José GraneroJosé Granero, eigentlich José Greller Friesel (* 9. März 1936 in Buenos Aires; † 4. Mai 2006 in Madrid), war ein argentinisch-spanischer Tänzer und Choreograf.[1] Sein Repertoire umfasste ein breites Spektrum von Genres, vom klassischen Ballett bis zum orientalischen Tanz, und ganz besonders den Flamenco.[2] LebenKindheit und JugendJosés Mutter stammte aus Wien, sein Vater aus Rumänien. Beide waren Anfang des 20. Jahrhunderts nach Argentinien ausgewandert. José war bereits als Kind fasziniert von Gesang und Tanz. Im Alter von sechs und sieben Jahren trat er bei Straßenmusik und -Theater-Vorstellungen auf, die für spanische Touristen auf dem Boulevard inszeniert wurden.[2] Um die Mittagszeit pflegte seine Mutter ihn allerdings zurück ins Haus zu rufen.[3] 1944 bewarb er sich um Aufnahme in der Ballettschule des Teatro Colón, wurde jedoch abgewiesen. Möglicherweise war er für die Anforderungen der Ballettschule nicht schlank genug. Michael Borowski, ehemals Tänzer der Ballets de Montecarlo, der sich in Argentinien niedergelassen hatte, gab ihm jedoch zwei Jahre lang Privatunterricht. Danach fand er Aufnahme in der Ballettschule des Teatro Colón und absolvierte dort eine dreijährige Ausbildung. In den Opern Samson et Dalila und Manon hatte er seine ersten Auftritte als Tänzer auf der Bühne.[3] Danach trat er in das Ballett des Teatro Argentino de la Plata ein. Dort bildete er sich in den folgenden drei Jahren weiter fort, insbesondere in Lektionen bei Roberto Giachero. Als 1954 die Kubanerin Alicia Alonso mit ihrer Kompanie Buenos Aires besuchte, nahm er auch bei ihr Unterricht.[3] Von Renate Schottelius, einer Schülerin von Mary Wigman, ließ er sich im zeitgenössischen Tanz unterrichten. Und als Pilar López mit ihrer Kompanie für einen Monat in Buenos Aires gastierte, nutzte er die Gelegenheit, sich von ihr und ihren bekannten Tänzern Alejandro Vega, Alberto Lorca, Manolo Vargas und Roberto Ximénez in die Grundlagen des spanischen Tanzes einführen zu lassen. Mit Manolo Vargas verband ihn seitdem eine lebenslange Freundschaft.[4] In den USA1956 verließ José seine Heimatstadt und zog nach New York. Eine dort lebende Tante erleichterte ihm, sich einzufinden. Er nahm bei Pierre Wladimirow[5] und Walentina Pereyaslavec[6] Unterricht im klassischen Ballett und bei Hanya Holm Unterricht in modernem Tanz. Er lernte den indischen Tänzer Bashjar kennen und fand sich, angetrieben von Interesse für jegliche Art von Tanz, eine Zeitlang in dessen Kompanie wieder. 1958 heiratete er. Da sein Einkommen als Tänzer nicht ausreichte, um eine Familie zu ernähren, arbeitete er als Dekorateur für einige Kaufhäuser an der Fifth Avenue. Die Arbeit hatte scheinbar nicht mit Tanz zu tun, aber die Beschäftigung mit Farben, Stoffen und Positionen kam ihm später bei seiner Arbeit als Choreograf zugute.[4] Erfolglos stellte er sich bei den großen Broadway-Produktionen vor. Eine Anstellung bei Bob Fosse scheiterte daran, dass er die damals geforderte Körpergröße für Broadway-Tänzer nicht hatte. Auch bei einem Casting für West Side Story bewarb er sich als Tänzer.[7] In dieser Lage erschienen Manolo Vargas und Roberto Ximénez in New York. Den beiden war ein Tänzer für ihre Show in Miami ausgefallen, und nachdem José Vargas ihnen vorgetanzt hatte, nahmen sie ihn in ihre Kompanie auf. Er debütierte in Miami mit einem Malambo und einem Samba. Dann erreichte ihn ein Telegramm, dass er für West Side Story angenommen sei. Er entschied sich jedoch, bei Manolo Vargas und Roberto Ximénez zu bleiben – aus seiner eigenen Sicht eine entscheidende Weichenstellung in seiner Karriere: Damit habe er sich von der angelsächsischen Kultur verabschiedet und sich für die spanische entschieden. Er widmete sich nun dem klassischen spanischen Tanz und brachte auch bald seine ersten Flamenco-Darbietungen auf die Bühne. José Granero blieb zwei Jahre bei Manolo Vargas und Roberto Ximénez. Mit ihnen tourte er durch die gesamten Vereinigten Staaten. Zudem lernte er in diesen beiden Jahren die Grundlagen der Inszenierung, Beleuchtung und Dramaturgie.[8] Nachdem er 1960 das Ensemble von Vargas und Ximénez verlassen hatte, ließ José Granero sich in Hollywood nieder. Er produzierte eine spanische Tanzshow, die auf Hawaii einen solch großen Erfolg hatte, dass sie um zwei Monate verlängert wurde. Dann, in Miami, erhielt er den Einberufung für die US-amerikanischen Streitkräfte. Es stand zu befürchten, dass er in den Vietnamkrieg würde ziehen müssen.[8] So versteckte er sich einige Wochen bei einem Freund in New York, setzte sich von dort nach Belgien ab und erreichte schließlich 1961 Madrid.[9] Meistertänzer, Lehrer, ChoreografIn Madrid fand er bald ein Engagement in der Kompanie von Luisillo. Nach zwei Jahren wechselte er zum Ensemble von Pilar López. Nach weiteren zwei Jahren engagierte ihn Mariemma als Meistertänzer für ihr Ensemble. Dort blieb er 1½ Jahre lang Mitglied.[9] Sein nächstes Engagement fand er bei Héctor Zaraspe, einem Freund und ehemaligen Mitschüler in der Ballettschule in Buenos Aires. Dieser engagierte ihn als Lehrer für seine Ballettklassen in der renommierten Tanzschule Amor de Dios. José Granero unterrichtete dort Ballett und Choreografie. Seine Methoden waren unorthodox und ungewohnt für seine Schülerinnen und Schüler, und so fanden sie ihn zunächst, wie er später zu erzählen pflegte, un poquito loco, ein klein wenig verrückt.[9] Seine Übungen dienten dazu, dass seine Schülerinnen und Schüler ihren Körper genau kennenlernten und das Beste von ihm abfordern konnten, ohne ihn zu überfordern. Intensive Bodenübungen zum Aufwärmen sollten die Tänzerinnen und Tänzer vor Schmerzen und Verletzungen schützen. Wichtig vor allem war ihm, jede einzelne Persönlichkeit individuell zu fördern:[10]
– José Granero[10] Sein Ruf als Lehrer war schließlich so gut, dass renommierte Ensembles Kurse bei ihm buchten, beispielsweise die Kompanie von Antonio Gades und das American Ballet Theatre.[10] Sein Werk als Choreograf begann er zunächst mit relativ einfachen Stücken für eine Person. Seine erste komplexere Arbeit war Don Juan. Antonio Gades brachte mit mehreren Tanzschulen unter Mitwirkung einer orientalischen Tänzerin auf die Bühne. Es folgte Carmen für die Kompanie von José Greco.[10] Das Stück wurde im griechischen Theater von Hollywood aufgeführt. José Granero selbst tanzte darin die Rolle des Don José. Es war das letzte Stück, in dem er selbst als Tänzer auftrat.[11] 1971 choreografierte er die Tanzszenen Film La novicia rebelde[12] unter der Regie von Luis Lucía mit Rocío Durcal. Es folgte 1972 die Choreografie für Entre dos amores[13], ebenfalls unter der Regie von Luis Lucía mit Manolo Escobar. 1973 und 1974, anlässlich der Feiern zum Ersten Mai, übertrug man ihm die Leitung der großen Feier im Estadio Santiago Bernabéu in Madrid. Beteiligt waren rund 5.000 Tänzerinnen und Tänzer aus Folkloregruppen in ganz Spanien. Ihm assistierten Julio Principe, José Antonio und Luisa Aranda.[11] Außerdem choreografierte er 1974 La Celestina für die Kompanie von Raúl.[14] In diesem Jahr nahm er die spanische Staatsbürgerschaft an.[14] 1978 schuf José Granero für José Antonios und Luisa Arandas Ballet Siluetas die Choreografie Impresiones. Alberto Lorca berief ihn als Ballettmeister und Koordinator an sein Ballet Antología. Für diese Kompanie choreografierte er den Boléro von Maurice Ravel sowie einen Zapateado, El Albaicín aus der Suite España von Isaac Albéniz und Minotauro von Xavier Montsalvatge. Außerdem schuf er für das Ballet Antología seine ersten reinen Flamenco-Biografien: Bulerías für eine Gruppe von ausschließlich männlichen Tänzern und eine Soleá por Bulerías ausschließlich für Frauen.[14] Als Nachfolger von Antonio Gades wurde José Granero 1981 er gemeinsam mit José Antonio, Luisa Aranda und Julio Príncipe künstlerischer Leiter des Ballet Español de Madrid.[15] Seine erste Inszenierung dort vereinte klassisches Ballett, spanische Schule und Flamenco. Der erste Teil bestand aus Tänzen zu bekannten Stücken von Maurice Ravel. Im zweiten Teil riefen Persönlichkeiten des Flamencos die Atmosphäre der Cafés cantantes ins Leben. El Güito tanzte die Soleá, Merche Esmeralda die Guajira, Manuela Vargas die Alegrías, und Mary Carmen Villena tanzte mit Julio Príncipe den Polo als Hommage an Pilar López und Alejandro Vega. Das Stück wurde ein großer Publikumserfolg, sodass die Kompanie damit auf Tournee ging in ganz Spanien, einigen europäische Hauptstädten und nach Kuba. Eine weitere Choreografie von José Granero für das Ballet Español de Madrid war El Amargo zu Texten von Federico García Lorca.[15] Das Ballet Nacional de España, Auftragsarbeiten, und ein gescheitertes WagnisNach zwei Jahren am Ballet Español de Madrid übertrug ihm María de Avíla, Leiterin des Ballet Nacional de España, die Choreografie von Medea nach dem gleichnamigen Drama von Euripides. Die musikalische Partitur schuf Manolo Sanlúcar, die Dramaturgie gestaltete Miguel Narros.[16] Bevor er irgendwelche Tanzschritte probte, vertiefte er sich gemeinsam mit der Hauptdarstellerin Manuela Vargas tagelang in den Text von Euripides. Das Stück hatte im Juli 1984 Premiere im Teatro de la Zarzuela.[17] Medea ging anschließend auf Welttournee. Das Ballet Nacional gewann damit den Tanzpreis der New Yorker Kritik.[18][19] Nach diesem Erfolg bekam er reichlich Aufträge:
Das Ballett von Murcia gab kurz danach auf. Aus Mitgliedern dieses Ensembles und aus dem Ballet Español de Madrid formte José Granero 1992 seine eigene Kompanie. In dieses Projekt investierte er seine gesamten Ersparnisse und seine ganze Anstrengung. Er schuf Reencuentros, zu Musik von Emilio de Diego, und mit Camino eine Interpretation von William Shakespeares Hamlet.[22] José Granero rechnete mit Zuschüssen vom Kulturministerium, doch diese blieben aus, so dass sein Projekt finanziell scheiterte.[23] 1993 übernahmen Aurora Pons, Nana Lorca und Victoria Eugenia die Leitung des Ballet Nacional. Dieses „Triumfeminat“ gab bei ihm weitere Choreografien in Auftrag:[23]
1995 brachte er im Teatro de la Maestranza Mujeres auf die Bühne, eine Auftragsarbeit für das Festival de Itálica. Zu Musik von José Luis Greco tanzten fünf Tänzerinnen, jede mit ihrer eigenen künstlerischen Auffassung: Cristina Hoyos, La Ribot, Lydia Azzopardi, Eva Leiva und Beatriz Martín.[23] Im selben Jahr choreografierte er für die Kompanie von Antonio Márquez Movimiento perpetuo zu Musik von José Luis Greco und Variaciones románticos[23] zu Stücken von Dmitri Schostakowitsch und Sergei Rachmaninow.[24] Er wurde künstlerischer Leiter von Antonio Márquez’ Kompanie und schuf in dieser Funktion eine Neufassung seiner Choreografie Reencuentros.[24] Arbeitsweise als ChoreografAls Choreograf pflegte José Granero eine ähnliche Vorgehensweise wie als Lehrer: Statt mit den Tänzerinnen und Tänzerinnen vorgegebene Figuren bis zur größtmöglichen Perfektion immer und immer wieder zu üben, ging er von deren Eigenheiten und Fähigkeiten aus. Er arbeitete individuell mit jeder einzelnen Person, fand mit ihr gemeinsam die Formen, die ihr angemessen waren und mit denen sie am besten zum Werk beitragen konnte. Gemeinsam mit jeder einzelnen Person analysierte er die Rolle, die sie zu interpretieren hatte, und den Charakter der Musik, zu der sie tanzen würde. Er plante die Choreografien nicht bis ins Detail, stattdessen strebte er an, dass eine Beziehung zwischen den Tanzenden auf der Bühne und dem Publikum entstand.[25] Spätwerk1996 schuf er für das Ballet Nacional eine Choreografie zu Miguel de Cervantes’ Erzählung La Gitanilla zu Musik von Antón García Abril, mit Antonio Márquez und Lola Greco in den Hauptrollen. Als weitere Arbeiten in seinen letzten Lebensjahren sind zu nennen:[24]
José Granero starb am 4. Mai 2006 in seiner Wohnung in Madrid an einem Herzinfarkt.[26] Auszeichnungen
RezeptionIn der Fachkritik und beim fachkundigen Publikum wird José Granero allgemein als Maestro Granero verehrt.[26][27] Fachkritiker sehen ihn als Persönlichkeit, die den spanischen Tanz maßgeblich gestaltet, weiterentwickelt und modernisiert habe:
Besonders seine Choreografie Medea ist als entscheidendes Werk in der Entwicklung des spanischen Tanzdramas anerkannt:
– José Luis Navarro García[21]
– España es Cultura[28] Einzelnachweise und Anmerkungen
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