Die Liste von gotischen Orgeln erfasst sukzessive alle erhaltenen Orgeln aus der Zeit der Gotik (bis etwa 1530) als die ältesten Orgeln der Welt. Da alle Instrumente im Laufe der Jahrhunderte umgebaut worden sind, ist kein Werk vollständig, sondern jedes nur in Teilen erhalten.
Die Orgeln wurden in größeren Kirchen meist als Schwalbennestorgeln im Mittelschiff an der Nordwand in der Nähe zum Chor gebaut, da sie eine wichtige Funktion in der christlichen Liturgie einnahmen, aber nicht zur Begleitung des Gemeindegesangs dienten. In der „Alternatimpraxis“ übernahm die Orgel im Wechsel mit Chor, Gemeinde und Sängern einzelne Teile der Messe und des Stundengebets.[1]
Ab dem 15. Jahrhundert erhielten größere Orgeln bereits ein Rückpositiv und ein freistehendes Pedal.[2] Sie waren ursprünglich als Blockwerk gebaut, mit den „Bordunes“ im Pedalwerk. Noch 1495 war die berühmte Orgel des Domes zu Halberstadt mit einem Blockwerk ausgestattet.[3] Danach wurden sie mit Schleifladen umgebaut, teilweise schon in der Spätgotik.[4]
Die gotischen Prospekte sind in der Regel mit unterschiedlich großen Pfeifenflachfeldern und bemalten zuklappbaren Flügeltüren versehen.[5] Die Flügeltüren erfüllten eine künstlerische und klangliche Funktion, sollten die Orgel aber auch vor Verschmutzungen schützen. Wie auch beim Altarretabel wurden die Flügeltüren in der Fastenzeit verschlossen.
Gotische Orgeln
Die Tabelle ist sortierbar. In der sechsten Spalte bezeichnet die römische Zahl die Anzahl der Manuale, ein großes „P“ ein selbstständiges Pedal, ein kleines „p“ ein nur angehängtes Pedal und die arabische Zahl in der vorletzten Spalte die Anzahl der klingenden Register. Den Zahlen liegt jeweils die ursprüngliche Disposition zugrunde, soweit bekannt. Die letzte Zeile bietet Angaben zum Erhaltungszustand der gotischen Teile und weiterführende Informationen. Fotos werden nur eingebunden, wenn der Prospekt zumindest teilweise auf die Gotik zurückgeht.
1906 wurden in der Geburtskirche in Bethlehem 222 zylindrische Kupferpfeifen sowie 13 Glöckchen ausgegraben. Keine Gehäusereste oder Teil der Mechanik und der Windanlage erhalten.[6] Eine Rekonstruktion ist bis 2027 geplant.[7] → Orgel
ursprünglich für Alt St. Thomae in Soest gebaut; Orgel einschließlich Gehäuse mehrfach umgebaut: 1586 Meister Bartholdus, 1721–1722 Johann Patroclus Möller und Umsetzung nach Ostönnen, 1820 Registertausch durch Bernhard Dreymann; 1963 Instandsetzung durch Paul Ott und Umsetzung an die Westwand; heute I/p/8; 326 Pfeifen vor 1500 angefertigt → Orgel
nur Teile des Hauptwerk-Prospekts erhalten, mehrfach umgebaut und erweitert (1549–1552, 1660–1662, 1769), 1887–1889 Neubau durch Aristide Cavaillé-Coll, 1965 Restaurierung (III/P/57)[8]
Schwalbennestorgel; Dispositionsänderung und Umarbeitung des Pfeifenwerks 1686–1688 durch Christoph Aebi; heute I/p/8; Gehäuse und 4 Register erhalten → Orgel
Jacob van Bilsteyn, Johann von Koblenz (Jan van Covelen[s])
1446, 1518–1519
III/P
Zuschreibung; nach Einsturz des Kirchturms 1512 Umbau auf III/P (1519); Erweiterung um Rückpositiv 1541 durch Jan Kerstantszoon und 1629 Jacob Jansz/Jan Jacobs Lin, 1643 Neubau durch Galtus und Germer van Hagerbeer (III/P/36); Pfeifenmaterial von 1446 und 1519 erhalten[10]
vielleicht 1513, spätestens im 17. Jh. Umbau des Blockwerks in Schleifladen; 1959/1960 Rekonstruktion durch Ahrend & Brunzema; Gehäuse weitgehend und 4 Register erhalten → Orgel
Die Scherer-Bünting-Orgel (1558/1766) integriert spätgotisches Pfeifenwerk: Principal 16′ (heute im Prospekt der Pedaltürme), Teil vom Hintersatz und eine konische Flöte 4′ sowie weitere einzelne Pfeifen
Erweiterungsumbauten: 1573 Hans Köster, 1673 Joachim Richborn, 1981 Karl Schuke (IV/P/64); gotischer Hauptwerk-Prospekt und einiges Pfeifenmaterial erhalten → Orgel
Erweiterungsumbau 1637 durch Friedrich Stellwagen, Rekonstruktion 1977–1978 durch Gebr. Hillebrand (III/P/31); gotisches Hauptwerkgehäuse und 3 Register ganz sowie 3 teilweise erhalten → Orgel
Alte Kathedrale, Kapelle San Bartolomé (Capilla de San Bartolomé)
unbekannt
zweite Hälfte 15. Jahrhundert
I
Baujahr unbekannt, Kapelle wurde um 1422 gebaut, die Orgel später, kurz nach 1500 Empore für Schwalbennest gebaut, erhalten ist das ursprüngkiche bemalte leere Gehäuse, das 235 Pfeifen enthielt[13]
ursprünglich in der Utrechter Nicolaïkerk; beide Manuale bedienen ein Blockwerk (VII–XVIII im Hauptwerk; IV–VIII im Oberwerk); Hauptwerkgehäuse, Windlade und einige Pfeifenreihen des Blockwerks erhalten; rekonstruierte Kopie (2012) durch Orgelmakerij Reil im Orgelpark Amsterdam („Van-Straten-Orgel“)[14]
Das Pendentif (= Schwalbennest-Empore) geht auf 1385 zurück. Der Prospekt stammt von der Orgel von Friedrich Kress (1489), dahinter neues Orgelwerk von Alfred Kern & fils (1981, III/P/47)[15]
ursprünglich in der Nähe des Altars an der Nordseite; mehrere Erweiterungsumbauten: 1561/1577 Matthias Mahn(?), 1647–1649 Hans Christoph Fritzsche, 1698–1700 Matthias Dropa, 1727–1730 Johann Hinrich Klapmeyer; heute III/P/35; 3 gotische Register teilweise erhalten
ursprünglich für Kumla gebaut, 1739 durch Daniel Stråhle umgebaut, 1813 umgesetzt; älteste Gehäuseteile spätgotisch, wohl auch Teile des Pfeifenwerks, der Traktur und eine Windlade bauzeitlich
eingreifende Umbauten 1653 durch Johannes Wendel Kirchner, 1860 durch August Hooghuys; heute II/P/20; Gehäuse in neogotisch überarbeiteter Form erhalten → Orgel
Jost Sieburg baute 1642–1643 die vorhandene gotische Vorgängerorgel für seinen Neubau um (I/p/7); 1955 Restaurierung durch Ahrend & Brunzema; gotische Gehäuseteile und umgearbeitetes Pfeifenwerk erhalten → Orgel
ursprünglich gebaut für Amsterdam, Heilige Stede (nach dem Umsturz 1578 Nieuwe Zijdskapel genannt); 1879 Neubau durch Maarschalkerweerd & Zoon; 1895 umgesetzt; Gehäuse erhalten[20]
Prospekt ohne Rückpositiv erhalten, im Jahr 1877 in die Stiftskirche umgesetzt, ältester Orgelprospekt in Mecklenburg, Orgelwerk 1877 von Friedrich Friese III[21]
ursprünglich für Sankt Petri (Malmö) gebaut, 1579 Pedal und 1597 Rückpositiv ergänzt, 1797/1799 Hauptwerk und Pedal nach Genarp umgesetzt. 1937 dessen Aufstellung im Malmö Museum. Rückpositiv um 1800 nach Drängsered/Provinz Halland verkauft, 1867 abgebaut, 1941 in neuem Gehäuse rekonstruiert durch Frobenius Orgelbyggeri. Älteste Gehäuseteile um 1520[22]
1679 Neubau durch Jean de Joyeuse; Umbauten: 1775 Jean-Pierre Cavaillé, 1904 Michel Roger; 1985 Rekonstruktion durch Bartolomeo Formentelli; Gehäuse erhalten[24]
vielleicht unter Verwendung älterer Register aus dem 15. Jahrhundert; fast vollständig erhalten[26]
Literatur
Über gotische Orgeln
Wim S. Ros: Fundamentum Organisandi. Het orgel in de 15e eeuw, architectuur en ontwerp. Diss., Amsterdam 2019 (uva.nl [PDF]).
Marcel Pérès (dir.): Les orgues gothiques. Actes du colloque de Royaumont – 1995. Paris 2000 Auszüge, mit detaillierten Beschreibungen einiger wichtiger gotischer Orgeln
Hans Klotz: Über die Orgelkunst der Gotik, der Renaissance und des Barock. Musik, Disposition, Mixturen, Mensuren, Registrierung, Gebrauch der Klaviere. 3. Auflage. Bärenreiter, Kassel 1986, ISBN 3-7618-0775-9.
Rudolf Quoika: Vom Blockwerk zur Registerorgel. Zur Geschichte der Orgelgotik 1200–1520. Bärenreiter, Kassel 1966.
Maarten Albert Vente: Die Brabanter Orgel. Zur Geschichte der Orgelkunst in Belgien und Holland im Zeitalter der Gotik und der Renaissance. H. J. Paris, Amsterdam 1963.
Arthur George Hill: The Organ-Cases and Organs of the Middle Ages and Renaissance. C. Whittingham & Co., London 1891.