Nationaldenkmal Tausend Jahre RusslandDas Nationaldenkmal Tausend Jahre Russland (russisch Тысячелетие России Tysjatscheletije Rossii) ist ein Monument vor der Sophienkathedrale im Nowgoroder Kreml, das im Jahr 1862 eingeweiht wurde. Es markierte das tausendjährige Jubiläum des Beginns der Herrschaft Ruriks in Nowgorod, die gemeinhin als der Beginn der russischen Geschichte und der russischen Staatlichkeit gilt. PlanungDer Autor des Projekts war Michail Ossipowitsch Mikeschin, der auch für das Denkmal für Katharina die Große in Sankt Petersburg (1873) und Bohdan Chmelnyzkyj in Kiew (1888) berühmt ist. An einer 1859 erfolgten Ausschreibung nahmen zunächst 40 Bildhauer und Architekten mit ihren Projekten teil. Die Wahl fiel auf den 24-jährigen und damals noch wenig bekannten Zeichner Michail Mikeschin, der erst ein Jahr zuvor das Studium an der Kunstakademie abgeschlossen hatte. Sein eingereichtes Projekt bestand aus einer Vielzahl von Teilzeichnungen der einzelnen Fragmente des künftigen Denkmals. Von dem unerwarteten Zuschlag und dem verantwortungsvollen Auftrag inspiriert, zeigte Mikeschin bemerkenswerte organisatorische Fähigkeiten und zog viele weitere bekannte Bildhauer seiner Zeit heran, darunter Wiktor Hartmann, Schreder, Tschischow, Saleman, Opekuschin, Ljubimow und Michailow. Zur Erstellung des Denkmals forderten Regierungskreise und Zar Alexander II. eine gebührende Darstellung sowohl der Geschichte Russlands als auch der Rolle des herrschenden Hauses Romanow. Darüber hinaus spiegelt das Projekt den zeitgenössischen Übergang vom Klassizismus zum Realismus wider. Während der obere Teil mit dem Engel und der allegorischen Personifizierung Russlands noch dem klassizistischen Stil folgt, ist der untere Teil von realistisch dargestellten Personen geprägt. EröffnungDie Eröffnung des Denkmals fand am 8. September 1862 statt. Die Vorbereitungen für den Feiern liefen seit dem Frühjahr. Nowgorod, das bis dahin eine ruhige Provinzstadt war, erfuhr eine spürbare Belebung: Überall tauchten Tausende von Arbeitern auf, die Häuser restaurierten und die Straßen und die Plätze reparierten. Eine Erneuerung und Restaurierung erfuhr auch der Nowgoroder Kreml. Ein wichtiges Antriebsmotiv war der erwartete Besuch des Zaren Alexander II. zur Monumentseröffnung. Ungefähr eine Woche vor den Feiern zogen in Nowgorod Militäreinheiten ein, die für die Sicherheit der Zarenfamilie sorgen und an der Parade am Eröffnungstag teilnehmen sollten. Sie setzten sich aus den Garderegimentern der Infanterie, Kavallerie und Artillerie zusammen. Allein aus Sankt Petersburg kamen etwa 6.000 Soldaten, insgesamt etwa 10.000. Als Hauptkommandierender wurde Großfürst Nikolai Nikolajewitsch bestimmt. Die Vielzahl der Militärs war unter anderem auch durch Gerüchte von einem geplanten Attentat auf den Zaren bedingt. Im Jahr 1881 fiel Alexander II. tatsächlich einem Mordanschlag zum Opfer. Den Beginn der Feierlichkeiten markierten fünf Artilleriesalven aus 62 Kanonen. Die eingeladenen Gäste saßen auf speziell errichteten Tribünen. Dem Zaren wurde ein kunstvolles Album mit den Abbildungen der Nowgoroder Geschichte überreicht. Nach einer Kreuzprozession und einer Liturgie in der Sophienkathedrale wurde auf dem Kremlplatz eine Militärparade abgehalten und das Monument feierlich enthüllt. Gegen Abend wurde die mit Fahnen verzierte Stadt festlich beleuchtet, es gab ein Feuerwerk. Für das Volk gab es ein Straßenfest mit Musik und Unterhaltung. Die Festlichkeiten dauerten insgesamt drei Tage. GeschichteNach der Oktoberrevolution kam aus Moskau im Jahr 1925 die Anordnung, das „Denkmal für Orthodoxie und Zarentum“ abzureißen. Die lokalen Behörden entschieden sich jedoch dafür, das Monument zu „verstecken“. Um es herum wurde eine Konstruktion aus Holzbrettern errichtet, auf der verschiedene revolutionäre Plakate und Transparente hingen. Sie diente auch gelegentlich als Redebühne bei lokalen Versammlungen. So überdauerte das Denkmal bis zum Beginn des Großen Vaterländischen Krieges. Am 15. August 1941 wurde Nowgorod von der deutschen Wehrmacht besetzt. General von Herzog aus dem Stab der Armee, die Leningrad belagerte, befahl, das Monument zu demontieren und die Einzelteile nach Deutschland zu verfrachten. Im Dezember 1943 begannen die Deutschen, das Monument zu zersägen, bereits am 20. Januar 1944 wurde Nowgorod jedoch von der Roten Armee befreit. Zu diesem Zeitpunkt bot das Denkmal einen traurigen Anblick. Das Postament war bis auf die unteren Reste des Reichsapfels absolut leer, die beschädigten großen Figuren der mittleren Ebene lagen auf dem ganzen Kremlplatz verstreut im Schnee. Das drei Meter hohe Kreuz lag verbogen auf dem Boden. Viele Details wie Schwerter, Zepter oder Schilder waren spurlos verschwunden. Gleich nach der Befreiung der Stadt wurde ein rascher Wiederaufbau des Monuments beschlossen. Eine wichtige Rolle spielte, dass im Verlauf des Krieges patriotische und historische Vorbilder gezielt eingesetzt wurden, um die Kampfmoral der Truppen zu steigern, so dass sich das Verhältnis zum Monument in Vergleich zur Vorkriegszeit entscheidend veränderte. Mit dem Wiederaufbau wurde das Leningrader Architekturkomitee beauftragt. Im Verlauf der Restaurierung mussten 1500 fehlende Details neu gefertigt werden. Das Denkmal wurde bereits zum 2. November 1944 fertig, als seine zweite feierliche Eröffnung stattfand. AufbauDas Monument ist von einer Vielzahl ineinander verketteten Symbolismen gekennzeichnet. Es ist wie ein gigantischer Reichsapfel aufgebaut, der sich auf einem glockenähnlichen Postament befindet. Von seinen Umrissen her verbindet das Monument die Mütze des Monomachs, das Symbol der autokratischen Zarenmacht, mit der Nowgoroder Wetsche-Glocke, dem Symbol der demokratischen Selbstverwaltung, einem Ausdruck der seit 1861 einsetzenden liberalen Reformen. Von oben nach unten ist das Monument in drei Segmente oder Ebenen aufgeteilt, die dem im Russischen Reich verbreiteten Nationalspruch reflektieren: Orthodoxie, Autokratie, Volkstum (Православие, самодержавие, народность). Auf dem Reichsapfel bzw. der oberen Ebene befinden sich die Figuren eines Engels, der ein christliches Kreuz hält, und eine kniende Frau, die Russland verkörpert (der Landesname Rossija ist weiblich) und vom Engel gesegnet wird. Rund um den Reichsapfel sind in der mittleren Ebene sechs thematischen Skulpturgruppen mit insgesamt 17 größeren Figuren aufgestellt, die sechs wichtige Etappen in der russischen Geschichte darstellen. Der Reichsapfel, der die Macht des Zaren symbolisiert, ist mit einem Ornament aus Kreuzen überzogen, was die Einheit der Kirche und der Selbstherrschaft bedeutet. Zusätzlich ziert ihn ein altslawisch stilisierter Schriftzug „Dem vollendeten Jahrtausend des russischen Staates im Jahr 1862“. In der unteren Ebene des Monuments befindet sich ein Fries Nikolai Lawerezkis, in dem die Reliefs von 109 historischen Persönlichkeiten Russlands zu finden sind. Sie repräsentieren die russische Gesellschaft, welche die autokratische Macht des Zaren stützt. Insgesamt beinhaltet das Monument 128 menschliche Figuren. Die Gesamthöhe des Denkmals beträgt 15,7 m, davon beträgt die Höhe des Postaments etwa 6 m, die des Reichsapfels 6,7 m und die des Kreuzes 3 m. Der Durchmesser des Monuments beträgt 9 m, des Reichsapfels 4 m und der gesamte Umfang 27 m. Das Gewicht des Metalls beläuft sich auf 100 Tonnen, während das gesamte Monument ungefähr 10.000 Tonnen wiegt. Figuren der mittleren Ebene
Figuren der unteren Ebene
VerschiedenesDie Figuren auf dem Monument mussten während der Planungsphase von Zar Alexander II. höchstpersönlich akkreditiert werden. Auf dem Monument fehlt gänzlich ein Abbild Iwans IV. des Schrecklichen. Dies geschah aus Rücksicht auf die Bürger Nowgorods, da die Stadt unter seiner Herrschaft durch ein Massaker an der Bevölkerung im Jahr 1570 besonders gelitten hatte. Starke Bedenken gab es um die Aufnahme von Nikolaus I., dessen reaktionäre Politik in einem Gegensatz zur liberalen Politik Alexanders II. stand und Russland in die Niederlage des Krimkriegs führte. Letztlich wurde er jedoch mit Hinblick auf immer noch zahlreiche Kreise, die ihm nahegestanden hatten, in die Liste der Figuren aufgenommen. Um viele Figuren entbrannten regelrechte ideologisch motivierte Streite, die vor allem besonders freidenkerische und kritische Autoren wie Lermontow, Schukowski, Gribojedow und andere betrafen. Nur mit Mühe gelang es Mikeschin, den Zaren von der Notwendigkeit zu überzeugen, Nikolai Gogol aufzunehmen. Antioch Kantemir fiel dagegen der Zensur zum Opfer. Auch Taras Schewtschenko, der während der Bauphase verstarb und als Ergänzung in Frage kam, musste ausgelassen werden. Von den weiteren herausragenden Persönlichkeiten fehlt auch der Flottenführer Fjodor Uschakow. WeblinksCommons: Millennium of Russia – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Literatur
Koordinaten: 58° 31′ 16,1″ N, 31° 16′ 30,9″ O |