Naftali Bezem wurde 1924 in Essen als jüngster Sohn des letzten Küsters der dortigen Synagoge vor deren Zerstörung während der Novemberpogrome 1938 geboren. Seine Eltern waren polnische Staatsbürger jüdischen Glaubens.[2][3] Ende Oktober 1938 wurden Bezem und seine Familie im Rahmen der Polenaktion nach Bentschen an die deutsch-polnische Grenze deportiert und am Bahnhof Zbąszynek interniert. Noch vor dem deutschen Überfall auf Polen konnte Naftali Bezem Polen mit Hilfe der als Zusammenschluss verschiedener Organisationen 1932 gegründeten Kinder- und Jugend-Alijah verlassen, der in Verbindung mit dem Preußischen Landesverband Jüdischer Gemeinden die Auswahl und Vorbereitung der 13- bis 17-Jährigen zur Auswanderung nach Palästina oblag. Seine Eltern, die Naftali Bezem 1939 das letzte Mal sahen, wurden in dem unter der deutschen Besatzung organisierten Holocaust ermordet.
Von 1943 bis 1946 studierte er an der Bezalel-Kunst-Akademie in Jerusalem, unter anderen bei dem Pädagogen und Künstler Mordechai Ardon, der unter dem Namen Max Bronstein am Bauhaus in Weimar und Dessau Schüler bei Johannes Itten und Paul Klee gewesen war. Als 23-jähriger Meisterschüler Ardons gab Bezem jüdischen Emigranten Kunstunterricht. Ein dreijähriger Studienaufenthalt in Paris schloss sich an.
Meine Geschichte entläßt mich nicht, so kommentierte Bezem seine künstlerischen Arbeiten gelegentlich.[4] Immer wieder kehren Bildmetaphern wieder: Eltern am Sabbat-Tisch, brennende Leuchter, der Hahn als das „laute Opfer“ und der Fisch als das „leise Opfer“, die Leiter für Heimkehr und Aufstieg, das Boot der Fliehenden. – Als seine wohl berühmtesten Werke gelten das 1970 geschaffene vierteilige Wandrelief („Vernichtung“, „Widerstand“, „Alija“ und „Wiedergeburt“) in Yad Vashem in Jerusalem zur Erinnerung an die ermordeten Juden Europas während der Shoah sowie die Deckengestaltung der Empfangshalle der Residenz des israelischen Präsidenten.
„ANGESICHTS EINER SKIZZE VON NAFTALI BEZEM // singen lauthals die drosseln der tod ist noch frisch / stille erlischt schon bleu dieu ciel lebewohl gibt / gedenken frei bricht entzwei leuchter / fackeln sem den fisch // aufgetischt sind blick und schrei und dabei denken / an den laut des lichts hell keinen deut nichts ist schweigen / gestillt mein sem aufs geratewohl / sind leben und tod // ein und dasselbe / im gedenken und hoffen / zeit der aussagen“
1970: Jerusalem / Wandrelief in der Eingangshalle Gedenkstätte für die Opfer des Naziterrors in Europa Yad Vashem und die Ausgestaltung der Decke der Empfangshalle der Residenz des israelischen Präsidenten
1976: Paris / Einzelausstellung
1977: Boston und Philadelphia / Einzelausstellungen
1991: Debbs-Ferry (Hudson-River, USA) / Glasfenster in der Synagoge
1992: Essen / Einzelausstellung des Museum Folkwang in der Alten Synagoge Essen
2013: Tel Aviv, Museum of Art / Einzelausstellung[8]
Ehrungen
1957: Dizengoff-Preis für Bild Im Hof des II. Tempels
1973: Prämierung seiner Veröffentlichung von Reproduktionsbänden auf der Jerusalemer Buchmesse
Literatur / Publikationen (Auswahl)
Naftali Bezem: Laments – Drawings, 1962.
Art Israel. 26 painters and sculptors. Exhibition. Mit Werken von Morcedai Ardon, N. Bezem (Essen), I. Danziger (Berlin), M. Gross, S. Haber, Anna Ticho (Wien), Y. Tumarkin (Dresden) u. a.; New York / Museum of Modern Art, 1964.
Naftali Bezem: Der letzte Schabbat (1980), 10-Farben-Siebdruck, exklusiv vom Künstler, einem Sohn des letzten Küsters der während des Pogroms 1938 zerstörten Essener Synagoge, gestiftete Beilage in: Die Synagoge in Essen. = Faksimile-Druck des im Jahre 1914 in Berlin erschienenen Buches von Edmund Körner Die Neue Synagoge Essen Ruhr. Mit Text von Richard Klapheck. (13. Sonderheft der Architektur des XX. Jahrhunderts als limitierte Lizenzausgabe der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit e.V.), Essen (1980); beigelegt der 10-Farben-Siebdruck Der letzte Schabbat (1980) von Naftali Bezem, einem Sohn des letzten Küsters der Essener Synagoge, als exklusiv vom Künstler gestiftete Beilage.
The Passover Haggadah. Illustrated by Naftali Bezem(M. M. Ben-Dov: Caligraphy); Tel Aviv, 1982.
Naftali Bezem. Eine Ausstellung des Museum Folkwang in der Alten Synagoge Essen, 21. Februar – 5. April 1992. Herausgegeben vom Museum Folkwang Essen, Redaktion Gerhard Finckh. Essen 1992; mit den Beiträgen Alltagssynagoge und Hoffnungsstraße. Erinnerungen an Essen in den dreißiger Jahren von Michael Zimmermann: Naftali Bezem – ein israelischer Künstler von Edna Brocke, Wen entläßt schon die eigene Geschichte? von Matthias Kohn und Naftali Bezem von Gerhard Finckh.
↑Naftali Bezem. Eine Ausstellung des Museum Folkwang in der Alten Synagoge Essen, 21. Februar – 5. April 1992. Herausgegeben vom Museum Folkwang Essen, Redaktion Gerhard Finckh. Essen 1992; mit den Beiträgen Alltagssynagoge und Hoffnungsstraße. Erinnerungen an Essen in den dreißiger Jahren von Michael Zimmermann, Naftali Bezem – ein israelischer Künstler von Edna Brocke, Wen entläßt schon die eigene Geschichte? von Matthias Kohn und Naftali Bezem von Gerhard Finckh.
↑Vgl. auch: Geschichte und Schicksal der Essener Juden. Gedenkbuch. Herausgegeben von der Stadt Essen, 1980; darin: Hermann Schröter: Naftali Bezem, ein Künstler aus Essen (S. 129–132) und Weltz-Bezem, Naphtali (Leo) (S. 764f.)
↑Gerd Hergen Lübben: YDBY ZEIT NÄCHTE ZU WACHEN. Gedichte (1993), S. 39, „Cante jondo“ in FEUERFUSS MEINETWEGEN ODER DIE ZEBATTU-PENTADE. Fünf Stücke (1993), S. 160 und 1.1 »Semaphorismus« │Angesichts einer Skizze von Naftali Bezem in VERSIONEN I 2014, ISBN 978-3-95577-773-9.
↑Angela Levine: Naftali Bezem – Art with an Agenda; in: Midnight East, an online magazine dedicated to obsessive involvement with the Israeli cultural scene (an insider's perspective on Israeli culture), 8. Januar 2013.