburg geschaffen. Das Dekret Maria Theresias vom 13. Mai 1752 ist daher die eigentliche Geburtsurkunde Vorderösterreichs und dehnte die Zuständigkeit der Freiburger Regierung auf Schwäbisch Österreich und Vorarlberg aus. 1759 wurde die wenig praktische Aufteilung der Dienststellen aufgehoben und auch die Repräsentation aus Konstanz nach Freiburg verlegt und zur „Vorderösterreichischen Regierung und Kammer“ verschmolzen. Die Unterstellung Vorarlbergs unter die Behörden in Freiburg erwies sich wegen der großen Entfernung als nicht durchsetzbar und wurde 1782 aufgehoben. Vorarlberg wurde dem näher gelegenen „Gubernium“ Innsbruck zugeordnet. Bereits 1763 waren in den Ländern Steiermark, Kärnten, Krain und Tirol „Gubernien“ geschaffen worden, allerdings nicht in den Vorlanden.
Im Jahre 1805 endet die Geschichte Vorderösterreichs. Das Land wurde durch napoleonische Truppen besetzt und im Pressburger Frieden auf Bayern (Burgau ohne die Direktorialstadt Ehingen, Wasserburg), Württemberg (Landvogtei Schwaben, Donaustädte, Ehingen, Tettnang und Hohenberg) und Baden (Breisgau ohne Fricktal, Schwarzwald, Ortenau, Nellenburg, Konstanz) verteilt. Die über mehr als vier Jahrhunderte gewachsene Anhänglichkeit an das Erzhaus Habsburg flammte während des Wiener Kongresses noch einmal auf, aber alle Versuche eine auf Freiburg zentrierte habsburgische Sekundogenitur zu schaffen, scheiterten bereits am energischen Widerspruch des Fürsten Metternich, dessen Mutter immerhin eine geborene Kageneck und damit Vertreterin des vorderösterreichischen Adels gewesen war. Militärstrategische Gründe wogen schwerer als alte Sentimentalitäten. Wien schaute politisch nach Südosten und wollte keine „Wacht am Rhein“ übernehmen.
Liste der Behörden in Vorderösterreich am Ende des Alten Reiches (um 1785)
Zentralbehörden in Vorderösterreich
K. k. v. ö. Lehenhof der k. k. Regierung und Kammer in den v. ö. Fürstentumen und Landen (1785)
Lehenpropst
1785–1790: Johann Adam Freiherr von Posch, Herr zu Breitensee und Uttendorf
1792–1799: Joseph Thaddäus Vogt von Sumerau auf Altensumerau, Rappenstein und zum Thurn
1785–1803: Karl von Gleichenstein, fürstlich st. Blasianischer Hofrat, auch Oberamtmann der lehenbaren Stadt und Herrschaften Staufen und Kirchhofen
Mitglieder der v. ö. Prälatenstandes im Breisgau (1785)
Martin Gerbert II., Abt des Stifts und der Kongregation St. Blasien, Herr der Reichsgrafschaft Bonndorf, auch der Herrschaften Staufen, Kirchhofen, Gurtweil und Oberried, des Hl. Röm. Reichs Fürst, k. k. Erberzhofkaplan in den v. ö. Landen, des Prälatenstandes im Breisgau beständiger Präses
Karl Vogel, Abt des Benediktinergotteshauses zu unserer lieben Frauen an der Schutter, Herr zu Schuttern, Heiligenzell und Wippertskirch, k. k. wirklicher Geheimer Rat
Kolumban Christian, Abt des Benediktinergotteshauses St. Trudpert, Herr in dem oberen und unteren Münstertal. Auch zu Tunsel und Schmiedhofen
Philipp Jakob Steyrer, Abt des Benediktinergotteshauses St. Peter auf dem Schwarzwald und Prior zu St. Ulrich, Herr zu St. Peter, Geiersnest und Zähringen
Karl Kaspar, Abt des Zisterziensergotteshauses Tennenbach, Herr zu Kiechlinsbergen
Franz Joseph Freiherr von Lerchenfeld, des hohen deutschen Ordens Ritter und Komtur zu Beuggen, auch kurpfälzischer wirklicher Geheimer Rat
Alexander Freiherr von Stürzel, des hohen deutschen Ordens Ritter und Komtur zu Beuggen
Anna Maria Fürstin von Hornstein, Äbtissin des fürstlichen Damenstifts in Säckingen
Maria Viktoria Freifrau von Schönau-Wehr, Äbtissin des Zisterziensergotteshauses Olsberg
Maria Benedikta, Äbtissin des Zisterziensergotteshauses Wonnental
Franz Joseph Byrsner, Propst des weltlichen Chorherrenstifts St. Margaretha zu Waldkirch, Herr in dem stiftischen Simonswald und in Siegelau
Max Anton von Winkelblech, Propst des kaiserlichen Chorherrenstifts St. Martin zu Rheinfelden
Michael Fritz, Latranensischer Abt und Prälat des regulierten Chorherrenstiftes zu St. Märgen
Direktorium der Ritterschaft im Breisgau
Präsident
1733–1741: Hannibal Max Rudolf Graf von Schauenburg, Teilherr zu Riegel, Herr der Herrschaften Nambsheim und Lichteneck, Pfandinhaber von Staufen und Kirchhofen[2]
1741–1772: Ferdinand Sebastian Freiherr von Sickingen,[3] Herr zu Ebnet, Hohenburg, Orschweiler, Wiesneck, Baldenweg an und auf dem Schwarzwald, Miterbherr der Reichsherrschaft Landstuhl und Mitteilherr zu Riegel und Littenweiler.
1772–1793: Franz Anton Freiherr von Baden, Herr zu Liel, Au, Sölden und Mitherr zu Amoltern
1793–1794: Anton Freiherr von Pfirt, Herr zu Biengen und Krozingen
1794–1796: Vacat
1797–1805: Friedrich Freiherr von Andlau-Homburg, Herr zu Bellingen
Combinirt-Prälat- und Ritterständisches Judicium primae Instantiae
Präses
1768–1782: Martin Gerbert II., Abt des Stifts und der Kongregation St. Blasien, Herr der Reichsgrafschaft Bonndorf, auch der Herrschaften Staufen, Kirchhofen, Gurtweil und Oberried, des Hl. Röm. Reichs Fürst, k. k. Erberzhofkaplan in den v. ö. Landen, des v. ö. Prälatenstandes und der breisgauisch-combinierten prälat- und ritterständischen ersten Instanz Präses perpetuus
Präsident
1768–1772: Ferdinand Sebastian Freiherr von Sickingen, Herr zu Ebnet, Hohenburg, Orschweier, Wiesneck, Baldenweg an und auf dem Schwarzwald, Miterbherr der Reichsherrschaft Landstuhl und Mitteilherr zu Riegel und Littenweiler
1773: Vacat
1774–1782: Franz Anton Freiherr von Baden, Herr zu Liel, Au, Sölden und Mitherr zu Amoltern
K. k. Oberämter in Schwäbisch-Österreich
K. k. Oberamt der Markgrafschaft Burgau zu Günzburg
Lugo, Alphons: Statistik der Kaiserl. Königl. Vorlande, 1797, Generallandesarchiv Karlsruhe, Abt. 65 (Handschriften), Nr. 1443. Abgedruckt in: Friedrich Metz (Hrsg.): Vorderösterreich, Eine geschichtliche Landeskunde, 2. Aufl. Freiburg i. Br. 1967, 797–818
Kreutter, Franz: Geschichte der k. k. vorderösterreichischen Staaten: aus Urkunden, gleichzeitigen Geschichtsschreibern und andern reinsten Quellen gezogen / von einem Kapitular des Reichsstifts St. Blasi im Schwarzwalde, St. Blasien 1790
Metz, Friedrich (Hrsg.): Vorderösterreich, Eine geschichtliche Landeskunde, 2. Aufl. Freiburg i. Br. 1967, mit Aufsätzen zu sämtlichen Territorien Vorderösterreichs.
Quarthal, Franz und Gerhard Faix (Hrsg.): Die Habsburger im deutschen Südwesten, Stuttgart 2000.
Theil, Bernhard, Das DFG-Projekt „Gesamtinventar der Akten und Amtsbücher der vorderösterreichischen Zentralbehörden in den Archiven der Bundesrepublik Deutschland“ – Voraussetzungen und Ziele, in: Franz Quarthal und Gerhard Faix (Hrsg.): Die Habsburger im deutschen Südwesten, Stuttgart 2000, S. 27–40.
Kopf, Hermann, Christoph Anton Graf von Schauenburg, Freiburg i. Br. 1987.
Einzelnachweise
↑Volker Himmelein, Franz Quarthal (Hrsg.): Vorderösterreich, Nur die Schwanzfeder des Kaiseradlers? Die Habsburger im deutschen Südwesten. Süddeutsche Verlagsgesellschaft, Ulm 1999, ISBN 3-88294-277-0 (Katalog der Landesausstellung)
↑Sein Sohn Christoph Anton Graf von Schauenburg bekleidete von 1756 bis 1759 das von Graf Haugwitz neu geschaffene Amt des „Kreishauptmann im Breisgau und Commissarius der vorderösterreichischen Stände“, um die Ritterschaft sowie die Städte Freiburg, Breisach und Neuenburg unter strengere Kontrolle der Regierung zu bringen. Widerstand und Obstruktion der Ritterschaft hatten Erfolg, denn mit der unehrenhaften Entlassung Schauenburgs erlosch das Amt. Vgl. Kopf (siehe Literatur)