Gerhard Lampersberg studierte an der Musikuniversität Wien bei Alfred Uhl. Als Autodidakt erwarb er sich Kenntnisse im Bereich der freien, erweiterten Zwölftonkomposition in der Tradition Anton Weberns. 1954 heiratete Gerhard Lampersberg die Sängerin Maja, geborene Weis-Ostborn (1919–2004), welche den Tonhof als Mitgift erhielt.
Er wirkte als Lyriker und Komponist, vermittelte sich jedoch als Mäzen von zahlreichen österreichischen Schriftstellern einer breiten Öffentlichkeit. Ab den 50er Jahren, fanden sich viele Talente der österreichischen Avantgarde auf seinem Tonhof bei Maria Saal in Kärnten ein, der eine Wohn- und Arbeitsmöglichkeit und einen bedeutenden Treffpunkt der Kulturszene der damaligen Zeit darstellte. Er beherbergte u. a. H. C. Artmann, Thomas Bernhard, Peter Turrini, sowie Christine Lavant, Wolfgang Bauer, Peter Handke und Gert Jonke. In den Wintermonaten verlagerte er diesen Treffpunkt nach Wien in seine Privaträume in der Gumpendorfer Straße und in den Schottenhof. Er führte dort private Konzerte mit und für Kinder durch, die schwermisshandelt oder behindert waren.
Thomas Bernhard hegte seinem ehemaligen Förderer gegenüber ambivalente Gefühle, die sich anlässlich der Veröffentlichung von Bernhards Roman Holzfällen zu einer offenen Feindschaft entwickelten. Thomas Bernhard nahm Lampersberg als Vorlage für den Komponisten Auersberger in diesem Roman. Lampersberg klagte 1984 gegen die Verbreitung des Buches. Das Urteil des darauf folgenden Prozesses verfügte die Beschlagnahmung der gedruckten Exemplare des Romanes. Lampersberg zog jedoch kurze Zeit später die Klage zurück. Thomas Bernhard reagierte seinerseits mit einem Vertriebsverbot seiner sämtlichen Werke für die Republik Österreich, das aber von seinen Verlagen Suhrkamp Verlag und Residenz Verlag nicht eingehalten wurde.
Für Lampersberg verhielten sich Literatur und musikalisches Schaffen komplementär zueinander, 1995 bemerkte er: „Ich habe auch Kammermusik geschrieben. Aber das Wort war für mich von vornherein sehr wichtig. Eigene Texte habe ich erst später vertont. Heute vertone ich nur mehr Eigenes, weil es einfach praktischer ist, ich fühl’ mich ja als Dichter genau so wichtig wie als Komponist, wenn ich unbescheiden sein darf“. Er vertonte klassische Texte (von Sappho über Shakespeare bis hin zu Lorca), aber auch Werke seiner „Schützlinge“ vom Tonhof. Seinen kompositorischen Stil skizzierte Lampersberg folgendermaßen: „Stille – Besinnung – Contemplation. Fehlen von Virtuosität und Äußerlichkeiten“ (1994).
Sein Œuvre beinhaltet neben der Vertonung eigener Texte als Liederzyklen auch Messen, Kammermusik und Orchesterstücke sowie zahlreiche szenische Stücke. Seine Werke wurden bei den Darmstädter Ferienkursen, dem Musikprotokoll im steirischen Herbst, den Festspielen Hombroich, deren Initiator Lampersberg war, und bei zahlreichen anderen Festivals aufgeführt.
Werke
der knabe mit dem brokat, dramolett (Text: H. C. Artmann). 1954–1963
die rosen der einöde, Oper (Text: Thomas Bernhard). 1958
STALLO, ballett für sprechstimme, streicher und schlagzeug (Text: H. C. Artmann). 1961
ziffern, ballett nach hubert fabian kulterer. 1963/1976
die fahrt zur insel nantucket, petit opéra (Text: H. C. Artmann). 1966
la cocodrilla, oper (Text: H. C. Artmann). 1967
ladies' voices, opera (Text: Gertrude Stein). 1968
Lélia, Kammeroper nach George Sand (Libretto: Mechthild Rausch). 1993
Diarium. Weitra (Verlag Bibliothek der Provinz) 1992, ISBN 3-900878-71-4.
Diskografie
bunte steine, vom Ensemble Avantgarde bei MDG eingespielt, enthält neun Stücke (MDG 6131 760).
Vom ORF produziert wurde die CD GERHARD LAMPERSBERG (ORF CD 3138. 2012), mit Instrumentalwerken, Kantaten und dem Ballett STALLO.
Literatur
Nikolaus Fheodoroff: Der „Tonhof“ – Zentrum von Kultur und Gastlichkeit. Marie-Thérèse Kerschbaumer: L'Après-midi de Lampersberg; Alexander Doent: Lampersberg und die Museumsinsel Hombroich. In: Österreichische Musikzeitschrift. 2009/H. 6, S. 18–28 (u.d.T.: „Oasen zu Hören“).
Alexander Doent: Notiz über die Forschungsaufgabe „Tonhof“. In: Grassl/Kapp/Szabó(Hrsg.): ANKLAENGE. Wiener Jahrbuch für Musikwissenschaft. Wien 2006.
Martin Mosebach: Dichter und Modell. In: Schöne Literatur. Essays. München/Wien 2006.
Christine Lavant: Briefe an Maja und Gerhard Lampersberg. Hrsg. v. F. Hafner u. A. Rußegger. Salzburg/Wien 2003.
Richard Schroetter: die rosen der einöde. Der Komponist, Lyriker und Mäzen Gerhard Lampersberg(er).DRK, 21. Februar 2012
Alexander Doent: Die Musik Gerhard Lampersbergs: Werkverzeichnis 1948-1998. Wien 2016 (= Dissertation, Univ. für Musik).
Alexander Doent: Vom knaben mit dem brokat zur insel nantucket – H.C. Artmanns und Gerhard Lampersbergs Arbeiten für die Musikbühne. In: H.C. Artmann & Berlin. Hrsg. von Sonja Kaar und Marc-Oliver Schuster. Würzburg 2021.