La ArgentinitaLa Argentinita, eigentlich Encarnación López Júlvez (* 25. März 1897 in Buenos Aires;[1] † 24. September 1945 in New York[2]), war eine argentinisch-spanische Tänzerin, Choreografin und Sängerin. Ihr Repertoire umfasste sowohl den Flamenco als auch die spanische und lateinamerikanische Folklore.[3] LebenKindheitEncarnación wuchs in der Familie des Tuchhändler-Ehepaares Félix López und Dominica Júlvez auf. Die Eltern stammten aus Santibáñez de Ayllón in der Provinz Segovia und aus Calatayud.[1] Sie hatte eine ältere Schwester namens Ángeles und eine 15 Jahre jüngere[4] Schwester Pilar. Letztere trat häufig gemeinsam mit ihr auf und wurde ebenfalls eine bekannte Tänzerin und Choreografin.[5] 1903 brach in Buenos Aires eine Scharlachepidemie aus, der viele Kinder zum Opfer fielen. Encarnación überstand die Krankheit, aber die Eltern entschlossen sich dennoch zur Remigration nach Spanien. Die Familie zog nach Madrid.[1] Dort lernte Encarnación die ersten Tanzschritte. Sie tanzte im Familien- und Freundeskreis. Ihr Vater, ein begeisterter Flamenco-Anhänger, begleitete sie auf der Gitarre.[3] Ihre Eltern ließen sie die Akademien von Manuel Fontanilla und von Julia Castelao besuchen.[1] Anschließend nahm sie Unterricht bei Pauleta Pamies im Liceo de Barcelona. Sie lernte die Grundlagen des Flamenco und der Escuela Bolera.[3] Mit acht Jahren hatte sie ihre ersten kommerziellen Auftritte im Teatro Circo in San Sebastián. Es folgten Auftritte in Saragossa, Valencia, Calatayud, Barcelona und Córdoba. Ihr Impresario Pardiñas gab ihr den Künstlernamen La Argentinita, in Anlehnung an das berühmte Vorbild La Argentina. Als ihr Vater meinte, dass mit Gesang wohl mehr zu verdienen sei als mit Tanz, übte die Tochter sich auch darin ein. 1909, im Alter von 12 Jahren, trat sie als „Wunderkind“ («Niña prodigio») im angesehenen Teatro Romea in Madrid auf.[6] In den folgenden Jahren pflegte sie zwischen den Bühnen Madrids und dem nicht minder angesehenen Eldorado in Barcelona zu pendeln.[7] Aufstieg zum Varieté-Star1914 war sie bereits die Hauptattraktion des Programms im Romea. Sie tanzte, sang und parodierte. Das asturische Lied Mieres del Camino[8] machte sie zu ihrer gesanglichen Glanznummer. Beim Tanz beeindruckte sie mit Bulerías, Tangos, Boleros sowie einigen Stücken von Isaac Albéniz und Enrique Granados. Ihre Parodien trugen ihr gelegentlich auch Missfallen ein. So wird berichtet, dass die von ihr parodierte Sängerin Raquel Meller eines Tages unerwartet auf der Bühne erschien und ihr eine Ohrfeige verabreichte.[7][9] 1916 hatte sie ihre erste Filmrolle: In dem italienischen Stummfilm Fiore d’autunno unter der Regie von Mario Caserini trat sie als Tänzerin auf.[10] Im selben Jahr entstanden beim Label La voz de su amo ihre ersten Schallplattenaufnahmen.[11] In den Jahren bis 1920 stieg sie zum Star der Varietés und zum Publikumsliebling auf. Auch die Dichter der Generación del 27 und die Kritik begeisterten sich für ihre Auftritte:[12]
– La Unión Mercantil, 20. Mai 1917[12] 1919 lernte sie den Dichter Federico García Lorca kennen.[10] Ein Jahr später trat sie in der Hauptrolle der Mariposa in dessen erstem Theaterstück El maleficio de la mariposa auf.[13] Im selben Jahr wurde ihr Geliebter, der Torero José Gómez Ortega, genannt Joselito el Gallo, in der Arena von Talavera de la Reina von einem Stier namens Bailaor[14] getötet.[13] Die 1920er JahreNach diesem Schicksalsschlag reiste sie zurück in ihr Geburtsland und hatte in der Folgezeit Auftritte in den großen Theatern Argentiniens, Chiles, Kubas und Mexikos.[13] In Mexiko traf sie den Torero Ignacio Sánchez Mejías wieder, den sie als Banderillero von Joselito el Gallo kennengelernt hatte.[15] 1924 hatte sie einen Auftritt im Film Rosario de la Cortijera unter der Regie von José Buchs.[10][16] Von 1922 bis 1925 entstanden bei Odeon verschiedene Platten-Aufnahmen.[11] Obwohl Ignacio Sánchez Mejías verheiratet war, wurden La Argentinita und er ein Liebespaar. Während dieser zunächst in Mexiko, dann in Madrid versteckt ausgelebten Liebschaft zog sie sich für drei Jahre von den Bühnen zurück.[15] Über die Beziehung zu ihr lernte er 1927 Dichter der Generación del 27 kennen, und fand eine zweite Berufung als Schriftsteller. Sie nahm ihrerseits ihre Bühnenkarriere wieder auf und gründete die Compañía de Baile Andaluz, die sich 1932 in Ballet de Madrid und noch später in Gran Compañía de Bailes Españoles umbenannte. Mit ihrer Kompanie trat sie in Paris und Berlin auf.[11] 1928 und 1929 produzierte La voz de su amo mit ihr erneut eine Reihe von Schallplatten-Aufnahmen, in denen sie sich als vielseitige, originelle Sängerin präsentierte. Auf zwei weiteren Aufnahmen von 1929, ebenfalls bei La voz de su amo, ist ihre Begleitung mit Kastagnetten zu zwei Stücken von Enrique Granados zu hören.[11] Intermezzo in New York1930 reiste sie in Begleitung von Ignacio Sánchez Mejías und Luis Yance nach New York, um dort in dem Broadway-Musical International Review von Lew Leslie aufzutreten.[17][18] Ihr Auftritt wurde vom Publikum kühl aufgenommen, so dass sie aus dem Musical ausschied. Sie suchte ein anderes Theater und gestaltete dort ihre eigene Show, die bei Publikum und Kritik auf Begeisterung stieß.[19][18] Einen weiteren Auftritt hatte sie 1930 in der Filmrevue Paramount on Parade.[10][20] Beiträge zum spanischen musikalischen Erbe: Canciones populares españolas, El amor brujo und Calles de CádizNach Spanien zurückgekehrt, nahm La Argentinita 1931 ein gemeinsames Projekt mit Federico García Lorca in Angriff:[18] die Aufnahme von zehn alten Volksliedern, die der Dichter zum Teil aus alten Schriften und zum Teil direkt aus mündlicher Überlieferung gesammelt hatte. Diese Aufnahmen für La voz de su amo sang sie in ihrer eigenen Wohnung, sie selbst schlug dazu die Kastagnetten und ließ sich auf dem Klavier von Federico García Lorca begleiten. Die zehn Canciones populares españolas sind:[21][22][23]
Der Kritiker Adolfo Salazar schrieb über die Aufnahmen:
– Adolfo Salazar: El Sol, 13. März 1931[24] Die Lieder wurden populär und ein kommerzieller Erfolg. La Argentinita nahm sie in ihr Repertoire und pflegte sie bei ihren Konzerten vorzutragen. Federico García Lorca baute einige von ihnen in einige seiner Theaterstücke ein. Gemeinsam trugen sie beide die Lieder 1933 anlässlich einer Konferenz über spanische Volkslyrik im Teatro Español in Madrid vor.[24] Während des Spanischen Bürgerkrieges wurden Anda jaleo und Los cuatro muleres beliebte Lieder der republikanischen Truppen. Nach dem Krieg versuchten die franquistischen Sieger erfolglos, die Lieder aus dem kollektiven Gedächtnis zu tilgen. In den 1950er Jahren legte La voz de su alma eine Neuaufnahme von vier der Lieder mit verschiedenen Interpreten auf.[25] 1994 gab Audivis eine Neuaufnahme aller zehn Lieder heraus, gesungen von Carmen Linares.[25][26] Im Juni 1933 präsentierte La Argentinitas Compañía de Bailes Españoles ihre Fassung von El amor brujo von Manuel de Falla im Gran Teatro Falla in Cádiz und Teatro Español in Madrid. Sie tanzte die Rolle von Candelas und Antonio de Triana die von Carmelo. Rafael Ortega Monge tanzte die Rolle des Gespensts und ihre Schwester Pilar López Júlvez die von Lucía. Ernesto Halffter dirigierte das Orchester.[25] Sowohl La Argentinitas innovative Biographie als auch das phantasievolle Bühnenbild waren richtungsweisend für die weitere Entwicklung des Flamenco.[27] Das weitere Programm der Kompanie im Teatro Español bestand aus der Danza V von Enrique Granados, der Jota der Müllerin aus dem Sombrero de los tres picos, einem galicischen Tanz, einer Estampa[28] und En el Café de Chinitas aus den Canciones populares. Im zweiten Teil der Vorstellung wurden die Stücke Las calles de Cádiz und Nochebuena en Jerez aufgeführt. Produzent dieses zweiten Teils war, unter dem Pseudonym Jiménez Chávarri, Ignacio Sánchez Mejías.[27] Eine Epoche später, 1988, charakterisierten Romualdo Molina und Miguel Espín Las calles de Cádiz folgendermaßen:[29]
– Romualdo Molina, Miguel Espín[30] Anschließend ging die Kompanie mit dem Stück in Spanien auf Tournee und führte es im Théâtre des Champs-Élysées in Paris auf. Eine Dekade später führte Conchita Piquer es auf, unter Mitwirkung von La Macarrona, La Malena und La Niña de los Peines.[31] Ignacio Sánchez Mejías blieb nicht viel Zeit, diese Triumphe zu genießen, denn im August 1934 erlitt er eine tödliche Verletzung bei einem Stierkampf, nachdem er sich gegen den Rat seiner Freunde erneut in die Arena begeben hatte.[32][33] Nach diesem erneuten Verlust eines Geliebten stürzte La Argentinita sich in die Arbeit. Sie begab sie sich auf Tournee nach Südamerika und trat 1935 in New York auf.[32] Bürgerkrieg und AuswanderungAls sie im Juni 1936 nach Spanien zurückkehrte, war der Bürgerkrieg ausgebrochen. Für La Argentinita und ihre Schwester Pilar López begann eine schwere Zeit. Sie erfuhren, dass Federico García Lorca ermordet worden war. Die Zeitung Claridad publizierte auf Seite 1, dass La Argentinita sich geweigert habe, auf einer Benefizveranstaltung für verwundete Soldaten aufzutreten. Die Schwestern erlitten Repressalien durch die Obrigkeit. Mit Auftritten in den Kinos und auf den Kleinkunstbühnen Madrids versuchten sie, ihr Auskommen zu finden – ebenso wie viele andere Künstler in jener Zeit.[32] Unter diesen Umständen entschloss sich La Argentinita, von ihrem argentinischen Pass Gebrauch zu machen und Spanien zu verlassen. Über Alicante, Oran, Algier und Casablanca gelangten sie nach Paris. Mit einer kleinen Gruppe, bestehend aus den beiden Schwestern, dem Sänger Antonio de Triana und den Gitarristen Manolo de Huelva und Gabriel Ruiz traten sie dort auf und organisierten eine Tournee nach London, Belgien, die Schweiz und die Niederlande. 1937 lud Queen Mary sie in ihren Palast ein. Sie lernte den amerikanischen Impresario Sol Hurok kennen, der ihr den Zutritt zu New Yorker Bühnen öffnete.[34] 1938 zeichnete sie in Paris einen Film mit einigen klassischen Alegrías auf. Im November 1938 präsentierte sie sich im Majestic Theatre erneut dem New Yorker Publikum, begleitet von ihrer Schwester, Antonio de Triana, Carlos Montoya mit der Gitarre und Rogelio Machado am Klavier. Mit ihren Tänzen, ihrem Gesang und ihren Parodien überzeugte sie das New Yorker Publikum.[34] Da das Publikum dazu neigte, sie mit La Argentina zu verwechseln oder von ihr die gleiche Art von Darbietungen zu erwarten, hob der Kritiker John Martin hervor, dass es sich um zwei völlig unterschiedliche Künstler-Persönlichkeiten handele. Er rühmte ihre Kunstfertigkeit, Weiblichkeit, Feinfühligkeit und Natürlichkeit, frei von jeglicher Affektiertheit und großspurigem Auftrumpfen. Ferner lobte er die Reinheit ihrer Stimme sowie ihre Brillanz beim Einsatz der Kastagnetten und beim rhythmischen Einsatz ihrer Füße.[35][36] Abgesehen von einigen Tourneen nach Mexiko und einer Kurzreise nach Madrid im Jahr 1939 verließ sie New York nicht mehr.[35] Letzte Jahre in New YorkIhr New Yorker Repertoire umfasste zum einen das, was sie sich im Laufe ihrer Karriere angeeignet hatte: Die Canciones populares españolas, Madrid 1890 von Federico Chueca, Stücke von Isaac Albéniz, Manuel de Falla, Enrique Granados und Tomás Bretón. Sie erweiterte es um einige Tanguillos, denen sie den Sammeltitel Tacita de plata gab, eine Malagueña, eine Farruca, einige Tangos und Bulerías.[35] Ein viel beachteter Auftritt war jener mit Léonide Massine 1940 in der Metropolitan Opera unter dem Titel Capricho español.[37] Einen weiteren großer Auftritt in der Metropolitan Opera hatte sie 1943 mit dem New York Philharmonic Orchestra unter Leitung von José Iturbi. Sie tanzte zu Maurice Ravels Boléro, einige Tänze aus Georges Bizets Carmen sowie eine Neufassung von En el Café de Chinitas, in der sie die Atmosphäre in jenem malaguenischen Café cantante wiederaufleben ließ. Das Bühnenbild gestaltete Salvador Dalí.[37][38] Wenige Monate später gab sie mit ihrer Kompanie eine Vorstellung vor einem Publikum von 10.000 Personen im Lewisohn Stadium.[39][40] Fern der spanischen Heimat musste sich La Argentinita die Tänzer für ihre Choreografien in Amerika suchen. So entdeckte sie José Greco und Manolo Vargas und nahm sie für ihre Kompanie unter Vertrag.[39] Ihren letzten Auftritt hatte La Argentinita am 28. Mai 1945 in der Metropolitan Opera. Sie wusste, dass sie unter einem Magenkrebs litt, hatte jedoch zunächst eine Operation abgelehnt. Sie tanzte das Capricho Español, ohne sich etwas anmerken zu lassen. Als es ihr immer schlechter ging, ließ sie sich schließlich doch am 5. August 1945 in die Universitätsklinik der Columbia University einliefern und operieren.[41] Infolge der Operation erlitt sie eine Hirnthrombose, an der sie am 24. September starb.[42] Ihr Leichnam wurde nach Madrid überführt[42] und im Cementerio Sacramental de San Isidro beigesetzt.[43] Posthum verlieh ihr die spanische Regierung die Orden von Alfons dem Weisen und Isabella der Katholischen.[42] RezeptionSpanische Dichter schrieben über La Argentinita:
– Jerónimo Gómez[44] WeblinksCommons: La Argentinita – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Einzelnachweise und Anmerkungen
|