Der Tonhof steht im Zentrum der Marktgemeinde Maria Saal im Bezirk Klagenfurt-Land in Kärnten. Der ehemalige herrschaftliche Gutshof stand im Besitz der adeligen Familie Weis-Ostborn (bis 1919: Weis Ritter von Ostborn). Die Gebäude stehen unter Denkmalschutz (Listeneintrag)
Der Tonhof bzw. Tannhof wurde 1431/32 als Zehenthof erwähnt.[1] Die beiden Gebäude des Tonhofes wurden später als Pflegeamt und als Gericht genützt. Das Verwaltungsgebäude, der Tonhof im engeren Sinn, konnte über die Zeit seine alte Gestalt behalten und hat ein in gotischem Stil errichtetes Erdgeschoß. Das Gerichtsgebäude war das Geburtshaus von Friedrich Welwitsch (1806–1872), dem Sohn des damaligen Landrichters.
1954, zu ihrer Hochzeit mit dem Komponisten Gerhard Lampersberg (1928–2002) erhielt die Sängerin Maja, geborene Weis-Ostborn (1919–2004), den Tonhof als Mitgift. Später lernte das Paar im Wiener Art Club unter anderen Thomas Bernhard kennen, der im Tonhof „zwischen 1957 und 1959[3] (nach Oliver Bentz bis Sommer 1960[4]) […] Zuflucht und Heimat“[3] fand, sich aber später wegen seines Romans „Holzfällen“ (1984) mit den Lampersbergs überwarf (siehe unten).
In den 1960er Jahren etablierte sich im Tonhof – als eine Art Künstler-Sommerresidenz – ein Kulturkreis der Wiener Avantgarde aus Literatur, Musik und Kunst (→ Wiener Gruppe), darunter[3][4][5]
der Teppichkünstler Fritz Riedl und die Tänzerin Joana Thul (Elfriede Slukal; 1922–1976), deren Selbstmord nach Meinung von Oliver Bentz „wohl der äußere Anlaß für Thomas Bernhards Arbeit an ‚Holzfällen‘ war“[4].
Im Juli 1960 wurden im Theater am Tonhof an acht Abenden die Oper Köpfe sowie die drei Einakter Die Erfundene, Rosa sowie Frühling (ur)aufgeführt (Libretto/Text: Thomas Bernhard, Musik: Gerhard Lampersberg, Regie: Herbert Wochinz, Dirigat: Friedrich Cerha).[6]
In der Scheune des Tonhofes wurden während dieser Zeit die Werke der Künstler ausgestellt und wurde die Landbevölkerung in das Leben am Tonhof einbezogen. Die im Ort lebenden Kinder (die sogenannten „Tonhof-Kinder“) bekamen seitens der Mäzenin Maja Lampersberg die Möglichkeit, im Haus zu komponieren und zu malen, wodurch die Musik und die Literatur an die junge Generation herangetragen wurde.
Nicht nur Thomas Bernhard nahm sich (angeblich – er bestreitet dies im Briefverkehr mit seinem Verleger vom Suhrkamp-Verlag Siegfried Unseld[7]) das Ehepaar Lampersberg und den Tonhof zur Vorlage, sondern auch Peter Turrini tat dies in „Bei Einbruch der Dunkelheit“ (2006/2007), der seinerseits wiederum Thomas Bernhard als Protagonist am Tonhof in dem Theaterstück abbildet.[8]
Literatur
Klaus Amann: Anmerkungen zu "Peter Turrinis ‚Bei Einbruch der Dunkelheit’. Ein Stück über den Tonhof? Mit einem Seitenblick auf Thomas Bernhards ‚Holzfällen. Eine Erregung’". In: Klaus Amann (Hrsg.): Peter Turrini. Schriftsteller, Kämpfer, Künstler, Narr und Bürger. Sammelband. Residenz Verlag, St. Pölten & Salzburg 2007, S. 226–230.
Susanna Gabriel: Künstlerenklave Tonhof. Fiktion und wirklichkeit in Thomas Bernhards „Holzfällen“ und Peter Turrinis „Bei Einbruch der Dunkelheit“. Diplomarbeit. Universität Graz, Graz 2007, OBV.
Wolfgang Kralicek: Holzfällen im Kirschgarten. Peter Turrini «Bei Einbruch der Dunkelheit». In: Theater heute, April 2006, S. 48.
Oliver Bentz: Thomas Bernhard – Dichtung als Skandal. Epistemata, Reihe Literaturwissenschaft, Bd. 337. Königshausen & Neumann, Würzburg 2000, ISBN 978-3-8260-1930-2, S. 55 ff. (Online in der Google Buchsuche.) Zugleich: Dissertation, Universität Mannheim, 1999.
↑Alfred Ogris: Neues zu Alter und Funktion des Tonhofs in Maria Saal. in: Carinthia I. Zeitschrift für geschichtliche Landeskunde von Kärnten. Verlag des Geschichtsvereins für Kärnten, Klagenfurt am Wörthersee, 2019. S. 161–172.
↑Patrick Durchschlag: Die Wahlen zum Kärntner Landtag 1861-1909. Diplomarbeit. Alpen-Adria-Universität Klagenfurt, Klagenfurt 2013, OBV – Volltext online.
↑ abcVgl. Oliver Bentz: Thomas Bernhard – Dichtung als Skandal. Epistemata, Reihe Literaturwissenschaft, Bd. 337. Königshausen & Neumann, Würzburg 2000, ISBN 978-3-8260-1930-2, S. 55 f.
↑Eintrag zum Tonhof im Literaturwiki der Universität Klagenfurt. Abgerufen am 8. Februar 2011.
↑Köpfe. Oper. Uraufführung. Maria Saal 20.–27. Juli 1960. Die Erfundene. Rosa. Frühling / von Thomas Bernhard. Schauspiel, drei Einakter, Uraufführungen. Plakat. Kleinmayr, Klagenfurt 1960, OBV.
↑Vgl. Wolfgang Kralicek in Theaterheute, April 2006.
Anmerkungen
↑Julius Weis-Ostborn setzte sich für die Aufführung von (damals noch wenig gelittenen) Werken von Gustav Mahler ein, was ihn letztlich selbst die Position im Grazer Deutschen Akademischen Gesangverein „Gothia“ kostete. An der Seite ihres Ehemanns wirkte Marie Weis-Ostborn geb. Schnerich (1854–1927), eine ausgebildete Liedersängerin, Schwester des Musikwissenschaftlers Alfred Schnerich (1859–1944), im Grazer Chorgeschehen sowie als Gastgeberin im Tonhof.