Der Ortsname ist belegt mit „Seilbitz“ (1358),[3] „Selbitz“ (1367), „Selwitz“ (1374), „Selwicz“ und „Selbitz“ (1386), „Selbicz“ (1388), „Schelwitz“ (1401), „Selwitz“ (1407), „Selwicz“ (1421) und ab dem 15. Jahrhundert „Selbitz“.[3]
Die Bezeichnung stammt entweder vom Gewässernamen Želvьnica (für Schildkrötenbach), wofür das westslawische WortŽely (für Schildkröte) als Basis diente,[3] oder vom Wort Zělwina (für die Grüne) ab.[4] Damit und wegen der Endung -itz ist der Ortsname ein Relikt der Westslawen, die sich vor allem im 6. Jahrhundert bei einer Siedlungswelle im heutigen Oberfranken (daraufhin auch als terra slavorum bezeichnet) niederließen.[5]
Geografie
Geografische Lage
Die Stadt liegt am gleichnamigen Fluss Selbitz, der den Ort von Süd nach Nord durchfließt. Im Stadtgebiet mündet auch der aus südöstlicher Richtung kommende Rothenbach. Selbitz liegt im Bayerischen Vogtland und am östlichen Rand des Naturparks Frankenwald.
Selbitz war seit 1388 im Besitz der Burggrafen von Nürnberg, die den Ort häufig als Lehen weitergaben. Dem späteren Amt des seit 1792 preußischen Fürstentums Bayreuth wurde am 16. Mai 1783 das Marktrecht verliehen. Selbitz besaß wichtige magistratische Eigenrechte. Die Marktgemeinde fiel im Frieden von Tilsit 1807 an Frankreich und kam 1810 zu Bayern. Im Zuge der Verwaltungsreformen in Bayern entstand mit dem Gemeindeedikt von 1818 die heutige Gemeinde. Am 26. Oktober 1954 wurde dem Markt Selbitz die Bezeichnung Stadt verliehen.
Dreißigjähriger Krieg
Da sich MarkgrafChristian in den ersten 13 Jahren des Dreißigjährigen Krieges (1618–1648) neutral verhielt, blieb die Gegend um Selbitz weitgehend vom Krieg verschont. 1632 schloss er ein Bündnis mit dem Schwedenkönig Gustav Adolf, wodurch der Krieg auch nach Selbitz kam. Am 11. Oktober 1632 wurde die Stadtkirche von Kroaten in Brand gesteckt, das Pfarrhaus, die Schule und weitere Wohnhäuser und Scheunen wurden ebenfalls zerstört. Außerdem gingen dabei die Kirchenbücher verloren.[8]
Bierkrieg zwischen Naila und Selbitz
Am 11. April 1778 wurde die ehemals reußische Selbitzer Brauerei an die Nailaer bürgerliche Braugenossenschaft verkauft, ohne vorher die Bevölkerung davon in Kenntnis zu setzen. Das hatte zur Folge, dass auch Bier aus Naila nach Selbitz geliefert werden durfte. Als am 13. April 1778 die ersten Fässer nach Selbitz gebracht werden sollten, wurde der Transport zunächst von General von Reitzenstein, Besitzer der zweiten Selbitzer Brauerei, Heinrich Beyer, Bürgermeister, und Georg Christoph Dittmar, Schöffe und Bäcker, aufgehalten, durfte aber später doch passieren, wobei ein Fass direkt ins Wirtshaus, die übrigen in einen Keller geliefert wurden. Diese wurden zwei Tage später durch den Bürgermeister und den Schöffen zerstört. Als am 24. April erneut eine Lieferung nach Selbitz unterwegs war, stoppten Beyer und Dittmar auch diese, worauf beide verhaftet wurden, aber zunächst mit Unterstützung der örtlichen Bevölkerung fliehen konnten. Am 6. Mai wurden beide zu Hause verhaftet und zur Gerichtsverhandlung nach Hof gebracht.[9] Dort wurden sie zu je sechs Wochen Gefängnis wegen Beschädigung fremden Eigentums, Befehlsverweigerung und Vergeudung von Gerstensaft verurteilt.[10]
Obwohl die Selbitzer den Prozess und damit den Bierkrieg verloren, wird bei dem seit 1834 jährlich stattfindenden Heimat- und Wiesenfest[11] in Ermangelung einer eigenen Brauerei Bier aus Naila ausgeschenkt. Ebenso wird bei dem Fest seit 1959 im Anschluss an den Festzug die Gerichtsverhandlung von Kindern und Jugendlichen auf der Rathaustreppe nachgespielt (Wiesenfestspiel).
Gebietsreform
Bei der Gebietsreform in Bayern wurden in den 1970er Jahren vier Gemeinden nach Selbitz (mit Föhrighaus, Hüttungshaus, Kreuzbühl, Schertlas) eingemeindet: Dörnthal (mit Hüttung, Rothenbürg, Sellanger, Staudenhäuser, Stegenwaldhaus), Neuhaus (mit Edlasmühle, Wachholderbusch), Rodesgrün (mit Kohlbühl) am 1. April 1971[12] und Weidesgrün am 1. Mai 1978.[13] Außerdem wurden am 1. Juli 1976 Gebietsteile der Nachbargemeinden Köditz und Leupoldsgrün mit damals jeweils weniger als 50 Einwohnern eingegliedert.[13]
Die Einwohner tragen den Spitznamen „Bockpfeifer“. Diese Bezeichnung ist etwa in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden, da die Selbitzer häufig als Bettelmusikanten in der Gegend unterwegs waren und dabei eine Bockpfeife (Dudelsack) spielten.[14] Die Benennung ist in Selbitz häufig anzutreffen, so gibt es zum Beispiel eine Gaststätte,[15] einen Fanclub,[16] einen Wanderweg[17] und den Brunnen am Rathaus, deren Namensbestandteil Bockpfeifer ist. Auch im Stadtwappen und im Titel des ehemaligen Heimatblattes Der Selbitzer Bockpfeifer taucht die Figur auf.
Im Zeitraum 1988 bis 2018 sank die Einwohnerzahl von 4948 auf 4294 um 654 bzw. um 13,2 %. Am 31. Dezember 1994 hatte die Stadt 5048 Einwohner.
Jahr
Bevölkerung
1961
5707
1970
5651
1987
4981
1995
4999
2000
4947
2005
4746
2010
4507
2015
4359
2019
4250
2020
4275
Dokumentation der Stadtgeschichte
Zur Dokumentation der Geschichte der heutigen Gemeinde Selbitz, tragen das Stadtarchiv im Rathaus und das Schulmuseum in der Grund- und Mittelschule bei. Des Weiteren wurde seit den 1950er Jahren der Selbitzer Bockpfeifer als Beilage des städtischen Bürgerblattes veröffentlicht, wobei die Vergangenheit von Selbitz, sowie Erlebnisse der Bevölkerung (laienhaft) beleuchtet wurden (→ Literatur).
Der Friedhof befindet sich etwas außerhalb der Stadt in der Brunnenstraße, nachdem der alte Friedhof an der evangelisch-lutherischen Pfarrkirche zu klein geworden war. Die Namen der Gefallenen und Vermissten der beiden Weltkriege sind auf Tafeln an der Außenseite des Gotteshauses verzeichnet.[19]
Selbitz ist seit 1949 Sitz der Communität Christusbruderschaft Selbitz, einer Lebensgemeinschaft innerhalb der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern. Das Gelände der Communität befindet sich auf dem Wildenberg, einer Anhöhe oberhalb des Ortes am Waldrand. Neben dem Ordenshaus befindet sich dort auch ein Gästehaus, das Haus der Begegnung und Einkehr. Im Walter-Hümmer-Haus betreibt die Christusbruderschaft Selbitz ein Altenheim und eine Arztpraxis, ebenfalls auf dem Wildenberg. Für verstorbene Mitglieder der Christusbruderschaft gibt es auf dem Wildenberg im Wald einen eigenen Friedhof.
Der Stimmkreis für den Bezirkstag von Oberfranken (17 Mitglieder) ist mit dem Landtagsstimmkreis identisch, die Wahl findet zudem zeitgleich statt. Direkt gewählter Abgeordneter ist Eberhard Siller (CSU). Derzeit gehört kein weiterer Abgeordneter aus dem Gebiet des Stimmkreises dem Bezirkstag an.
Im Kreistag (60 Mitglieder) des Landkreises Hof (letzte Wahl 2014) ist Selbitz mit den Kreistagsabgeordneten Klaus Adelt (SPD), Christa Fickenscher und Carsten Kirschner (beide CSU) vertreten.[25]
Wappenbegründung: Dieses Wappen ist das aktuelle Stadtwappen seit 1977. Im Jahre 1783 wurde dem Ort Selbitz von dem Markgrafen von Brandenburg-Ansbach das Marktrecht verliehen. Aus diesem Grund ist das Stadtwappen der Markgrafen – die Silber-Schwarz-Vierung – in das Stadtwappen übernommen worden. Die Gestalt des sogenannten Bockpfeifers erinnert an einen Übernamen der Selbitzer Bürger, der in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden ist, und auf das Gewerbe der Wandermusikanten hinweist, dem die Selbitzer wegen der damaligen sozialen Lage vielfach nachgegangen sind. Es handelt sich hierbei um die Darstellung einer charakteristischen örtlichen Überlieferung.[27]
Im Jahr 1971 wurde das städtische Hallenbad mit Sauna in Selbitz eröffnet. Nach über 38 Jahren musste das Bad 2010 aus finanziellen Gründen geschlossen werden.[30] Nachdem das Gebäude noch lange Zeit als Vereinssauna gedient hatte, wurde es im Jahr 2019 abgerissen und das Gelände renaturiert.
Freizeit, Sport und Tourismus
Die Stadt Selbitz zieht während des Heimat- und Wiesenfestes seit 1834 alljährlich Ende Juli mehrere tausend Besucher an. Im Laufe des Jahres finden der Ostermarkt, Bauernmärkte, ein Kärwamarkt, der Herbstmarkt und der Weihnachtsmarkt statt.
Im Bereich der Printmedien wird die Frankenpost gelesen. Jeden Donnerstag gibt die Stadt Selbitz ihr Bürgerblatt heraus, das bei der Gemeinde und in einigen örtlichen Geschäften erhältlich ist. Regionale Fernseh- (TV Oberfranken) und Radiosender (z. B. Radio Euroherz) können empfangen werden.
Bildung und Schulen
Selbitz verfügt über zwei Kindergärten, beide in evangelisch-lutherischer Trägerschaft und eine Grund- und Mittelschule (bis zum Schuljahr 2009/10 Grund- und Hauptschule; vor Ort ist zudem die Benennung „Volksschule“ üblich).[32] Weiterführende Schulen gibt es im vier Kilometer entfernten Naila und im 14 km entfernten Hof. In jedem Semester finden mehrere Kurse der Volkshochschule in Selbitz statt.
Verkehr
Die Stadt liegt an der A 9 (Berlin–München, Ausfahrt Naila/Selbitz) und in der Nähe des Autobahndreiecks Bayerisches Vogtland von A 9 und A 72. Eine Anreise mit dem Linienflugzeug ist nicht mehr möglich, seit 2012 am wenige Kilometer entfernten Verkehrslandeplatz Hof-Plauen der Linienverkehr eingestellt wurde.
Selbitz wird über die Bahnstrecke Hof–Bad Steben im Schienenverkehr bedient. Neben dem Hauptort befinden sich auch in den Ortsteilen Rothenbürg und Stegenwaldhaus Haltestellen als Bedarfshalte. Der Bahnhof in Selbitz verfügt gegenwärtig über zwei Durchfahrtsgleise und ist Kreuzungsbahnhof für die ansonsten eingleisige Strecke, die im angenäherten Stundentakt befahren wird. Die Strecke Hof–Bad Steben wird seit 2011 von der Agilis-Verkehrsgesellschaft betrieben.
Früher war es über die Bahnstrecke Münchberg–Selbitz möglich, von Selbitz direkt nach Münchberg und weiter zu fahren. Im Streckenverlauf hatte neben Selbitz auch Weidesgrün einen Haltepunkt. Seit 1976 endet die Strecke von Münchberg aus in Helmbrechts. Von Selbitz aus muss über Hof gefahren werden, um mit dem Zug nach Münchberg zu gelangen.
Josef Witt (1884–1954), Gründer des Textilhandelhauses Witt Weiden, für den Auf- und Ausbau einer Weberei in Selbitz, ernannt 1949.[33]
Außerdem wurden 1933, zu Beginn der Zeit des Nationalsozialismus, aus politischen Gründen vier Ehrenbürger ernannt, denen der Ehrentitel nach Kriegsende 1945 wieder entzogen wurde (angegeben sind die Funktionen bei der Ernennung):[33]
Gerhard Wirth (1926–2021), im Stadtteil Hüttung geborener Historiker und Hochschullehrer
Personen, die vor Ort wirken oder gewirkt haben
Klaus Adelt (* 1956), Politiker (SPD), von 1990 bis 2013 Erster Bürgermeister von Selbitz, jetzt Stadtratsmitglied, Kreisrat und Mitglied des Landtages
Walid Aziz (* 1969), Transportunternehmer und bis 2022 Brauereibesitzer in Naila
↑Ergebnis Stadtratswahl 2014. Stadt Selbitz, 16. März 2014, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 7. April 2014; abgerufen am 30. März 2014.
↑ abDer Selbitzer Bockpfeifer, #14/1983, S. 196, 15. Oktober 1983.
↑Johann Gottfried Biedermann: Geschlechtsregister Der Reichsfrey unmittelbaren Ritterschaft Landes zu Franken Löblichen Orts Rhön und Werra: Welches aus denen bewährtesten Urkunden, Kauf- Lehen- und Heyrathsbriefen gesamleten Grabschriften und eingeholten genauen Nachrichten von innen beschriebenen Gräflich-Freyherrlich- und Edlen Häusern. Bayreuth 1749, S.CCCCXXV und CCCCXXVI (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).