Pilar López JúlvezPilar López Júlvez (* 4. Juni 1912 in San Sebastián; † 25. März 2008 in Madrid) war eine spanische Tänzerin und Choreografin.[1][2][3] Ein Schwerpunkt ihres Tanzes, aber nicht dessen ausschließliches Sujet, war der Flamenco.[4] LebenKindheit und JugendPilar López Júlvez war die jüngste von drei Töchtern des Tuchhändler-Ehepaares Félix López und Dominica Júlvez.[5] Ihre fünfzehn Jahre ältere Schwester Encarnación war zum Zeitpunkt ihrer Geburt bereits im Begriff, unter dem Künstlernamen La Argentinita als Sängerin und Tänzerin ein Star der Varietés zu werden.[6] Pilar wurde in San Sebastián geboren, wo sich die Familie wegen des milderen Klimas gerne aufhielt. Der eigentliche Wohnort der Familie war jedoch Madrid. Dort wuchs sie auf. Wie Jahre zuvor ihre ältere Schwester ließen die Eltern sie die Akademie von Julia Castelao besuchen. Bei Amparo Gutiérrez studierte sie Klavier, Gesang und Solfège. Im Alter von fünf Jahren gewann sie, anlässlich einer Hommage an ihre ältere Schwester, in Santander einen Preis für Solfège und brachte das Publikum mit ihrem Tanz zum Staunen. Anlässlich eines Auftritts in Málaga stand in der Zeitung El Popular:[1]
– El Popular, 19. und 24. Juni 1918[1] Pilar López ging häufig ins Teatro Romea und ließ sich dort von ihrer Schwester, von Pastora Imperio und anderen führenden Künstlerinnen fortbilden. Mit 12 Jahren gab sie ihre ersten kommerziellen Vorstellungen, mit 15 Jahren war sie eine ausgebildete professionelle Tänzerin. Sie trat in verschiedenen Varietés Madrids auf: Im Price, im Príncipe Alfonso, im Teatro de La Latina, im Romea und im Principal. Im Sevillaner Kursal[7] lernte sie La Macarrona und La Malena kennen. Das Publikum in jenem Lokal hatte jedoch wenig Gespür für die Leistungen dieser hervorragenden Tänzerinnen, so dass sie die abendlichen Vorstellungen lustlos und gelangweilt absolvierten.[8] Hinter den Kulissen ließ sich López Júlvez jedoch bereitwillig von den erfahrenen Kolleginnen fortbilden. In dieser Zeit arbeitete sie ihr eigenes Stück aus, in dem sie Klavier spielte, sang und tanzte. 1932 nahm sie der kubanische Komponist Ernesto Lecuona unter Vertrag. Begleitet von zwei Pianisten, Lecuona selbst und Armando Oréfiche, trug sie Stücke von Manuel de Falla, Isaac Albéniz, Enrique Granados sowie einige Lieder von Federico García Lorca vor. Sie lernte Tomás Ríos kennen, einen Musiker in Lecuonas Orchester, den sie später in New York heiratete.[9] An der Seite von La Argentinita1933 trat Pilar López in die Compañía de Bailes Españoles ihrer Schwester La Argentinita ein. Ihren ersten großen Auftritt in der Kompanie ihrer Schwester hatte sie 1933 in Cádiz und Madrid in der Rolle der Lucía in Manuel de Fallas El Amor Brujo. In den folgenden Jahren absolvierte sie fast alle Auftritte an deren Seite.[9] Eine der Ausnahmen war 1934 und 1935 eine Reihe von Auftritten in Madrid gemeinsam mit dem Tänzer Rafael Ortega.[9][10] Die Glanznummer der Compañía de Bailes Españoles in jener Zeit war Las Calles de Cádiz. Mit ihr tourte die Kompanie durch Spanien und trat im Pariser Théâtre des Champs-Élysées auf.[9] 1938 verließen die Geschwister Madrid. Unter dem Eindruck des Spanischen Bürgerkrieges und Repressalien der franquistischen Obrigkeit ausgesetzt, emigrierten sie über Marokko, Frankreich (Paris), Rotterdam und Buenos Aires nach New York.[11] Dort hatten sie Auftritte vor großem Publikum im Majestic Theatre, in der Metropolitan Opera, in der Carnegie Hall und im Lewisohn Stadium.[12] 1945 starb La Argentinita. Unter Mitnahme der sterblichen Überreste und in Begleitung ihres Ehemannes kehrte Pilar López nach Madrid zurück.[12] Für einige Monate verfiel sie in tiefe Depression und war unfähig, auf der Bühne aufzutreten. Gute Freunde, namentlich Edgar Neville, Conchita Montes, José Greco und Manolo Vargas überzeugten sie jedoch, auf die Bühne zurückzukehren und die Choreografien der verstorbenen Schwester zu zeigen. Dies sei der beste Weg, ihrem Andenken gerecht zu werden.[13] Das Ballet Español von Pilar López1946 gründete Pilar López ihre eigene Kompanie, das sich ihren Worten zufolge nicht auf einzelne Stars, einschließlich sie selbst, ausrichten sollte, sondern als ganzheitliches Ensemble funktionieren.[13] Seine Premiere hatte das Ballet Español am 6. Juni 1946 in Madrid mit Choreografien von La Argentinita und von Pilar Lopez selbst. Mit einer eigenen Choreografie, einer von Schmerz getragenen Soleá zu Isaac Albéniz’ Pepita Jiménez, trat sie gemeinsam mit José Greco, Manolo Vargas und Rafael Ortega auf die Bühne. Es folgten die Farruca von Manuel de Falla, Tres bailes del siglo XVIII und Danza XI von Enrique Granados und Escenas castellanas von L. Navarro y Gombau; sodann nach der Pause El café de chinitas von Federico García Lorca, Agua, azucarillos y aguardiente von Federico Chueca und der Boléro von Maurice Ravel. Aufsehen erregte Pastora Imperio mit ihrer Soleá zu El café de chinitas sowie die simultane Begleitung durch drei Gitarristen: Niño Pérez, Ramón Montoya und Luis Maravillas.[14] Publikum und Kritik würdigten die Vorstellung als Hommage an La Argentinita und als Fortsetzung ihres Werkes. Im Gedenken an sie applaudierte das Publikum mehr als zehn Minuten.[15] Die erfolgreichen Auftritte in Madrid[16] wurden zum Sprungbrett für weltweite Tourneen. Von 1946 bis 1973 gastierte das Ballet Español in Edinburgh, Paris, Stockholm, Oslo, Lissabon und Brüssel, in Lateinamerika und schließlich auch im Mittleren und Fernen Osten. Auch das Repertoire wuchs ständig. So entstanden nach und nach die Choreografien zu den Musikstücken:[17]
Einen nachhaltigen Beitrag zur Geschichte des spanischen Tanzes leistete Pilar López mit drei Choreografien, die sie 1947 und 1948 schuf: Los cabales, Flamencos de la Trinidad und El Zapateado de Perchel.[17] In Los cabales tanzte sie die Soleá und die Seguiriya. Die Soleá präsentierte mit der gebotenen Eleganz und Feierlichkeit. Die Seguiriya hatte erst seit wenigen Jahren überhaupt als Tanz existiert, dank der Kreativität von Vicente Escudero. Zuvor war sie nur gesungen und musiziert worden. Pilar López bereicherte Escuderos Entwurf durch eine neue Form des Dialogs der Tänzerin mit der Gitarre. Sie brachte ihre perkussive Fußtechnik in besonders kreativer Art zur Geltung und führte Kastagnetten in die Seguiriya ein.[18][19] In Flamencos de la Trinidad schuf sie einen maßgeblichen Kanon für die Caña. La Argentinita hatte diesen Tanz schon in den Vereinigten Staaten getanzt, aber auf den Bühnen Spaniens war er so gut wie unbekannt.[19] Pilar López übernahm ihn nicht einfach, sondern gestaltete ihn gemeinsam mit Alejandro Vega vollkommen neu: als nuancenreichen, majestätischen Tanz mit präzisem Rhythmus und betontem Einsatz der Pausen.[20][21]
– Antonio Díaz Cañabate: Semana, 10. Juli 1952[20] Im Zapateado del Perchel tanzte Roberto Ximénez eine meisterhafte Hommage an seinen Lehrer El Estampío.[22][20] Auch in seiner weiteren Karriere, nach seinem Ausscheiden aus der Compañía von Pilar López, pflegte Roberto Ximénez diesen Tanz zu tanzen. Er nannte ihn dann Zapateado del Estampío.[20] Zu Beginn der 1950er Jahre brachte Pilar López El concierto de Aranjuez von Jaoquín Rodrigo auf die Bühne.[20] Zu den drei Sätzen des Orchesterstücks schuf sie drei Choreografien, die sie Atardecer (Abenddämmerung), Noche (Nacht) und Día (Tag) nannte. Ernesto Halffter dirigierte das Orchester.[23] José Luis Navarro García schrieb, das Stück sei eine „außergewöhnliche Kommunikation zwischen einem der besten Stücke zeitgenössischer spanischer Musik und einer höchst ideenreichen Choreografie.“[20]
– Antonio Díaz Cañabate: Semana, 10. Juli 1952[24] 1978, 2001 und 2002 führte das Ballet Nacional de España El concierto de Aranjuez erneut auf.[23][25] Ferner schuf sie in den 1950er Jahren Choreografien zu:[24]
Madrid Flamenco komplettiert das choreografische Schaffen von Pilar López in den 1950er Jahren. In diesem Stück führte sie eine Choreografie zum Caracol ein, einem Palo, zu dem noch nie zuvor jemand auf der Bühne getanzt hatte.[27][18] In dem Film Duende y misterio del flamenco[28][29] unter der Regie von Edgar Neville trug Pilar López zu einem Zeitzeugnis des spanischen Tanzes bei. Sie ist mit einer Auswahl von Flamenco- und Bolero-Tänzen zu sehen. Mit ihrer Kompanie tanzte sie darin Panaderos und Caracoles.[30] Auch Roberto Ximénez ist in diesem Film mit seinem Zapateado del Perchel zu sehen.[20] Pilar López als MaestraViele Tänzerinnen und Tänzern, die im Ballet Español tanzten, durchliefen anschließend eine herausragende künstlerische Karriere. Antonio Gades trat mit sechzehn Jahren in die Kompanie ein, Mario Maya mit vierzehn und El Güito im Alter von erst dreizehn Jahren. «Una de las mejores forjadoras de talentos que ha tenido España» – „eine der besten Talentschmiedinnen, die Spanien je hatte“, schrieb Juan María Bourio über sie. Weiterhin bemerkenswert sind:[31]
Für andere prägende Persönlichkeiten, die schon professionell ausgebildet waren, war das Ballet Español ein weiterer Schritt in ihrer Laufbahn, unter anderem für Farruco und José Granero.[31][40] Zusammenarbeit mit Manolo Caracol1956 schloss sich Pilar López der Kompanie von Manolo Caracol an. Bei ihrer Entscheidung mag eine Rolle gespielt haben, dass ihr Ehemann Tomás Ríos zu diesem Engagement riet. Kommerziell war das Projekt kein Erfolg, jedoch äußerte sich Pilar López positiv zu der künstlerischen Qualität:[41]
Außerdem wurde Pilar López damit einem Publikum bekannt, dass mehr Affinität zum Gesang als zum Ballett hatte.[41] Rückkehr zur EigenständigkeitNachdem sie den Vertrag mit Manolo Caracol erfüllt hatte, wandte sie sich wieder dem Schaffen eigener Choreografien für die Theaterbühnen zu. 1957 inszenierte sie Carmen von Georges Bizet und in den 1960er Jahren die Farandole, gleichfalls von Georges Bizet. Ferner choreografierte sie Baile de las siete batas und Chuflillas de Cádiz, del Puerto y de Jerez von Soirt.[42] 1967 gestaltete sie die Show zum Ersten Mai im Bernabéu-Stadion in Madrid. Sie inszenierte die Feier als Hommage an Enrique Granados, der hundert Jahre zuvor geboren worden war. Zum Rhythmus der katalanischen Sardana ließ sie die Tanzgruppen die Schritte der typischen Tänze der einzelnen Regionen Spaniens tanzen.[43] Abschied von der BühneIn den 1970er Jahren trat sie nochmals mit ihrer Interpretation der Seguiriya in der Fernsehserie Rito y geografía del baile auf. 1974, anlässlich einer Hommage an Vicente Escudero, tanzte sie die Caña und den Feuertanz aus El amor brujo. Danach entschied sie, dass es Zeit sei, sich von der Bühne zu verabschieden. Sporadisch tanzte sie noch in kleinerem Rahmen einige Male eine Bulería.[44] 1979 betreute sie als Mentorin die Neuinszenierung des Ballet Nacional von Concierto de Aranjuez.[45] Danach zog sie sich vollkommen ins Privatleben zurück. Auch das Angebot einer Professur am madrilenischen Conservatório de Música y Danza schlug sie aus.[44] 2001 und 2002, in hohem Alter, betreute sie jedoch erneut eine Inszenierung von Concierto de Aranjuez beim Ballet Nacional.[45] und nahm teil an einer Hommage an Antonio Ruiz Soler in den Räumen seines früheren Studios in Madrid.[44] Pilar López starb am 25. März 2008, im Alter von 95 Jahren, in Madrid.[46] RezeptionPilar López ist allgemein anerkannt als eine der herausragenden spanischen Tänzerinnen ihrer Zeit.[45][47] Navarro García nennt ihren Stil feierlich, schlicht und ernst und gerade deswegen majestätisch. Auch ihr meisterhafter Einsatz der Kastagnetten zeichne sie aus.[47]
– Antonio Díaz Cañabate: Semana, 10. Juli 1952[47] Ángel Álvarez Caballero widmete ihr 1997 anlässlich des Festival del Cante de las minas in La Unión eine ausführliche Biografie.[48] Giulio Cardi schrieb anlässlich einer Vorstellung des Sombrero de tres picos:
– Giulio Cardi: Voce Adriatica, 28. Februar 1963[49] AuszeichnungenDoña Pilar López wurde im Lauf ihres Lebens mit einer Fülle von Preisen und Auszeichnungen geehrt, darunter:[50]
Literatur
Weblinks
Einzelnachweise und Anmerkungen
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