Die Tour der British Lions nach Südafrika 1974 war eine Rugby-Union-Tour der als British Lions bezeichneten Auswahlmannschaft (heute British and Irish Lions). Sie reiste von Mai bis Juli 1974 durch Südafrika und bestritt während dieser Zeit 22 Spiele, darunter vier Test Matches gegen die südafrikanische Nationalmannschaft. Die Lions gewannen sämtliche 18 Spiele gegen regionale Auswahlteams. Auf dem Programm standen auch Begegnungen mit den Auswahlteams von Rhodesien und Südwestafrika. Die Test-Match-Serie gegen die Springboks endete mit drei Siegen der Lions und einem Unentschieden.
Die 1974er-Tour gilt als die erfolgreichste der Lions überhaupt. Sie blieben in allen Spielen ungeschlagen, wobei sie die Auswahlmannschaften zum Teil regelrecht dominierten. Erst im letzten von vier Test Matches mussten sie den Springboks ein Unentschieden zugestehen. Zum ersten Mal seit 1896 entschieden die Lions eine Test-Match-Serie in Südafrika für sich. Die Tour war in zweierlei Hinsicht kontrovers, zum einen wegen der international zunehmend verurteilten Apartheid-Politik, zum anderen wegen der Gewalt auf dem Spielfeld.
Auf Druck anderer afrikanischer Staaten hatte das Internationale Olympische Komitee Südafrika seit 1964 von der Teilnahme an den Olympischen Spielen ausgeschlossen, und es hatte auch zunehmend Proteste gegen besuchende Mannschaften aus Südafrika gegeben. Mehrere Spieler, darunter der walisische Flügelstürmer John Taylor, setzten sich gegen die Apartheid ein, indem sie öffentlich erklärten, nicht für die Kaderauswahl zur Verfügung zu stehen.[1]Gerald Davies lehnte die Reise ab, weil er sich angesichts der Folgen und der Realität der Apartheid persönlich unwohl fühlte.[2] Seit 1972 hatten die Springboks kein Test Match mehr bestritten und der neuseeländische Premierminister Norman Kirk ließ eine für 1973 geplante Tour der Springboks nach Neuseeland absagen, da die Sicherheit von Spielern und Zuschauern nicht gewährleistet sei.[3]
Die Verantwortlichen der Lions waren zum Schluss gekommen, dass die Südafrikaner ihre Gegner früher durch ihre körperliche Aggressivität dominiert hatten. Zu dieser Zeit wurde der Schiedsrichter der Test Matches vom Gastgeber gestellt und Auswechslungen fanden nur statt, wenn ein Arzt befand, dass ein Spieler körperlich nicht mehr in der Lage war, weiterzuspielen. Es gab erst wenige Kameras, was die Interventionsmöglichkeiten des Schiedsrichters einschränkte. Die Lions beschlossen, mit dem berüchtigten 99 call (Abkürzung für 999, die Notrufnummer in Großbritannien und Irland) „als erste Vergeltung zu üben“ (to get their retaliation in first). Die Idee dahinter war, dass der Schiedsrichter sicherlich nicht alle Lions vom Platz stellen würde, wenn sie sich „gegen offensichtliche Rücksichtslosigkeit“ (blatant thuggery) „zur Wehr setzten“. Vom dritten Test Match in Port Elizabeth, einem der gewalttätigsten in der Geschichte des Rugbysports, existiert eine Aufnahme, in der J. P. R. Williams nach einem solchen 99 call über den halben Platz rennt, den Zweite-Reihe-Stürmer Johannes van Heerden attackiert und ihn bewusstlos schlägt.[4]
Spielplan
Hintergrundfarbe grün = Sieg
Hintergrundfarbe gelb = Unentschieden
(Test Matches sind grau unterlegt; Ergebnisse aus der Sicht der Lions)