Paul von Gontard entstammte einem altfranzösischenAdelsgeschlecht aus der Dauphiné, dessen Angehörige 1685 nach Deutschland kamen und zu Wien die Reichsadelsbestätigung erhielten.[1] Gontard war der Sohn des Gutsbesitzers und königlich preußischen Oberst Otto von Gontard (1819–1895) und der Elisabeth von Gontard geb. de Haas (1823–1889).[2] Sein Urgroßvater war der Architekt und preußische Baubeamte Carl von Gontard. Der General Hans von Gontard war sein Bruder.
Von Gontard heiratete am 16. Dezember 1895 in St. Louis Clara Busch (* 16. Mai 1876 in St. Louis; † Juni 1959 (wahrscheinlich) in St. Louis), die Tochter des Brauereibesitzers Adolphus Busch (1839–1913), Gründer (1870) der Brauerei-DynastieAnheuser-Busch, und der Lilly Busch geb. Anheuser, Tochter des Brauereibesitzers Eberhard Anheuser (1805–1880). Das Ehepaar hatte drei Söhne und eine Tochter: den Ingenieur und Forschungsreisenden Paul Curt von Gontard (1896–1951), den Diplom-Ingenieur Adalbert von Gontard (1900–1976), den Theaterdirektor Gert Heinz von Gontard (1906–1979) und Lilly Claire von Gontard (1910–1986), die in zweiter Ehe den Rüstungsunternehmer Bernhard Berghaus heiratete.
Leben
Als Generaldirektor der Deutsche Waffen- und Munitionsfabriken AG (DWM) kooperierte Gontard mit dem skrupellosen Waffenhändler und „Kriegsgewinnler“ Basil Zaharoff (1849–1936). Zeitgleich veröffentlichten 1907 in Frankreich die Zeitungen Le Figaro, Le Matin und L’Écho de Paris Artikel über die beschleunigte Ausrüstung des französischen Heeres mit Maschinengewehren. Diese Meldungen wurden in Deutschland gelesen und mit Sorge zur Kenntnis genommen. Daraufhin bewilligte der Deutsche Reichstag in den drei Folgejahren 40 Millionen Mark für den Ankauf von Maschinengewehren. Geliefert wurden sie von der DWM unter Leitung von Paul von Gontard, die mit Vickers, einem britischen Rüstungsunternehmen im Besitz Zaharoffs, wirtschaftlich eng verbunden waren. Wie erst später bekannt wurde, hatte von Gontard einen Pariser Agenten Zaharoffs gebeten, im Le Figaro eine Meldung mit dem Inhalt zu lancieren, dass Frankreich sich entschlossen habe, „die Neubewaffnung der Armee mit Maschinengewehren erheblich zu beschleunigen“.[3]
Paul von Gontard bewohnte ab 1910 die nach ihm benannte Villa Gontard in Berlin-Tiergarten, heute Sitz der Direktion der Berliner Museen. Er war von 1912 bis 1918 Mitglied des Preußischen Herrenhauses und ebenso seit 1912 Ehrenritter[4] des Johanniterordens, dann ab circa 1915 als Nachfolger[5] der Familie von Rohr-Levetzow Gutsherr auf Gut Großwudicke in der Altmark, im damaligen Landkreis Jerichow II. 1922 umfasste das Rittergut Großwudicke mit Kleinwudicke etwa 1451 ha, davon 1086 ha Forsten.[6] Gontard trug den akademischen Grad eines Doktoringenieurs sowie die Ehrentitel eines anhaltischen und eines preußischenGeheimen Oberbaurats. Seit 1931 besaß er die Staatsangehörigkeit von Liechtenstein.
Nach Max Gallo trafen sich im März 1934 Röhm und Himmler mit engstem Gefolge auf Gut Großwudicke.[7] Auch Mitte der 1930er Jahre bleibt Paul von Gontard wirtschaftlich gut im Geschäft, nicht zuletzt durch seinen Schwiegersohn Berghaus.[8]
Paul und Clara Gontard verließen Europa am 27. Januar 1939 auf der Bremen Richtung New York.[9] Alle Angehörigen lebten 1940 in den USA. Nur die Enkeltochter Yvonne von Gontard, geboren 1929 in Berlin, einzige Tochter des Sohnes Gert aus seiner Ehe mit Sonia, geschiedene von Hagen, geborene von Kleist (1906–1931), lebte auf dem Kleist-Gut Kammissow in Pommern.
Der Grabstein von Paul von Gontard ist im Friedhof Sihlfeld in Zürich.
Gothaisches Genealogisches Taschenbuch der Adeligen Häuser 1941, Teil B (Briefadel), Jg. 33. Zugleich Adelsmatrikel der Deutschen Adelsgenossenschaft, Justus Perthes, Gotha 1940, S. 186.
Walter von Hueck, Klaus von Andrian-Werburg: Genealogisches Handbuch der Adeligen Häuser, B (Briefadel), Band XXI, Band 108 der Gesamtreihe GHdA, Hrsg. Deutsches Adelsarchiv, C. A. Starke Verlag, Limburg an der Lahn 1995, S. 122. ISBN 3-7980-0700-4.
↑Gothaisches Genealogisches Taschenbuch der Adeligen Häuser. Alter Adel und Briefadel. 1928. Zugleich Adelsmatrikel der Deutschen Adelsgenossenschaft. In: GGT. "Der Gotha". 20. Auflage. Gonrad, Stammreihe. Justus Perthes, Gotha 1927, DNB010781048, S.179ff.
↑Peter Walle: Weitere Nachrichten über Gontard. In: Leben und Wirken Karl v. Gontards. Zum 100. Todestag. BandIV., Gontards Familie und seine nächsten Nachkommen. Wilhelm Ernst & Sohn, Berlin 1891, S.33ff. (Online).
↑Johanniterorden (Hrsg.): Gesamt-Liste der Mitglieder der Balley=Brandenburg des Ritterlichen Ordens St. Johannis vom Spital zu Jerusalem nach dem Stande vom 10. März 1931. Eigenverlag, Berlin 1931, S.25 (kit.edu).
↑Gothaisches Genealogisches Taschenbuch der Uradeligen Häuser 1916. Der in Deutschland eingeborene Adel. In: GGT. "Der Gotha". 17. Auflage. Rohr, Rohr-Levetzow. Justus Perthes, Gotha 1915, S.715 (Online).
↑Oskar Köhler, Gustav Wesche, H. Krahmer: Landwirtschaftliches Güter-Adreßbuch Provinz Sachsen. 1922. Verzeichnis sämtlicher Rittergüter und Güter von ungefähr 20 ha herab mit Angabe der Gutseigenschaft, des Grundsteuerertrages, der Gesamtfläche und des Flächeninhalts der einzelnen Kulturen. In: Mit Unterstützung der Landwirtschaftskammer zu Halle a. S. (Hrsg.): Verzeichnis der für die Landwirtschaft wichtigen Behörden und Körperschaften. 3. Auflage. V der Reihe von Paul Niekammer/ Niekammer`s Güter-Adressbücher, Kreis Jerichow II. Reichenbach’sche Verlagsbuchhandlung, Leipzig 1922, S.34–35 (Online).
↑Max Gallo: Röhm und Himmler. In: Der Schwarze Freitag der SA. La nuit des longs couteaux. Dt. Übersetzung Carl Schönfeldt. Heyne-Buch Nr. 5881 Auflage. Wilhelm Heyne, München 1981, ISBN 3-453-01379-4, S.66ff.
↑Oliver Hilmes: Berlin 1936. Sechzehn Tage im August. Online-Ressource Auflage. Siedler, München 2016, ISBN 978-3-641-15686-2 (Online).
↑Evelyn Wöldicke: Die Villa Gontard. Ein Haus im Tiergartenviertel. Hrsg. Staatliche Museen zu Berlin, Preußischer Kulturbesitz, Deutscher Kunstverlag, Berlin/München 2013, S. 67, Anm. 99, ISBN 978-3-422-07256-5.