Die heute Polessk genannte Kreisstadt liegt vier Kilometer südlich des Kurischen Haffs an der russischen Fernstraße A 190 (ehemalige deutsche Reichsstraße 126), die von Kaliningrad(Königsberg) nach Bolschakowo(Groß Skaisgirren, 1938–1946 Kreuzingen) führt. Die Stadt ist außerdem Bahnstation an der Bahnstrecke Kaliningrad–Sowetsk(Königsberg–Tilsit). Der Standort der Kirche lag im Zentrum der Stadt unweit des alten Marktplatzes und wird heute von einem mehrstöckigen Wohnhaus überdeckt.
Kirchengebäude
Bei der Labiauer Stadtkirche[1] handelte es sich um eine dreischiffigechorloseHallenkirche aus verputztem Feldstein[2][3]. Mit dem vorgesetzten Westturm aus Ziegeln ging ihre Gründung auf das Ende des 14. Jahrhunderts zurück. Bereits 1545 soll sie renoviert bzw. umgebaut worden sein. So erfolgte die Unterteilung des Raumes in drei Schiffe sowie die Einwölbung erst nachträglich. Das Zellengewölbe[4] war auf die Mitte des 16. Jahrhunderts zu datieren. In die Seitenschiffe waren Emporen eingebaut.
Im Jahre 1871 fand eine grundlegende Renovierung der Kirche statt, wobei beschädigte Einrichtung durch eine neue ersetzt wurde. Die Kanzel erhielt ihren Platz über dem schlichten Altar an der Ostwand.
Das Kirchengebäude wurde im Zweiten Weltkrieg beschädigt, im Jahre 1958 stand noch der Kirchturm mit Spitze, und auch die Gewölbe waren noch erhalten[5][6]. Es drohte jedoch der Verfall. In den 1960er Jahren wurde das Bauwerk abgetragen, um Baumaterial zu gewinnen. Die Fundamente verwendete man für den Neubau eines fünfstöckigen unverputzten Wohnhauses, das jetzt den Platz der Kirche einnimmt.
Kirchengemeinde
Eine Kirche wurde in Labiau bereits im 13. Jahrhundert gegründet[7]. In den 1520er Jahren hielt hier die Reformation Einzug, sodass hier bereits 1532 ein lutherischer Geistlicher amtierte. Ab dem Jahre 1622 kam ein zweiter Geistlicher hinzu, der vor allem die litauischen Belange der Gemeinde sorgte. Dieser sog. „litauische Pfarrer“ war bis 1719 zugleich Rektor der Stadtschule.
Labiau gehörte zu den größeren Kirchengemeinden in der Kirchenprovinz Ostpreußen. So zählte das weitflächige Kirchspiel im Jahr 1925 insgesamt 8904 Gemeindeglieder, die in der Stadt Labiau bzw. in 42 größeren und kleineren Orten in einem Landstreifen zwischen Rinderort (heute russisch: Saliwino) am Kurischen Haff im Norden sowie Friedrichsburg (heute russisch: Furmanowka) im Süden, von Fischerdörfern, Wiesendörfern und mehreren großen Gütern geprägt[8].
Aufgrund von Flucht und Vertreibung in Folge des Zweiten Weltkrieges sowie der nachfolgenden restriktiven Religionspolitik der Sowjetunion kam das kirchliche Leben in Labiau wie im ganzen nördlichen Ostpreußen zum Erliegen.
Pfarrer Johannes Bretke befasste sich ab 1579 in Labiau mit der Übersetzung der Bibel in die Litauische Sprache[14]. 1580 hatte er bereits das Neue Testament und die Psalmen übersetzt. Nach seinem Wechsel an die St.-Elisabeth-Kirche in Königsberg im Jahre 1587 übersetzte er dort das Alte Testament. Das Gesamtwerk war 1590 fertig. 1589 erschien bereits sein litauisches Gesangbuch.
Literatur
Labiau, Kreisstadt, 3,5 km vom Kurischen Haff, an der Deime, wo der Große Friedrichsgraben abzweigt, Regierungsbezirk Königsberg, Provinz Ostpreußen, in: Meyers Gazetteer, mit Eintrag aus Meyers Orts- und Verkehrslexikon, Ausgabe 1912, sowie einer historischen Landkarte der Umgebung von Labiau (meyersgaz.org).
Adolf Boetticher: Die Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Ostpreußen. Band 1: Die Bau- und Kunstdenkmäler des Samlandes. Königsberg 1898, S. 62–66 (Google Books).
Agathon Harnoch: Chronik und Statistik der evangelischen Kirchen in den Provinzen Ost- und Westpreußen, Nipkow, Neidenburg 1890, S. 152–155 (Google Books).
Daniel Heinrich Arnoldt: Kurzgefaßte Nachrichten von allen seit der Reformation an den lutherischen Kirchen in Ostpreußen gestandnen Predigern. Königsberg 1777, S. 48–52 (Google Books).
↑Adolf Boetticher: Die Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Ostpreußen. Band 1: Die Bau- und Kunstdenkmäler des Samlandes. Königsberg 1898, S. 62–66.
↑Walther Hubatsch, Geschichte der evangelischen Kirche Ostpreußens, Band 2: Bilder ostpreussischer Kirchen, Göttingen, 1968, Seite 60, Abb. 199 bis 201
↑Walther Hubatsch, Geschichte der evangelischen Kirche Ostpreußens, Band 3 (wie oben), Seite 464 bis 465. - * = Schulort.
↑Friedwald Moeller, Altpreußisches Evangelisches Pfarrerbuch von der Reformation bis zur Vertreibung im Jahre 1945, Hamburg, 1968, Seite 79 bis 80
↑ abcdefghijklmnoLudwig Fedemir Rhesa: Kurzgefasste Nachrichten von allen seit 1775 an den evangelischen Kirchen in stpreußen angestellten Predigern, Königsberg 1834, S. 103 (Google Books).