Versuchung JesuDie Versuchung Jesu ist eine Episode, die in den drei synoptischen Evangelien des Neuen Testaments erwähnt wird: Jesus von Nazaret fastet allein in der Wüste und widersteht dabei den Versuchungen des Teufels, die ihn heimsuchen. Der Überlieferung nach fand dies auf dem Berg der Versuchung im heutigen Westjordanland statt. Darstellung in der BibelIm Evangelium nach Markus heißt es nur unmittelbar nach der Taufe Jesu: In der Taufe kam der Geist Gottes auf Jesus herab; dieser Geist führt ihn nun zuerst in die Wüste. An die Versuchungsepisode schließt sich dann der erste öffentliche Auftritt Jesu in Galiläa an; die Versuchung selbst ist also der Vorbereitung auf sein Wirken zuzurechnen. Bei Matthäus und Lukas findet sich eine gleichursprüngliche Darstellung, die drei Versuchungen umfasst:
Auf folgende alttestamentlichen Stellen wird Bezug genommen:
Alle diese Stellen haben mit der Wüstenwanderung zu tun. Die Erwähnung von „vierzig Tagen und vierzig Nächten“ wird häufig mit Ex 24,18 EU in Verbindung gebracht bzw. symbolisch gedeutet. Textgattung und HerkunftAls Textquelle wird hypothetisch die Logienquelle Q angenommen. Bei Matthäus und Lukas sind die zweite bzw. dritte Versuchung vertauscht. Da sich in der Matthäus-Version eine Steigerung erkennen lässt, gilt sie als die ursprüngliche, während Lukas die Versuchung des Weltkönigtums wegen der Bedeutung des Jerusalemer Tempels als Pointe zuletzt nennt. Auf die Passion als Höhepunkt seines Evangeliums spielt Lukas auch an mit der abschließenden Bemerkung, der Teufel ließ „für eine gewisse Zeit“ von Jesus ab. Dass Jesus eine Zeit lang in der Wüste weilte, kann als historisch angenommen werden. Die Versuchungsgeschichte selbst nimmt in ihrer Form und Gattung eine Sonderstellung ein – Augenzeugen kommen nicht in Frage und eine historisch-wörtliche Auslegung scheitert an der Tatsache, dass man nicht auf „alle Reiche der Welt“ hinabsehen kann. Manche Exegeten deuten die Geschichte daher so, dass sie sich im Inneren von Jesus als eine Art Vision abgespielt habe. AuslegungParänetische AuslegungDass (der Mensch) Jesus den Versuchungen des Satans widersteht, kann als Mahnung (Paränese) an den Gläubigen gelesen werden: Den Versuchungen muss gottesgehorsam widerstanden werden, wobei vor dem gewarnt wird, was vom Teufel ist. Dieser Ansatz wurde von den früheren Kirchenvätern geprägt. Christologische AuslegungDie Versuchungsgeschichte entfaltet eine Christologie, in der Jesus seinem göttlichen Auftrag in der Bindung an das Wort Gottes treu bleibt. Sein Bestehen der Versuchungen entspricht nach der Taufe dem ganzen Finden seiner Identität als Gottes- und Menschensohn und steht in den Evangelien für seine Messianität als Prophet, Priester und König – nicht aber als politischer Messias. Der Brief an die Hebräer wusste offensichtlich von der Versuchung Jesu:
Jesus – ganz Mensch – ringt in der Versuchungsepisode also um seinen Weg mit dem Ergebnis, dass er nicht nur in seinem Sterben, sondern auch in seinem Leben den ganzen menschlichen Weg durchschreiten und durchleiden muss, um zur Erlösung zu finden. Steine zu BrotDie Versuchung besteht darin, dass Jesus seine Vollmacht einsetzen soll, um sich aus der Situation des Mangels (Hunger) zu befreien. Jesu Ablehnung kann auf zweierlei Arten gedeutet werden:
Hinabstürzen vom TempelIn der zweiten Versuchung nach Matthäus bzw. der dritten nach Lukas soll sich Jesus vom Jerusalemer Tempel, auf den der Teufel ihn führt, hinabstürzen, um den Schutz Gottes zu erproben. Dass der Teufel dabei selbst aus der Schrift zitiert, kann so interpretiert werden, dass der Bibeltext „missbraucht“ werden kann, das heißt um eigene Vorstellungen zu „beweisen“. Das Motiv, dass Jesus keine göttliche Rettung für sich beansprucht, findet sich in der Passion wieder:
Damit akzeptiert Jesus gänzlich die Beschränkungen, die es mit sich bringt, Mensch zu sein – bei dieser zweiten Versuchung namentlich, verletzbar und sterblich zu sein. WeltkönigtumIn der nach Matthäus dritten Versuchung präsentiert sich der Teufel als der „Herr dieser Welt“ und gewährt Jesus weltliches Königtum unter der Bedingung, ihn anzubeten. Damit ist die Absicht des Teufels, Jesu Verbindung zu Gott zu lösen. Jesu Entgegnung „Weg mit dir, Satan!“ (Ὕπαγε, σατανᾶ Hypage satanā) findet sich wörtlich auch in Mt 16,23 EU an Petrus gerichtet: Auch Petrus kritisiert verständnislos Jesu Entschluss, seinen Weg durch das Leiden und das Kreuz zu gehen, um so zur Herrlichkeit Gottes zu gelangen. Beidesmal stellt Jesus das, „was Gott will“, über das, „was die Menschen wollen“; der Satan bietet hingegen „Macht ohne Leiden“ bzw. „Herrschaft am Kreuz vorbei“ an. Erlösung besteht in der Vereinigung des Himmlischen und des Irdischen; wirkliche, echte und wahre Macht hat nur der, der sie im Himmel und auf der Erde hat. In diesem Sinn sagt der Auferstandene zu seinen Jüngern wiederum „auf dem Berg“ (Mt 28,16 EU): „Mir ist alle Macht gegeben im Himmel und auf der Erde.“ (28,18 EU). Die Markusversion – Jesus als Neuer AdamDie Versuchung Jesu kann im Kontext der Versuchung Adams im Paradies gesehen werden: Während Adam der Versuchung unterlag, widersteht Jesus ihr und ist somit der „Neue Adam“, der die Schuld des ersten tilgt. Dieser Ansatz lässt sich vor allem in der Markus-Darstellung erkennen: die „Wüste“ mit den „wilden Tiere“ verweist kontrastierend auf den Paradiesgarten; nach spätjüdischer Überlieferung wurde auch Adam von Engeln gespeist. Mit Jesus beginnt die eschatologische „Wiederherstellung“ des Paradieses. LiturgischesDie katholische Leseordnung ordnet die Versuchungsgeschichte dem 1. Fastensonntag zu: Die Perikope Matthäus 4,1–11 wird im Lesejahr A, Markus 1,12–14 im Lesejahr B und Lukas 4,1–13 im Lesejahr C gelesen. Künstlerische und kulturelle RezeptionDer versuchte Jesus wurde immer wieder Thema in Kunst und Literatur. Literarisch verarbeitet ist es beispielsweise in dem Gedicht Paradise Regained von 1671 des englischen Dichters John Milton, der Geschichte Der Großinquisitor (enthalten im Roman Die Brüder Karamasow) von F. M. Dostojewski und in belehrender Absicht in W. S. Maughams Roman Auf Messers Schneide. Der umstrittene Film Die letzte Versuchung Christi thematisiert Jesus als Versuchten ebenso wie Jesus von Montreal, in dem Daniel, welcher Jesus parodiert, vom Anwalt R. Cardinal über den Dächern von Montreal das Angebot bekommt, dessen Persönlichkeit zu vermarkten, wenn er ihm dient. Vertont wurde Jesu Versuchung unter anderem von Günter Raphael (1934), Gustav Gunsenheimer (Die Versuchung Jesu (1968)) und Rudolf Mors (1985). In Agatha Christies Erzählung „Die Versuchung“ erscheint Maria kurz nach Jesu Geburt ein Engel und zeigt ihr die Zukunft ihres Sohnes bis zu seiner Kreuzigung. Er sagt, sie habe die Wahl, ihrem Sohn diese Leiden zu ersparen; dann werde er ihn in seine Arme nehmen und zu Gott zurückbringen. Maria entscheidet sich gegen dieses Angebot. Der Engel ist Luzifer, der nun hofft, Jesus später erfolgreich in Versuchung führen zu können.[1] Literatur
WeblinksCommons: Temptation of Jesus Christ – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Einzelnachweise
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