Schilino (russischЖилино; deutsch Szillen, 1936 bis 1947 Schillen, litauischŽiliai) ist eine Siedlung im Rajon Neman in der russischen Oblast Kaliningrad. Der Ort Schilino gehört zur kommunalen Selbstverwaltungseinheit Stadtkreis Neman.
Schilino liegt im historischen Ostpreußen, etwa 15 Kilometer südwestlich der Rajonstadt Neman(Ragnit) und 30 Kilometer nördlich von Tschernjachowsk(Insterburg). Die Stadt Sowetsk(Tilsit) im Norden ist etwa 20 Kilometer entfernt.
Ortsname
Der Name Szillen (Schillen) ist von ßilas (litauisch = Heide) abgeleitet und bedeutet so viel wie ‚Heideort‘.
Geschichte
Die ersten Siedler kamen wohl im 16. Jahrhundert als Zinsbauern nach Szillen. Ab dem 17. Jahrhundert durfte dort auch Eigentum erworben werden. Im Jahr 1629 wurde das Kirchspiel Szillen errichtet. Im Jahr 1732 zogen Salzburger Exulanten zu. Um 1785 war das Dorf Szillen eine Streusiedlung mit einer Kirche, zwei Windmühlen und 23 Feuerstellen (Haushaltungen), das zum Amtsbezirk Sommerau gehörte.[2] Im 19. Jahrhundert gehörte das Dorf zum Kreis Ragnit.[3]
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden die Chausseen und die Eisenbahnlinie Tilsit–Insterburg gebaut. 1865 erhielt der Apotheker Kaul eine Konzession für die Eröffnung einer Apotheke in Szillen.[4] 1895 wurde eine Freiwillige Feuerwehr gegründet. In den Jahren 1910/11 wurde Szillen an das Stromnetz angeschlossen. Bis 1945 befand sich in Schillen ein Gutsbetrieb,[5] der Eigentum der Familie Erzberger war.
Angesichts der sich nähernden Front im Zweiten Weltkrieg wurde Schillen im Oktober 1944 evakuiert. Bald darauf wurde der Ort von der Roten Armee besetzt. Im März 1946 wurde in Szillen zur Versorgung der in Tilsit stationierten sowjetischen 28. Mechanisierten Schützendivision der Militär-Sowchos Nr. 20 eingerichtet. Auf ihm hatten vor allem Deutsche aus Schillen und Umgebung zu arbeiten, die nicht geflohen oder dorthin zurückgekehrt waren. Im Sommer 1947 wurde daraus der (Zivil-)Sowchos Nr. 134. Es wurden nun auch Umsiedler aus der Sowjetunion aufgenommen. Szillen wurde in Schilino umbenannt und Hauptort eines Dorfsowjets. Im Oktober 1948 wurden die Deutschen per Lastwagen oder Schlitten nach Kaliningrad und von dort in Güterwaggons in die Sowjetische Besatzungszone abtransportiert.
Schilino gehört zu den wenigen Orten im ehemaligen Nord-Ostpreußen, dessen historischer Name in „russifizierter“ Form überdauert hat.
1928 nach Kropien eingegliedert, das in Usseinen umbenannt wurde
Wingeruppen
Bruchhof (Ostpr.)
Wolokolamskoje
vor 1908: Aschmoweitkuhnen
ab 1933: Achtfelde
vor 1908: Balandzen 1936–1938: Balandschen
Ballanden
vor 1908: Sackeln
Schilinski selski Sowet/okrug 1947–2008
Der Dorfsowjet Schilinski selski Sowet (ru. Жилинский сельский Совет) wurde im Juni 1947 eingerichtet.[16] Im Jahr 1954 wurde der Uljanowski selski Sowet an den Schilinski selski Sowet angeschlossen.[17] Spätestens in den 1970er Jahren gelangten diese Orte dann allerdings in den Luninski selski Sowet. Nach dem Zerfall der Sowjetunion bestand die Verwaltungseinheit als Dorfbezirk Schilinski selski okrug (ru. Жилинский сельский округ). Im Jahr 2008 wurden die verbliebenen Orte des Dorfbezirks in die neugebildete Landgemeinde Schilinskoje selskoje posselenije übernommen.
Der Ort wurde 1950 umbenannt und vor 1975 verlassen.
Wolokolamskoje (Волоколамское)
Wingeruppen, 1938–1945: „Bruchhof (Ostpr.)“
Der Ort wurde 1950 umbenannt und vor 1988 verlassen.
Der im Jahr 1950 umbenannte Ort Gorkino (Groosten) wurde ebenfalls zunächst in den Schilinski selski Sowet eingeordnet, kam dann (vor 1975) aber zum Rakitinski selski Sowet.
Die beiden im Jahr 1950 umbenannten Orte Jermakowo (Karlshof) und Luganskoje (Pucknen) wurden ebenfalls zunächst in den Schilinski selski Sowet eingeordnet, kamen dann (vor 1975) aber zum Dorfsowjet Luninski selski Sowet.
Schilinskoje selskoje posselenije 2008–2016
Die Landgemeinde Schilinskoje selskoje posselenije (ru. Жилинское сельское поселение) wurde im Jahr 2008 eingerichtet.[18] Sie umfasste 18 Siedlungen mit insgesamt etwa 3.000 Einwohnern, die vorher den Dorfbezirken Kanaschski selski okrug, Nowokolchosnenski selski okrug und Schilinski selski okrug zugeordnet waren. 2017 ging die Gemeinde in den neu geschaffenen Stadtkreis Neman auf.
Zur Gründung des Kirchspiels, das zur evangelischenDiözese Ragnit im Kirchenkreis Tilsit-Ragnit in der Kirchenprovinz Ostpreußen der Kirche der Altpreußischen Union gehörte,[2][21] wurde in Szillen eine Kirche aus Fachwerk errichtet. Sie brach im Jahr 1698 zusammen, angeblich während eines Festtags-Gottesdienstes, wobei es auch Opfer gegeben haben soll.
Im Jahr 1701 wurde eine neue Kirche fertiggestellt, diesmal aus Feldsteinen und Ziegelecken, mit einem 44 Meter hohen Turm. Zur Einweihung war auch der soeben in Königsberg gekrönte preußische König Friedrich I. erschienen. Diese Kirche wurde im Januar 1818 durch einen Orkan bis auf den Altarraum zerstört, bis 1827 aber wieder aufgebaut. Um 1860 bestand das Kirchspiel von Szillen zu über zwei Fünfteln aus Esten und Letten.[22] 1924 wurde vor der Kirche ein Kriegerdenkmal zur Erinnerung an die Opfer des Ersten Weltkriegs errichtet. Nach 1945 wurde die Kirche als Getreidespeicher benutzt. Der Turmhelm wurde 1965 abgetragen. 1983 brannte das Gebäude aus und das Dach stürzte ein. Heute liegt Schilino im Einzugsbereich der neu entstandenen evangelisch-lutherischen Gemeinde in Sabrodino(Lesgewangminnen, 1938 bis 1946 Lesgewangen) innerhalb der Propstei Kaliningrad[23](Königsberg) der Evangelisch-lutherischen Kirche Europäisches Russland.
Das Haus Schillen
Das sich in Schilino befindliche ehemalige Wohnhaus des ehemaligen Gutes Erzberger wurde durch das Engagement der Kreisgemeinschaft Tilsit-Ragnit vor dem Verfall bewahrt und ist heute als Haus Schillen bekannt.
Verkehr
Im Ort kreuzen sich mehrere Landstraßen, die Schilino vor 1945 zu einem Zentrum im Gebiet zwischen Tilsit (Sowetsk) und Insterburg (Tschernjachowsk) machten. Der Ort liegt an der Bahnstrecke Tschernjachowsk–Sowetsk, deren Personenverkehr aber im Jahr 2009 eingestellt wurde. Nordwestlich befindet sich ein kleiner Flugplatz.
Söhne und Töchter des Ortes
Georg Kaulbach (1866–1945), deutscher Porträt-, Industrie- und Landschaftsmaler
Daniel Heinrich Arnoldt: Kurzgefaßte Nachrichten von allen seit der Reformation an den lutherischen Kirchen in Ostpreußen gestandnen Predigern. Königsberg 1777, S. 133–134.
August Eduard Preuß: Preußische Landes- und Volkskunde oder Beschreibung von Preußen. Ein Handbuch für die Volksschullehrer der Provinz Preußen, so wie für alle Freunde des Vaterlandes. Gebrüder Bornträger, Königsberg 1835, S. 520.
Kühnast: Nachrichten über Grundbesitz, Viehstand, Bevölkerung und öffentliche Abgaben der Ortschaften in Littauen nach amtlichen Quellen. Band 2, Gumbinnen 1863, S. 433.
Szillen, Meyers Gazetteer (mit Eintrag aus Orts- und Verkehrslexikon, 1912, und alter Landkarte der Umgebung von Szillen).
↑Таблица 1.10 «Численность населения городских округов, муниципальных районов, муниципальных округов, городских и сельских поселений, городских населенных пунктов, сельских населенных пунктов» Программы итогов Всероссийской переписи населения 2020 года, утвержденной приказом Росстата от 28 декабря 2021г. № 963, с данными о численности постоянного населения каждого населенного пункта Калининградской области. (Tabelle 1.10 „Bevölkerungsanzahl der Stadtkreise, munizipalen Rajons, Munizipalkreise, städtischen und ländlichen Siedlungen [insgesamt], städtischen Orte, ländlichen Orte“ der Ergebnisse der Allrussischen Volkszählung von 2020 [vollzogen am 1. Oktober 2021], genehmigt durch die Verordnung von Rosstat vom 28. Dezember 2021, Nr. 963, mit Angaben zur Zahl der Wohnbevölkerung jedes Ortes der Oblast Kaliningrad.)
↑ abJohann Friedrich Goldbeck: Volständige Topographie des Königreichs Preußen. Teil I: Topographie von Ost-Preußen. Marienwerder 1785, S. 163.
↑Christian Gahlbeck und Vacys Vaivada: Archivführer zur Geschichte des Memelgebiets und der deutsch-litauischen Beziehungen. Oldenbourg, München 2006, ISBN 3-486-57902-9, S. 208 (eingeschränkte Vorschau)
↑Alexander August Mützell, Leopold Krug (Hrsg.): Neues topographisch-statistisch-geographisches Wörterbuch des preußischen Staats. Vierter Band. P–S. Bei Karl August Kümmel, Halle 1823, S.422 (Digitalisat).
↑Eduard Messow: Topographisch-statistisches Handbuch des Preussischen Staats. Band 2, Magdeburg 1847, S. 355.
↑Kraatz (Hrsg.): Topographisch-statistisches Handbuch des Preußischen Staats, enthaltend die sämmtlichen Städte, Flecken, Dörfer … mit Angabe des Gerichts erster Instanz … Unter Benutzung der Akten des Königlichen Justiz-Ministeriums. Deckersche Geheime Ober-Hofbuchdruckerei, Berlin 1856, S.616 (Digitalisat).
↑Kühnast: Nachrichten über Grundbesitz, Viehstand, Bevölkerung und öffentliche Abgaben der Ortschaften in Littauen nach amtlichen Quellen. Band 3, Gumbinnen 1863, S. 433, Ziffer 46.
↑Szillen, Meyers Gazetteer (mit Eintrag aus Orts- und Verkehrslexikon, 1912).
↑ abMichael Rademacher: Landkreis Tilsit-Ragnit/Pogegen. Online-Material zur Dissertation, Osnabrück 2006. In: eirenicon.com. Abgerufen am 1. Januar 1900
↑Durch den Указ Президиума Верховного Совета РСФСР от 17 июня 1947 г.«Об образовании сельских советов, городов и рабочих поселков в Калининградской области» (Erlass des Präsidiums des Obersten Sowjets der RSFSR vom 17. Juni 1947: Über die Bildung von Dorfsowjets, Städten und Arbeitersiedlungen in der Oblast Kaliningrad)
↑Durch den Указ Президиума Верховного Совета РСФСР от 16 июня 1954 г. № 744/54 «Об объединении сельских советов Калининградской области» (Erlass des Präsidiums des Obersten Sowjets der RSFSR vom 16. Juni 1954, Nr. 744/54: Über die Vereinigung von Dorfsowjets der Oblast Kaliningrad)
↑Durch das Закон Калининградской области от 30 июня 2008 г. № 257 «Об организации местного самоуправления на территории муниципального образования "Неманский городской округ"» (Gesetz der Oblast Kaliningrad vom 30. Juni 2008, Nr. 257: Über die Organisation der lokalen Selbstverwaltung auf dem Gebiet der munizipalen Bildung „Stadtkreis Neman“)