Ulrich Scheurlen ist nach eigener Aussage ein Nachfahre Gustav Schwabs.[1] Sein Vater, Jerg Michael Scheurlen (1926–2017), stammte aus Stuttgart und arbeitete als diplomierter Ingenieur für verschiedene Stromerzeuger.[2] Seine Mutter, Ortrud Scheurlen, geb. Hermann (1929–2020), gebürtig aus Ravensburg und in Ulm aufgewachsen, war Landwirtschaftslehrerin.[2] Ulrich Scheurlen beschrieb seine Eltern als „sehr spießig, bürgerlich, schwäbisch“.[3] Er wuchs mit einer Schwester (Sabine) und einem Bruder (Michael) in Westfalen, Hessen und Niedersachsen auf. 1963 zog die Familie nach Großkrotzenburg, wo er von 1967 an das Franziskanergymnasium Kreuzburg besuchte.[4] Seine Jugend verbrachte er in Wedemark nahe Hannover. 1977 machte er sein Abitur am Gymnasium Großburgwedel[5] und während eines Schüleraustauschs mit dem American Field Service in Boston (USA) einen High-School-Abschluss. Dort lernte er auch seine spätere erste Ehefrau, Amber Wood, kennen. Dieser Verbindung entstammen zwei Töchter, Lilli und Marlene.[6]
Den Künstlernamen Tukur legte Scheurlen sich auf Bitten Michael Verhoevens, des Regisseurs seines ersten Kinofilms, zu. Er leitete ihn aus einem in der Familie überlieferten Vorkommnis aus der Besatzungszeit des Rheinlands durch Truppen Napoleon Bonapartes ab. Ein Vorfahre habe seinen neugeborenen Sohn Napoleon, ohne weitere Rufnamen, also „Napoléon, tout court“ (‚ganz einfach Napoleon‘) nennen wollen; daraufhin sei der Name – mit dem erläuternden Zusatz und eingedeutscht – als Napoleon Tukur in die Akten aufgenommen worden.[10]
Ulrich Tukur ist in zweiter Ehe mit der Fotografin Katharina John verheiratet. Von 1999[11] bis 2019 lebten sie auf Giudecca in Venedig sowie in Montepiano (Stadt Vernio) in der Toskana. 2019 zog Tukur nach Berlin-Schöneberg.[12] Er beteiligte sich im April 2021 an der Aktion allesdichtmachen, bei der über 50 Schauspieler die Maßnahmen zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie in Videos ironisch-satirisch kommentierten.[13]
Künstlerisches Schaffen
Noch zu Tukurs Studienzeiten ermöglichte ihm der Regisseur Michael Verhoeven, erstmals in einem Film mitzuwirken: In Die weiße Rose spielte er 1982 den Studenten und Angehörigen des Widerstandskreises gegen die NS-Diktatur Willi Graf. Bei einem späteren Engagement in München in Ferdinand BrucknersKrankheit der Jugend wurde Peter Zadek auf ihn aufmerksam, und es ergab sich eine fruchtbare künstlerische Zusammenarbeit. Tukur spielte unter Zadeks Regie an der Freien Volksbühne in Berlin den SS-Offizier Kittel in Joshua Sobols Stück Ghetto.
Später wurde Tukur ebenso wie Zadek das Deutsche Schauspielhaus in Hamburg zur künstlerischen Heimat. Zadek wurde dessen Intendant, und Tukur war von 1985 bis 1995 Ensemblemitglied und in zahlreichen Haupt- und Nebenrollen zu sehen. Insbesondere konnte er unter Zadek in ShakespearesWie es euch gefällt, als Marc Anton in Shakespeares Julius Cäsar, als Alwa Schön in Zadeks Inszenierung der Lulu von Frank Wedekind sowie als Hamlet in der Inszenierung von Michael Bogdanov überzeugen. 1986 wurde er von den deutschen Theaterkritikern zum Schauspieler des Jahres gekürt.
1995 gründete er die Tanzkapelle Ulrich Tukur und die Rhythmus Boys, mit der er viele Tourneen gespielt und einige Tonträger veröffentlicht hat. Sie firmiert unter der Bezeichnung Die älteste Boygroup der Welt und spielt Eigenkompositionen und Evergreens, mit Ulrich Tukur als Sänger, Pianist, Akkordeonist und Moderator. Die Rhythmus Boys sind Kalle Mews (Schlagzeug, Tierlaute), Ulrich Mayer (Gitarre, Gesang) und Günter Märtens (Kontrabass, Gitarre, Gesang). Ulrich Tukur & Die Rhythmus Boys starteten am 24. April 2017 eine Tour als musikalische Botschafter Deutschlands in Budapest, Belgrad und Laibach.[14]
Im Jahr 2014 übernahm er die Schirmherrschaft für den Deutschen Fernsehkrimi-Preis.[16] Im Oktober 2019 veröffentlichte Tukur seinen ersten Roman, Der Ursprung der Welt.[17]
1998: Ulrich Tukur & Die Rhythmus Boys: Meine Sehnsucht ist die Strandbar, Metronome
2001: Ulrich Tukur & Die Rhythmus Boys: Wunderbar, dabei zu sein, Tacheles! (Roofmusic, DE: Gold (German Jazz Award))[18]
2003: Ulrich Tukur & Die Rhythmus Boys: Morphium, Tacheles! (Roofmusic, DE: Gold (German Jazz Award))
2003: Peter Lohmeyer & Fink mit Ulrich Tukur: Bagdad Blues, Trocadero (Indigo)
2006: Ulrich Tukur & Die Rhythmus Boys: Musik hat mich verliebt gemacht, Roofmusic
2010: Ulrich Tukur: Mezzanotte, Deutsche Grammophon
2011: Ulrich Tukur & Die Rhythmus Boys: Musik für schwache Stunden, Trocadero (Indigo, DE: Gold (German Jazz Award))
2012: Musik im Hörbuch Roger Willemsen: Das müde Glück, gelesen vom Autor, sowie Sofia Brandt und Matthias Brandt, Tacheles Verlag, Bochum; 1 CD, 47 Minuten
2014: Ulrich Tukur & Die Rhythmus Boys: So wird's nie wieder sein: Lebendig im Konzert, Trocadero (Indigo)
Die Seerose im Speisesaal. Venezianische Geschichten. List, Berlin 2005, ISBN 3-548-60839-6.
Wehe, wirre, wunderliche Worte. Deutsche Liebesgedichte. Ausgewählt von Ulrich Tukur. Fotografien von Katharina John. Ullstein, Berlin 2011, ISBN 978-3-550-08864-3.
Gero von Boehm: Ulrich Tukur. 14. November 2010. Interview In: Begegnungen. Menschenbilder aus drei Jahrzehnten. Collection Rolf Heyne, München 2012, ISBN 978-3-89910-443-1, S. 730–739.
C. Bernd Sucher (Hrsg.): Theaterlexikon. Autoren, Regisseure, Schauspieler, Dramaturgen, Bühnenbildner, Kritiker. Von Christine Dössel und Marietta Piekenbrock unter Mitwirkung von Jean-Claude Kuner und C. Bernd Sucher. 2. Auflage. Deutscher Taschenbuch-Verlag, München 1999, ISBN 3-423-03322-3, S. 717.
Kay Weniger: Das große Personenlexikon des Films. Die Schauspieler, Regisseure, Kameraleute, Produzenten, Komponisten, Drehbuchautoren, Filmarchitekten, Ausstatter, Kostümbildner, Cutter, Tontechniker, Maskenbildner und Special Effects Designer des 20. Jahrhunderts. Band 8: T – Z. David Tomlinson – Theo Zwierski. Schwarzkopf & Schwarzkopf, Berlin 2001, ISBN 3-89602-340-3, S. 76 f.