Rudolf Tyrolt, Sohn des nicht unvermögenden k.k. Finanzrates Anton Tyrolt und dessen Ehefrau Louise, besuchte zunächst das Ober-Gymnasium Preßburg, 1859 kam er an das gräflich Löwenburg’sche Piaristenkonvikt (eigentlich: Löwenburg’sches Stipendium im Piaristenkonvikt) in Wien-Josefstadt, wo er mit Begeisterung an dem zur Faschingszeit veranstalteten Komödienspiel teilnahm. 1861 kam Tyrolt an das Benediktinerkonvikt Melk, kehrte 1862 an das Preßburger Gymnasium zurück und maturierte 1866. Verbunden mit der Pensionierung des Vaters, zog die Familie während der auch in Preßburg wirkenden Wirren der verlorenen Schlacht bei Königgrätz nach Graz, wo Tyrolt an der lokalen Universität zunächst Jurisprudenz studierte, sich jedoch im weiteren Studienverlauf für Philosophie entschied und am 6. Oktober 1870 zum Dr. phil. promoviert wurde.[1]
Während seiner Studienzeit in Graz, wo er 1869/70, nach kurzer Zeit bei der akademischen Burschenschaft Stiria, Mitglied der Arminia Graz[2] wurde, entwickelte Tyrolt durch die für ihn örtlich große Verwandtschaft, jedoch insbesondere durch studentische Beziehungen gegebenen Sozialkontakte eine Nähe zu dem von ihm gesuchten, von bedeutenden Persönlichkeiten repräsentierten Bühnen- und Autorenmilieu. Unter anderem traf Tyrolt wiederholt auf Friedrich Mitterwurzer (1844–1897), Friedrich Marx (1830–1905), Ludwig Martinelli (1832–1913), Johann Daniel Ludwig Löwe (1795–1871), Franz Wallner (1810–1876), Peter Rosegger (1843–1918) sowie Josefine Gallmeyer (1838–1884). Sein eigenes Talent als (Amateur-)Schauspieler konnte Tyrolt durch Auftritte auf Liebhaberbühnen weiterentwickeln.[3]
Tyrolt war für die Darstellung von Wiener Volkstypen bekannt. Zu seinem 40. Bühnenjubiläum schuf Arnold Hartig 1910 in Wien eine hochformatige Bronzeplakette mit seinem Porträt (im Profil von rechts).
Als Der alte Grutz in Karl Schönherrs Komödie Erde[9] beendete Tyrolt gemäß einem seiner Ehefrau zur Goldenen Hochzeit gegebenen Versprechen am 19. Dezember 1926 seine Schauspielerlaufbahn[10] und zog sich in seine Gutensteiner Villa zurück.[11][Anm. 1]
Einige Wochen vor seinem Ableben trat bei Tyrolt ein Bluterguss ins Gehirn ein. Nach einer kurzen Phase der Besserung, in der der Schauspieler seinen Freunden im Deutschen Volkstheater einen Besuch abgestattet hatte, erlitt Rudolf Tyrolt, der letzte große Volksschauspieler, einen neuerlichen Schlaganfall, dem er zwei Wochen später, im Beisein seiner 1875 angetrauten Ehefrau, der preußischen Hofschauspielerin Ernestine (Erna) Wiehler (* 1. Juni1850[4] in Leipzig; † 17. Februar1930 in Gutenstein[12]), erlag.[13] Er wurde am 24. Juni 1929 in Gutenstein zur letzten Ruhe bestattet.[14]
1930 wurde eine Verkehrsfläche in Wien-MeidlingTyroltgasse benannt.
Werke
Rudolf Tyrolt war auch als Bühnenautor und Schriftsteller tätig.
Árpád Berczik, –: Die öffentlichen Angelegenheiten. Lustspiel in einem Aufzug nach dem Ungarischen bearbeitet von Rudolf Tyrolt. Neues Wiener Theater, Band 95, ZDB-ID 2249236-7. Rosner, Wien 1879.
Aus der Theaterwelt. Ernste und heitere Bilder (1879)
Zwei Comödianten. Lustspiel in einem Aufzug. Neues Wiener Theater, Band 101, ZDB-ID 2249236-7. Rosner, Wien 1880.
mit Moritz Loebel: Meister Potier. Lustspiel in einem Aufzug. Neues Wiener Theater, Band 118, ZDB-ID 2249236-7. Rosner, Wien 1885.
Chronik des Wiener Stadttheaters 1872–1884. Ein Beitrag zur deutschen Theatergeschichte (1889) – Volltext (archive.org).
Ferdinand Raimund. Volkstümliche Vorträge, Band 13. Allgemeiner niederösterreichischer Volksbildungsverein, Zweig Wien und Umgebung, Krems 1891.
Aus dem Tagebuche eines Wiener Schauspielers. 1848–1902. Erinnerungen und Betrachtungen (1904) – Volltext (archive.org).
Allerlei von Theater und Kunst (1909)
Vom Lebenswege eines alten Schauspielers (1914)
Theater und Schauspieler. Aphorismen, Betrachtungen, Kritiken (1927)
↑Gutenstein, Markt 84. (47.8769915.89525). 1889 errichtet nach Plänen des Wiener Architekten Julius Deininger (1852–1924). – Siehe: Julius Deininger (…) Villa Tyrolit (sic!). (Dort Adresse, abweichend von Dehio, Niederösterreich südlich der Donau, Band 1: A–L. S. 637, mit Markt 34 angegeben). In: architektenlexikon.at. 17. April 2008, abgerufen am 16. Oktober 2014.
Friedrich-Wilhelm Knapheide: Der Schauspieler Dr. Rudolf Tyrolt. Eine Analyse seiner Komik. Dissertation. Universität Wien, Wien 1966.
Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien. Nachtrag zu den Bänden 1–4. Band 5: Ru – Z. Kremayr & Scheriau, Wien 1997, ISBN 3-218-00547-7.
Zita Veit: Vielstimmigkeit und Mehrfachidentität bei einem Akteur des Leitmediums Theater: Dr. Rudolf Tyrolt. In: András F. Balogh (Hrsg.): Deutsches Theater im Donau-Karpatenraum. Dramatisches Schaffen, Aufführungen, Theaterzeitschriften und Kritiken. Klausenburger Beiträge zur Germanistik, Band 4, ZDB-ID 2419124-3. Klausenburger Universitätsverlag, Arbeitskreis für Siebenbürgische Landeskunde Heidelberg, Gundelsheim/Neckar 2008, ISBN 978-3-929848-72-4, S. 163–174.
Helge Dvorak: Biographisches Lexikon der Deutschen Burschenschaft. Band II: Künstler. Winter, Heidelberg 2018, ISBN 978-3-8253-6813-5, S. 694–696.
↑Aus dem Tagebuche eines Wiener Schauspielers. S. 37.
↑Ernst Elsheimer (Hrsg.): Verzeichnis der Alten Burschenschafter nach dem Stande vom Wintersemester 1927/28. Frankfurt am Main 1928, S. 533.
↑Aus dem Tagebuche eines Wiener Schauspielers.passim.
↑ abcHerrmann A. L. Degener: Wer ist’s? Zeitgenossenlexikon enthaltend Biographien nebst Bibliographien; Biographien nebst Bibliographien. Angaben über Herkunft, Familie, Lebenslauf, Werke, Lieblingsbeschäftigungen, Parteiangehörigkeit, Mitgliedschaft bei Gesellschaften, Adresse; andere Mitteilungen von allgemeinem Interesse. Vierte Auflage. Degener, Leipzig 1909, S. 1446. (Textarchiv – Internet Archive) sowie Graz (Steiermark) (I.) Landschaftliches Theater. (…) Gastspiele. (…) Debut des Herrn Dr. Rudolf Tyrolt. A(lbert) Entsch (Hrsg.): Deutscher Bühnen-Almanach. Band 35.1871, ZDB-ID 513018-9. S.n., Berlin 1871, Teil 2, S. 120 unten. (Textarchiv – Internet Archive).