Psalm 91Der 91. Psalm (nach griechischer Zählung der 90.) ist ein Trostpsalm in Gedichtform, der zum Vertrauen auf Gott aufruft. Das Gedicht wurde anscheinend im Kriegslager verfasst, auf dem Kämpfe und Seuchen drohten (Ps 91,3–8 EU). Nach Psalm 34 ist dies der zweite Psalm, der Engel als Behüter der Gottesfürchtigen beschreibt.[1] Die Verse 11 und 12 werden durch Satan bei der Versuchung Jesu zitiert (Mt 4,6 EU). ÜberschriftIn der Hebräischen Bibel hat Psalm 91 keine Überschrift. Da Psalm 90 Mose zugeordnet wird, nimmt die rabbinische Tradition auch für die folgenden, überschriftlosen Psalmen an, dass es Mosekompositionen seien. So heißt es im Midrasch Tehillim: „Mose hat elf Psalmen verfasst, entsprechend den elf Stämmen.“ David habe diese Psalmen des Mose gefunden und in sein Psalmbuch aufgenommen, so der Babylonische Talmud (Bava batra 14b).[2] In der griechischen Septuaginta hat der Psalm dagegen die Überschrift: „Ein Loblied, bezogen auf David.“[3] GliederungDer Psalm lässt sich in drei Teile gliedern, entsprechend dem Wechsel der Sprechrichtungen:[4]
Die wechselnden Sprechrichtungen machen einen performativen Eindruck, doch ist der Psalm so offen formuliert, dass ganz unterschiedliche Anlässe denkbar sind:[5] Vorgeschlagen wurden ein Reinigungsritual, ein Segen,[6] ein Orakel, das dem König einen militärischen Sieg ankündigt, ein Dankgebet nach Genesung, eine Tempeleinlassliturgie, eine Bitte um Tempelasyl, ein Krönungsritual oder das Gebet eines Menschen, der zum Judentum konvertiert ist. Sigmund Mowinckel vermutete, der Psalm sei Teil eines Krankenheilungsrituals, während Hermann Gunkel mit der Möglichkeit rechnete, dass die Formen der Liturgie im Psalm nur nachgeahmt werden und an Psalm 91 den „unüberbietbaren Ausdruck des Individualismus“ schätzte.[7] Psalm 91 im Kontext des PsaltersIn der Exegese besteht weitgehender Konsens, dass die Psalmen 90 bis 92 eine kleine, zusammengehörige Gruppe bilden, ein „mosaisches Mustergebetbuch“ (Egbert Ballhorn). Es lassen sich mehrere Bezüge zwischen Psalm 91 und dem Lied des Mose (Deuteronomium, Kapitel 32) aufzeigen. Beispielsweise ist hebräisch אברה ’ævrāh „Schwungfeder, Schwinge“[8] nur in Ps 91,4 EU und Dtn 32,11 EU eine Metapher für Gottes Schutz, in beiden Fällen verbunden mit dem Lexem hebräisch כנפים kənāfajim „Flügel“.[9] WirkungsgeschichteIn der Antike ist der apotropäische Gebrauch von Psalm 91 breit bezeugt. Formulierungen wie „Schrecken der Nacht“ (V.5) oder „Seuche, die wütet am Mittag“ (V.6) wurden auf die Dämonen bezogen, von denen man sich umgeben und bedroht fühlte. In diesem Sinn wird Psalm 91 in 11Q Apocryphal Psalms unter den Schriftrollen vom Toten Meer zitiert. Die Übersetzung ins Griechische verstärkte dieses Textverständnis:[3] „Du wirst dich nicht fürchten vor nächtlichem Schrecken, In den synoptischen Evangelien (Mt 4,6 EU par.) ist es der Diabolos selbst, der Psalm 91 anführt, um Jesus zu versuchen. Das Matthäusevangelium stellt Jesus als Gottessohn und Davidssohn dar, der sich jederzeit auf Gottes Schutz verlassen kann. Aber Jesus weist es von sich, „den Vater mutwillig zum rettenden Eingreifen zu nötigen“.[10] Der apotropäische Gebrauch macht Psalm 91 (nach griechischer Zählung: Psalm 90) zu dem Bibeltext, der durch archäologische Artefakte für die Antike am häufigsten bezeugt ist, sei es der ganze Psalmtext oder nur die Anfangsworte. Man findet ihn als Inschrift auf Wänden und Gräbern, auf Schmuckstücken, Holztäfelchen, Papyrus- und Pergamentstücken.[11] Dem rabbinischen Midrasch zufolge verfasste Mose Psalm 91, um sich bei seinem Aufstieg zu Gott gegen dämonische Angriffe zu schützen. Sefer Shimmush Tehillim, Raschi und Rabbi Moses Zacuto empfahlen den hebräischen Psalmtext bei Exorzismen zu verwenden; er sollte auch auf magische Weise ein Entkommen aus einem Gefängnis ermöglichen.[12] Sowohl jüdische als auch christliche Quellen stimmen darin überein, dass es gut sei, diesen Psalm täglich zu beten. Im Judentum gehörte der Psalm schon früh zu den Morgengebeten an Schabbat und Feiertagen; ebenfalls früh bezeugt ist der Brauch, dass der Trauerzug bei einer Beerdigung mehrmals anhält, um Psalm 91 zu rezitieren. Im Christentum ist Psalm 91 seit der Spätantike als Nachtgebet bezeugt (Cassiodor, Caesarius von Arles, Benedikt von Nursia). Im orthodoxen Stundengebet dagegen wird dieser Psalm wegen seiner Erwähnung des Mittagsdämons in der Mittagshore gebetet.[13] Liturgische Rezeption
Musikalische Rezeption
Literatur
WeblinksCommons: Psalm 91 – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Einzelnachweise
|