Freytag war der Sohn eines Kunsttischlers aus Württemberg. Er ging um 1784 nach Groningen zu Hinsz in die Lehre, der dort die Werkstatt Schnitgers betrieb. Nach Hinsz’ Tod 1785 übernahm Freytag partnerschaftlich mit Frans Casper Snitger, dem Enkel Arp Schnitgers und Stiefsohn von Hinsz, die Werkstatt unter dem Namen „Snitger & Freytag“. 1793 heiratete er die Witwe eines Wirtes aus Groningen, Hiskia Hornemann (1765–1817). Von den zehn Kinder erreichten fünf das Erwachsenenalter. Damit seine Frau ihre Wirtschaft fortsetzen konnte, trat Freytag in die Wirtsgilde ein und erhielt das kleine Bürgerrecht der Stadt Groningen. Als Snitger 1799 starb, übernahm Freytag die Leitung der Orgelbauwerkstatt und führte den nordniederländischen Orgelbau in eine neue Blütezeit. Auf hohem handwerklichen Niveau stand er ganz in der Tradition Arp Schnitgers. Gegenüber Hinsz zeichnen sich Freytags Register durch eine eleganteren Klang aus. Während die frühen Neubauten auch in optischer Hinsicht noch ganz von Schnitger geprägt sind, ist die äußere Gestaltung seiner Instrumente zunehmend vom Klassizismus beeinflusst. Freytag schuf in den 1800er Jahren einige einmanualige Kabinettorgeln mit sechs Registern ohne Pedal (so in Lellens, Anloo und Doesburg).[1]
Nach Freytags Tod 1811 führten seine Mitarbeiter unter der Leitung seiner Witwe übergangsmäßig den Betrieb fort, da die eigenen Kinder noch zu klein waren. 1817 wurde Freytags Sohn und Nachfolger Herman Eberhard Freytag (1796–1869) zusammen mit seinem Bruder Barthold Joachim (1799–1829) 1817 der Betrieb übertragen. Herman Eberhard war auch in Deutschland tätig und führte Reparaturen an den Hinsz-Orgeln in Leer und in Weener durch. Herman Eberhards Sohn Willem Fredrik Freytag (1825–1861) war als weiterer Nachfolger und Stammhalter des Familienunternehmens vorgesehen, starb aber bereits vor seinem Vater. 1862 starb auch seine Tochter Jantje Freytag. Herman Eberhard setzte sich daraufhin zur Ruhe und verkaufte 1863 die Firma an die Familie von Dirk Lohman, der möglicherweise selbst ein Schüler von Freytag war. Später traten die Firmen aber in Konkurrenz.
Werkliste
Folgende Arbeiten Freytags sind noch weitgehend erhalten (5. Spalte: großes „P“ = selbstständiges Pedal, kleines „p“ = angehängtes Pedal):
Erweiterung der Orgel (1741–1743) zusammen mit F.C. Schnitger jun. um ein freies Pedal und ein Brustwerk (heute IV/P/56) → Orgeln der Bovenkerk (Kampen)
Umbau der Orgel (1662) auf neuer Empore mit neuen Windladen, Trakturen und Klaviaturen; übernommen wurden 11 Register und ein Großteil des Gehäuses; Ausbau durch 4 zusätzliche Töne im Bass und 2 im Diskant in allen Registern; 3 Register von 1792 erhalten
Neubau als Ersatz für eine ältere Orgel; 1924 erweitert und eingreifend umgebaut, 2012 restauriert und rekonstruiert; Hälfte des Pfeifenbestandes erhalten
Neubau im Stil des Louis-seize als Ersatz für die alte Orgel von Andreas de Mare (1578); 1853 und 1884 kleinere Umdisponierungen durch Petrus van Oeckelen, ansonsten weitgehend original erhalten
Kabinettorgel, gebaut für die Burg Lellens; 1860 in die Kirche umgesetzt und in diesem Zuge um ein angehängtes Pedal und Seitenfelder erweitert, die für die Umgestaltung des Praestant 8′ in einen 16′ erforderlich waren; im Übrigen vollständig erhalten
Neubau einer Kabinettorgel ohne Pedal, die Freytag zugeschrieben wird; Auftraggeber und ursprünglicher Standort unbekannt; zwischenzeitlich in Middelstum, wo es 1958 auf einem Bauernhof wiederentdeckt wurde; nach Restaurierung 1961 als Chororgel in der Oude Kerk in Soest aufgestellt, ab 1961 in Privatbesitz in Baarn, 1985 Überführung in das dortige Schloss Groeneveld, seit 2003 in Doesburg
Umbau der Orgel (Arp Schnitger, 1695/96); Austausch einiger Register, neue Windladen und Klaviaturen; in allen drei Werken sind Freytags Praestanten und im Pedal weitere Register erhalten → Orgel der Dorpskerk Noordbroek
Neubau, der im Wesentlichen durch J.W. Timpe ausgeführt wurde. Die meisten alten Register sind erhalten.
Literatur
Richard Kassel: The Organ. An Encyclopedia. Hrsg.: Douglas E. Bush, Richard Kassel. Routledge, New York, London 2006, ISBN 0-415-94174-1, S.211–212 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
Gustav Fock: Arp Schnitger und seine Schule. Ein Beitrag zur Geschichte des Orgelbaues im Nord- und Ostseeküstengebiet. Bärenreiter, Kassel 1974, ISBN 3-7618-0261-7.
Arend Jan Gierveld: Het Nederlandse huisorgel in de 17de en 18de eeuw. Bohn, Scheltema & Holkema, Utrecht 1977, ISBN 90-313-0294-5.
Koos Tiggelaar, Albert Valstar: Freytag & Snitger in compagnie: een introductie tot het werk van Heinrich Hermann Freytag en diens compagnon Frans Caspar Schnitger junior, „afsluiters“ van de 18de eeuwse Gronings-Hamburgse orgelmakersschool. Kerkvoogdij Hervormde Gemeente Oostwold, Oostwold 1990.
L.B. Smit: Frans Casper Snitger & Heinrich Hermann Freijtag en de (Noord-) Nederlandse markt voor kerkorgels rond 1800. RuG, Groningen 2003.