Reichel, auch Reichell, Reichl, ist der Name eines Breslauer Stadtgeschlechts, das Ende des 18. Jahrhunderts im Mannesstamm erlosch.
Die Familie wird seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts offiziell als Freiherren gezählt. Es gibt Hinweise auf einen bis Mitte des 20. Jahrhunderts blühenden bürgerlichen Zweig.
Bedeutende Mitglieder der Familie waren beispielsweise Albrecht von Reichel, der Autor eines überaus bedeutenden Werks über das Breslauer Patriziat, und Servatius von Reichel, jeweils mehrmaliger Stadtkämmerer, Schöffenpräses und stellvertretender Ratspräses. Im Jahr 1673 wurde von Hans Wilhelm Reichel der altadelige Status seiner Familie beantragt und einschließlich des Freiherrenstatus bewilligt, obwohl es dafür keinen Nachweis gab.
In der einschlägigen Literatur, wie Pusch formulierte, ist der von denen von Reichel geführte, nie bezweifelte Freiherrentitel ohne kritische Begutachtung übernommen worden, zuerst von Sinapius. Zum Gegenstand der Adelung gibt es verschiedene, unbelegte und sich teils widersprechende Details: Nach Ledebur und folgenden Autoren gab es ein von Kaiser Ferdinand II. am 9. September 1554 ausgestelltes Adelsdiplom. Blažek zufolge wurde an jenem Datum ein Niklas Reichel, Amtssekretär in Glatz, geadelt. Stein zufolge wurde am gleichen Tag dem immerhin in der Stammlinie zu findende Servatius (1515–1569), der 200-jährigen Grundbesitz der Familie Reichel im Fürstentum Breslau nachweisen konnte, einschließlich seinen Vettern von Kaiser Karl V. das Indignat erteilt.
Oskar Pusch bekam nach eigener Aussage von einem befreundeten Genealogen eine „handschriftliche Aufzeichnung eines L. Reichel aus Neuchâtel“ geschenkt. Sie führt bis zum Jahr 1952. Nikolaus Reichel und Elisabeth Reussner haben demnach einen weiteren Sohn Valentin gehabt, der 1552 bis 1610 ein Bergmann bei Geising gewesen sei. Diese Linie fehlt in Albrecht von Reichels Aufzeichnungen. Pusch mutmaßte, dass entweder eine bürgerliche Familie Reichel „des Dekorums Willen“ ihren Stammbaum an die adlige Familie von Reichel anhängte, oder aber der herzoglich sächsische wirkliche Rat Nikolaus von Reichel habe einen unehelichen Sohn gehabt. Albrecht von Reichel könnte ihn bewusst verschwiegen haben.
Stammlinie
Johannes
Johannes (auch: Hans); † 1387. Erbte ein Haus bei der Elisabethkirche; wurde im Jahr 1383 Ratsherr. ⚭ Dorothea von der Wede. Widersprüchliche Angaben zu Nachkommen.
Niclas; Kaufmann und Kreditgeber. Gläubiger derer von der Wede. ⚭ Hedwig Schreiber
Helene
Vermutlich Wenzel
Johannes († 1433). 1417 Konsul in Breslau. ⚭ vermutlich eine Agnes
Anton; 1465 Kaufmann in Breslau
Hans; 1442 bis 1465 Waagemeister in Breslau
Johannes; Kreuzherr zu St. Matthias; Kaplan zu St. Elisabeth. Von Papst Alexander VI. im Jahr 1496 zum Domherr ernannt
Leonhard († 1418)
Wenzel
Katharina; ⚭ Nikolaus Riemer
möglicherweise 2 weitere Töchter, die vielleicht ins Kloster gingen
Johannes; königlicher Mann, Landesältester des Fürstentums Breslau; Ratsherr in Breslau. 1429: Konsul in Breslau. ⚭ Barbara von Bock
Magdalena; 1440: ⚭ Dietrich von Stosch
Hieronymus
Laurentius; wahrscheinlich identisch mit Lorenz Reichel, der als Schlesier in der Schlacht bei Tannenberg und der Verteidigung der Marienburg teilnahm.
Barbara
Leonhard; 1418 Landschöffe im Fürstentum Breslau. ⚭ Dorothea von Bank.
Niklas. Besaß zwei Häuser in Breslau
Wenzel II. († 1429); ⚭ Dorothea von der Heyde
Margarethe; ⚭ Hans von Bank
Anna
Wenzel († 1460 in Prag); reicher Kaufmann, königlicher Mann, Fernhändler (Wechselgeschäfte bach Wien, Venedig), Schöffenpräses, Gesandter nach Prag. Sollte helfen, den Frieden zwischen dem deutschen Orden und Polen vorzubereiten, der zwei Jahre nach seinem überraschenden Tod eintrat (Thorner Frieden). ⚭¹ Anna Auer; ⚭² Margarethe Hesse.
Wenzel (* 1434; † 1489 in Ofen); studierte in Leipzig; 1483: Ratsherr in Breslau; königlicher Mann und Landesältester. Starb durch Gift am königlichen Hof in Ofen. 1460: ⚭ Hedwig von Hörnig
Johannes; Arzt in Breslau
Hieronymus; verscholl auf einer Seereise nach Indien
Barbara; 1506: ⚭ Siegmund Prüfer. Ihre Kinder wurden im Jahr 1535 geadelt
Jonas; † wohl kinderlos
Nikolaus (* 1454; † 1532); langjähriger Ratsherr in Breslau, Oberkämmerer, stellvertretender Schöffenpräses. Erster Vorsteher des im Zuge der Reformation neu geschaffenen Almosenamtes zur Betreuung der Armen und Bekämpfung des „Bettelunwesens“. Erste Ehe: Margarethe von Fruberg; zweite Ehe: Ursula von Domnig.
Barbara; ⚭ Wolf von Büttner
Wenzel, Hauptmann von Biebersburg in Ungarn
Lazarus; † als Junggeselle
Martha; ⚭ Stephan von Heugel
Hedwig; ⚭ Sebald Bache von Perschütz
Magdalena; ⚭ Georg von Arztat
Israel (* 1529; † 1600); Breslauer Ratsherr seit 1570 bis an sein Lebensende, zeitweise Schöffenpräses, „sechsmal stellvertretender Ratspräses und damit Bürgermeister“ (?). Kellerherr des Schweidnitzer Kellers. ⚭¹ Hedwig von Uthmann und Rathen; ⚭² Magdalena von Holtz.
Israel; ⚭ Maria Drümel
Hedwig; ⚭ Gottfried Radmann
Daniel; starb jung
Gottfried;
Daniel; † auf einer Bildungsreise nach Venedig
Jakob; studierte in Ingolstadt. Ratsherr, Konsul, Schöffe in Breslau. ⚭ Anna Schlaher. Aus der Ehe entstammten 10 Kinder.
Kinder aus der zweiten Ehe Israels d. Ä.:
Otto
Margarethe
Magdalene
Servatius (* 1515; † 1569)
Stanislaus von Reichel († 17. Mai 1542); kaiserlicher Bergverwalter. ⚭ Apollonia von Rindfleisch
Valentin (unsicher), vermeintlicher Begründer einer bürgerlichen Linie bis 1952.
Stanislaus († 16. Mai 1566 als Junggeselle)
Jemina (* 1527; † 4. März 1590). 1544: ⚭ Georg von Rohn
Susanne († 5. oder 9. Januar 1590), begraben in Breslau (Elisabethkirche)
Hedwig († 1612) ⚭ Erasmus Krüger
Apollonia († 29. November 1559) ⚭ Daniel von Schilling
Paul († 26. August 1586); Herr auf Schöbekirch. ⚭ Martha von Uthmann und Schmolz
Servatius (* 5. Januar 1573; † 24. Juli 1624), Jurist, Assessor am Landgericht im Fürstentum Breslau. ⚭ Justina von Reichel, Tochter des Jakob von Reichel und der Anna Schlaher
Johannes (* 1537; † 1605); Herr auf Schöbekirch; besaß ein Haus in Breslau. ⚭¹ Christine von Hertwig; ⚭² Barbara Wunderlich
Johannes (* 9. Januar 1578; † 19. August 1578)
Nikolaus (* 10. August 1579; † 1649); Hofrichter in Breslau. ⚭¹ Katharina Matte; ⚭² Margarethe Crato von Krafftheim
Johannes (* 23. April 1582) ⚭ Barbara Rötel von Reichenau
Paul (* 29. März 1583; † in Hamburg als Junggeselle)
Aus zweiter Ehe:
Andreas (9. Juni 1589; † 26. August 1589)
Susanne (* 11. Februar 1591; † 1609 „im Kindbett“) ⚭ Andreas Röber
Heinrich (* 11. April oder 12. Juli 1595 oder 12. Juli 1599; † 12. Juli 1646); seit 1625 bis an sein Lebensende Schöffe, Konsul. Im Rat: Kriegskommissar und Schulpräses. Landesältester des Fürstentums Breslau. ⚭ Anna Magdalena von Sebisch
Adam Wenzel (* 27. Mai 1627; † 23. Juli 1668); reiste nach seinem Studium nach Italien, Österreich und Ungarn. Ratsherr, Schöffe, Konsul Kämmerer. ⚭ „Anna Justina Martin von Debitz“. Nach Adam Wenzels Tod verfasste Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau das Begräbnisgedicht Schau-Bühne des Todes.[1]
Gottfried Heinrich (* 30. Januar 1656); kaiserlicher Leutnant. ⚭ Anna Margarethe Fölckel
Julius Amandus († als Kind)
Adam Wenzel (* 7. September 1657)
Ernst Wilhelm (* 12. August 1660; † 1669)
Christian Sigmund (* 26. Oktober 1661; † 29. Oktober 1661)
Anna Juliana (* 11. April 1664) ⚭ George von Fritsche
Barbara Eleonora (* 4. April 1666) ⚭¹ Hermann Pucher von der Puche; ⚭² Oberstleutnant von Oppeln; ⚭³ Hauptmann von Schweinichen
Heinrich (* 7. Dezember 1629; † 21. März 1712 in Breslau); seit 1670 bis Lebensende Ratsherr, teilweise Schöffenpräses, Ratspräses und stellvertretender Bürgermeister. Bei seiner Wahl zum Ratspräses 1712 war er schon so gebrechlich, dass er sich ins Rathaus tragen ließ. 1675: ⚭ Anna Dorothea Burckhardt von Löwenberg. Ein Professor Stief verfasste zu Heinrichs Tod das Trauergedicht: „Es wird des Ruhm genug vor deinem Nahmen bleiben, Daß niemand fähig sey, dein Lob r echt zu beschreiben.“
Hans Wilhelm (* 26. Dezember 1631 in Breslau; † 19. September 1690 in Kaltenhof in Holstein); fürstlich holsteinisch-lübeckischer Geheimer Rat und Oberamtmann des Bistums Eutin. Beantragte im Jahr 1673 einen altadligen Status deiner Familie, die trotz mangelnden Nachweises fortan als Freiherren anerkannt wurden. 1672: ⚭ Anna von Rantzau.
Hans Friedrich (* Januar 1673); starb als Frühgeburt nach der Nottaufe
Maria Amalie (* 7. Dezember 1673) ⚭ einer von Holstein, Oberst eines Dragoner-Regiments
Jisias Heinrich (* September in Eutin; † 1680)
Benedictus (auch: Hans Benedikt; * 26. März 1677 in Westensee, Holstein; † 13. Januar 1741 in Schlanz); Schleswig-holsteinischer Offizier; nahm am Spanischen Erbfolgekrieg teil, z. B. in der Schlacht bei Oudenaarde. Führte einschließlich seiner Nachkommen den Freiherrentitel. 1713: ⚭ Maria Elisabeth von Schmettau
Gottfried Benedikt (* 1. März 1718; † wahrscheinlich als Kind)
Juliane Eleonore (* 19. September 1719; † 24. Oktober 1775)
Anna Wilhelmine (* 29. August 1725; † 15. Dezember 1788)
Charlotte Amalie (* 9. Januar 1727; † 9. Februar 1797)
Karl Wilhelm Freiherr von Reichel (* 13. Juni 1728; † 23. Oktober 1790); königlich preußischer Rittmeister, Landschaftsdirektor des Fürstentums Breslau. Mit ihm erlosch das Geschlecht im Mannesstamm. Neben den erwähnten beide. Töchtern sollen fünf Söhne und zwei Töchter als Kleinkinder verstorben sein. ⚭ Henriette Gottliebe von Netz
Charlotte Henriette Gottliebe Freiin von Reichel (* 18. Dezember 1771; † 8. September 1837 in Schlanz). 18. Januar 1794: ⚭¹ Konrad Adolph Graf von Dyhrn; 3. Dezember 1797 nach Scheidung: ⚭² Karl Konrad Leopold Joachim von Tschirschky
Marie Euphemie Charlotte Ludmilla von Tschirschky-Reichell; kaiserliche Hofdame
Wilhelmine Amalie Freiin von Reichel (* 27. März 1777; † 5. August 1810); 21. Juni 1796: ⚭ Hans von Eisenhart
Hans Wilhelm (* 24. Oktober 1678 in Westensee; † 11. Juli 1708 bei Oudenarde); starb als Schleswig-holsteinischer Kapitän der Infanterie seitens der Armee von Prinz Eugen in der Schlacht bei Oudenarde.
Karl Breide (* 25. Februar 1680 in Westensee; † 1681)
Christian Albrecht (* 28. März 1681; † 11. Juli 1708); starb als Leutnant einem schleswig-holsteinischen Regiment in der Schlacht bei Oudenarde
Otto Heinrich (* 22. April 1682 in Neuenhof; † jung)
Karl Breide (6. Juli 1683 in Neuenhof); Gesandter in Schweden
Anna Dorothea (* 12. August 1684 in Eckernförde)
Adam Sigismund (* 19. Oktober 1685 in Kaltenhof; † 11. Juli 1708); starb als Fähnrich in der Schlacht bei Oudenarde
Anna Magdalene (* 1690 in Kaltenhof)
Karl Sigismund (* 10. April 1634; † 1690); Rat und Hofmeister bei dem regierenden Herzog von Holstein-Sonderhof Christian Adolf
Ernst Friedrich (* 1636; † 7. Januar 1677 in Paris) stand in französischen Diensten
Albrecht (* 23. April 1638, nachts um 12 Uhr; † 22. August 1697); etwa zwei Jahrzehnte nach dem Dreißigjährigen Krieg: Stadtmajor und Stadtwachtmeister. Autor der umfangreicher Aufzeichnungen über das Breslauer Patriziat. 4. Oktober 1678: ⚭¹ Susanna Rosina Burckhardt von Löwenburg; 2. Mai 1696: ⚭² Maria Barbara von Rosenberg
Susanne Eleonora (* 1. April 1680); 1698: ⚭ Samuel Balthasar von Goldbach
Barbara Magdalena (* 10. August 1640; † 1. Oktober 1679 als Jungfrau)
Christian (* 21. August 1642; † 4. August 1677 in Mecheln) starb als Leutnant in einem Regiment zu Fuß seitens der Generalstaaten der Vereinigten Niederlande, wahrscheinlich im 2. Holländischen Krieg
Eva Susanne (* 24. Februar 1646); 27. November 1680: ⚭ Maximilian Lincke von Hyssbach
Wappen
Blasonierung des Stammwappens: Im von Schwarz und Gold geteilten Schild ein doppelschwänzinger Löwe in verwechselten Farben geteilt. Er hält eine auswärtsgekehrte Sichel mit goldenem Stil, wobei eine Pfote den Stil greift, die andere das Eisen. Auf dem gekröntenHelm mit schwarz-goldenen Helmdecken der Löwe vom Schild vollständig golden und wachsend.
Das Freiherrenwappen führt über dem Schild zusätzlich eine Freiherrenkrone. 1855 vermehrten die von Tschirschky ihr Wappen mit dem Wappen derer von Reichel.
Reichell, Reichel in: Konrad Blažek: Siebmachers Wappenbuch; Der Abgestorbene Adel der preußischen Provinz Schlesien, Band 2. Nürnberg 1890. S. 100–101; Tfl. 62. (Online: Text, Tafel)
Reichel in: Otto Titan von Hefner: Stammbuch des blühenden und abgestorbenen Adels in Deutschland, Band 3 (M – Spann). Regensburg 1865. S. 222. (Online)
↑Lothar Noack: Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau (1616–1679): Leben und Werk. Walter de Gruyter, 2011, ISBN 978-3-11-093359-8 (google.de [abgerufen am 23. August 2024]).