Karl Clauss Dietel absolvierte von 1949 bis 1952 eine Ausbildung zum Maschinenschlosser in Glauchau. Er studierte 1953 bis 1956 an der Ingenieurschule für Kraftfahrzeugbau Zwickau und 1956 bis 1961 an der Hochschule für bildende und angewandte Kunst in Berlin-Weißensee, u. a. bei Ernst Rudolf Vogenauer. Anschließend arbeitete er als Formgestalter zunächst bis 1963 im VEBZentrale Entwicklung und Konstruktion für den Fahrzeugbau (ZEK) Karl-Marx-Stadt. In seiner Diplomarbeit stellte er den Fahrzeugen der DDR aus gestalterischer Sicht ein negatives Urteil aus. Sie hätten meist das Prädikat „gestaltet“ nicht verdient bzw. seien als „nicht gestaltet“ zu bewerten.[2] Ausgehend von seiner Diplomarbeit für einen Pkw mit erstmals rundem Fahrzeugbug und aerodynamisch optimalem Vollheck gestaltete er 1962 für das Automobilwerk Eisenach (AWE) den Grundentwurf zum Wartburg 353 auf Grundlage einer Skizze der AWE-Entwicklungsabteilung um Hans Fleischer[3][4]. Die Innengestaltung des 353 entwarf er zusammen mit Lutz Rudolph.
Ab 1963 wirkte er als freischaffender Formgestalter. In der Zeit bis 1984 arbeitete Dietel an der Gestaltung von insgesamt sieben Nachfolgemodellen zum Pkw Trabant, ab etwa 1965 gemeinsam mit Lutz Rudolph. Vier dieser Fahrzeuge wurden komplett entwickelt (1:1-Modelle, Windkanal, Testfahrten mit Musterfahrzeugen etc.) und standen praktisch vor der Serienfertigung, wurden jedoch nicht realisiert.[5] Herausragend war seine Weitsicht beim Entwurf von kompakten Vollheck-Pkw, die ihrer Zeit weit voraus waren, darunter Arbeiten am Trabant 603 und Konzeptstudien zum Wartburg 353 mit Vollheck-Karosserie. Schon 1963 veröffentlichte er ein Plädoyer für den kompakten Vollheck-Pkw.[6]
1962 wurde er Kandidat, ab 1965 war er Mitglied des Verbandes Bildender Künstler Deutschlands (VBKD), später VBK/DDR. Von 1970 bis 1974 war er Vorsitzender der Sektion Formgestaltung/Kunsthandwerk des Verbandes.[7] Von der Funktion eines der Vizepräsidenten des VBK, die er seit 1974 innehatte, trat er am 25. Juni 1981 aus Protest gegen die vom Amt für Industrielle Formgestaltung (AIF) der DDR ausgeübte „Auftragslenkung“ zurück.[8] Nach dem Rücktritt des langjährigen Präsidenten Willi Sitte wurde Dietel 1988 zum Präsidenten des VBK gewählt, den er während der Wendezeit bis zu seiner Auflösung im Zuge der Wiedervereinigung 1990 leitete.
Seit 1959 wurde er durch das MfS observiert, unter anderem im Zusammenhang mit der Galerie und Künstlergruppe Clara Mosch in Karl-Marx-Stadt. Nach Rücktritt 1981 als VBK-Vizepräsident wurde daraus ein „Operativer Vorgang“ des MfS/DDR.
Besondere Beachtung fanden Dietels definierte Gestaltungsprinzipien. Unter anderem ist hier das Offene Prinzip zu benennen, das Entwürfe ermöglicht, die Zugang für Austausch, Pflege und Reparatur bieten. So können letztlich nicht nur technische Neuerungen an das Objekt angepasst werden, sondern ebenso die sich ändernden Ansprüche und Vorlieben der Nutzer. Eine anschauliche Umsetzung fand dieses Prinzip an den Kleinkrafträdern Simson S 50 und S 51.[10]
Nach dem Ende der DDR arbeitete Dietel weiterhin als freischaffender Gestalter, u. a. für die Diamant Fahrradwerke in Chemnitz sowie für spezialisierte Klein- und Mittelunternehmen in Sachsen. Zudem schuf er architekturbezogene Kunst, z. B. am Mercure-Hotel Chemnitz. Zusammen mit Lutz Rudolph gewann er 1996 den ersten Preis im Architekturwettbewerb Stadtpavillon Chemnitz. Außerdem entwarf er Bauten für Volkswagen in Bratislava und Sachsen.
Als erster ostdeutscher Gestalter erhielt Clauss Dietel am 25. September 2014 den vom Bundeswirtschaftsministerium als höchste offizielle deutsche Auszeichnung im Bereich Design verliehenen Bundesdesignpreis für sein Lebenswerk.[4] Dietel habe, so die Jury, die ostdeutsche Designentwicklung bis zur Jahrtausendwende maßgeblich mitgeprägt.[11]
Der Großteil der Gestaltungsentwürfe von Karl Clauss Dietel sowie von Dietel/Rudolph wurde von dem Berliner Sachfotografen Georg Eckelt fotografiert.[12]
VW Slovakia Bratislava 1992–2001, VW Sachsen / Mosel 1999–2000, VW Hannover 1998–2001 mit L. Rudolph
Scherdel Marienberg ab 2008, u. a.
Signets, Produktgrafik
ab 1960, u. a. HELIRADIO (mit L. Rudolph); SIMSON, DIAMANT, FEUMA, IFA WTZ Hohenstein-Ernstthal, Theater Zwickau-Plauen, M. Brandt – Gesellschaft Chemnitz, NUMERIK, BASEG, Automotive Cluster Ostdeutschland u. v. a.
Jens Kassner (Hrsg.): Ostform – Der Gestalter Karl Clauss Dietel. Ed. Vollbart, Chemnitz 2010, ISBN 978-3-935534-19-2.
K. C. Dietel: Gebrauchspatina. In: Klaus Thomas Edelmann (Hrsg.): Gestaltung denken. Grundlagentexte zu Design und Architektur. Birkhäuser, Basel 2010, ISBN 978-3-0346-0515-1.
Uwe Kreißig: Die Moderne in Limbach. Stereoanlagen von HELIRADIO im Esche-Museum. In: Klinoskop. 21. Jg. (2014), Nr. 2, Personen & Fakten, S. 35, urn:nbn:de:bsz:14-qucosa-169566 (mit Link zum PDF; 14,5 MB; Jg. auf dem Cover falsch mit 22. angegeben).
(kr [Uwe Kreißig]): Honneurs an die ostdeutsche Moderne. Karl Clauss Dietel erhält Designpreis für Lebenswerk. In: Klinoskop. 21. Jg. (2014), Nr. 3, Kaleidoskop, S. 51, urn:nbn:de:bsz:14-qucosa-169597 (mit Link zum PDF; 29,9 MB).
↑DDR-Produktdesigner Karl Clauss Dietel gestorben. In: MDR Kultur. Mitteldeutscher Rundfunk, Anstalt des öffentliches Rechts, 3. Januar 2022, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 3. Januar 2022; abgerufen am 12. Januar 2024.
↑Zur Automobilentwicklung im Sozialismus. In: Kraftfahrzeugtechnik. 6/1962, S. 225–229.
↑Hans Fleischer Entwerfer und Gestalter im VEB Automobilwerk Eisenach. In: Kraftfahrzeugtechnik. 3/1968, S. 90.
↑Stop Styling. Dokumentarfilm über den Gestalter Karl Clauss Dietel und seine Prinzipien für nachhaltige und gute Produktform. In: stop-styling.de. Abgerufen am 31. Dezember 2017 (Teaser 2014).
↑Im Blickpunkt: Formgestaltung im Kraftfahrzeugbau der DDR. In: Kraftfahrzeugtechnik 10/1979, S. 314–315.
↑Bernd Havenstein: »Gestaltung ist Kultur«. Erika, Simson, Wartburg: Karl Clauss Dietel prägte das Design der DDR. Anfang des Jahres ist er gestorben. In: nd. nd.Genossenschaft eG, 19. Januar 2022, ISSN0323-3375, S.13 (nd-aktuell.de).
↑Günther Höhne: Was macht eigentlich Clauss Dietel? In: Monika Zimmermann (Hrsg.): Was macht eigentlich…? 100 DDR-Prominente heute. Ch. Links, Berlin 1994, ISBN 3-86153-064-3, S. 44–45 (Scan in der Google-Buchsuche).
↑Die 33 Fragen an Karl Clauss Dietel. „Alles Künstlerische ist Künftiges“. Über den revolutionären Entwurf für den Wartburg 353, Chemnitz, Colani, DDR-Design, Bauhaus und über das Leben. Interview Uwe Kreißig. In: Klinoskop. Firmenzeitschrift der Klinikum Chemnitz gGmbH. 19. Jg. (2012), Nr. 3, Personen & Fakten, S. 36–39, hier S. 38 (yumpu.com [für den Artikel]; urn:nbn:de:bsz:14-qucosa-102718 mit Link zum PDF; 26,0 MB; für das Gesamtheft).
↑simson, diamant, erika. Kunstsammlungen am Theaterplatz 27. Jun 2021 – 3. Okt 2021. In: kunstsammlungen-chemnitz.de. Abgerufen am 12. März 2022.
↑Alexander Stoll: Die gespaltene Generation. Neue Akteure in der Kunst der 1960er Jahre in Chemnitz und der umgebenden Region. Neue Chemnitzer Kunsthütte, Chemnitz 2024, ISBN 978-3-937176-45-1.