Kleist-Preis

Der Kleist-Preis ist ein deutscher Literaturpreis.

Erste Epoche

Der Preis wurde erstmals 1912 anlässlich des 101. Todestages von Heinrich von Kleist auf Anregung von Fritz Engel (1867–1935), Redakteur des Berliner Tageblatts, durch die Kleist-Stiftung vergeben. Zweck der Stiftung:

„Ehrengaben aufstrebenden und wenig bemittelten Dichtern deutscher Sprache, Männern und Frauen, zu gewähren.“

Den Gründungsaufruf unterzeichneten 59 namhafte Persönlichkeiten des deutschen Sprachraums, darunter Otto Brahm, Richard Dehmel, Fritz Engel, Maximilian Harden, Hugo von Hofmannsthal, Fritz Mauthner, Walter Rathenau, Max Reinhardt, Arthur Schnitzler, Hermann Sudermann, Theodor Wolff.

Angeregt von Richard Dehmel, beschloss bereits vor der ersten Verleihung der satzungsgemäß befugte mehrköpfige Kunstrat der Stiftung, nicht mit Stimmenmehrheit zu entscheiden, „vielmehr soll […] die endgültige Entscheidung für je ein Jahr ausschließlich bei einem einzigen Vertrauensmann liegen.“ Zur Begründung: Der Kleistpreis soll neue und ungewöhnliche Begabungen unterstützen. Mehrheiten entscheiden sich für das Durchschnittstalent, das es allen recht macht. „Nur ein einzelner kann sich rücksichtslos für das Außerordentliche einsetzen.“

Der Kleist-Preis war die bedeutendste literarische Auszeichnung der Weimarer Republik. Die Kleist-Stiftung wurde 1933/1934 unter ungeklärten Umständen aufgelöst.

Preisträger

Jahr Preisträger[1] Ausgezeichnete(s) Werk(e) Vertrauensperson
1912 Hermann Burte Wiltfeber Richard Dehmel
Reinhard Sorge Der Bettler, eine dramatische Sendung
1913 Hermann Essig Der Held vom Wald Jakob Schaffner
Oskar Loerke Wanderschaft
1914 Hermann Essig Des Kaisers Soldaten Arthur Eloesser
Fritz von Unruh Louis Ferdinand Prinz von Preußen
1915 Robert Michel Die Häuser an der Džamija Paul Wiegler
Arnold Zweig Ritualmord in Ungarn
1916 Heinrich Lersch Die große Schmiede Karl Strecker
Agnes Miegel Künstler
1917 Walter Hasenclever Antigone Bernhard Kellermann
1918 Leonhard Frank Der Mensch ist gut Heinrich Mann
Paul Zech An Heinrich von Kleist
1919 Dietzenschmidt Christopher (Drama) & König Tod (Novellenband) Franz Servaes
Kurt Heynicke Das namenlose Angesicht. Rhythmen aus Zeit und Ewigkeit
1920 Hans Henny Jahnn Pastor Ephraim Magnus Oskar Loerke
1921 Paul Gurk Thomas Münzer Julius Bab
1922 Bertolt Brecht Trommeln in der Nacht, Baal & Im Dickicht Herbert Ihering
1923 Wilhelm Lehmann Weingott Alfred Döblin
Robert Musil Die Schwärmer
1924 Ernst Barlach Die Sündflut Fritz Strich
1925 Carl Zuckmayer Der fröhliche Weinberg Paul Fechter
1926 Alexander Lernet-Holenia Österreichische Komödie, Ollapotrida & Demetrius Bernhard Diebold
Alfred Neumann Der Teufel
1927 Gerhard Menzel Tobboggan Monty Jacobs
Hans Meisel Torstenson
1928 Anna Seghers Aufstand der Fischer von St. Barbara & Grubetsch Hans Henny Jahnn
1929 Alfred Brust Die verlorene Erde Wilhelm von Scholz
Eduard Reinacher Der Bauernzorn
1930 Reinhard Goering Die Südpolexpedition des Kapitäns Scott Ernst Heilborn
1931 Ödön von Horváth Sämtliche dramatische Dichtungen Carl Zuckmayer
Erik Reger Union der festen Hand
1932 Richard Billinger Rauhnacht Erich Ziegel
Else Lasker-Schüler Dichterisches Lebenswerk

Literatur

  • Helmut Sembdner (Hrsg.): Der Kleistpreis 1912–1932: Eine Dokumentation. Erich Schmidt, Berlin 1968. (Neudruck mit den Korrekturen und Ergänzungen nach Helmut Sembdners Handexemplar: Kleist-Archiv Sembdner, Heilbronn 2015. (Heilbronner Kleist-Reprints))
  • Hans Joachim Kreutzer: Der Kleist-Preis 1912–1932 – 1985. Rede zu seiner Wiederbegründung. In: Kleist-Jahrbuch. 1986, S. 11–18.

Der erneuerte Kleistpreis

1985 wurde auf der Jahrestagung der 1960 neu gegründeten Heinrich-von-Kleist-Gesellschaft beschlossen, den Preis wieder zu vergeben. Auch in der erneuerten Stiftung entscheidet eine jährlich bestimmte Vertrauensperson darüber, wem der Preis zuerkannt wird. Zwischen 1994 und 2000 wurde der Preis nur jedes zweite Jahr vergeben, seitdem wieder jährlich. Die Preissumme von 20.000 Euro (Stand 2023) wird von der Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck, dem Beauftragten der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien, der Senatsverwaltung für Wissenschaft und Forschung (Berlin) und dem Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg gestiftet (Stand Frühjahr 2023).

Preisträger

Jahr Preisträger Ausgezeichnetes Werk Vertrauensperson
1985 Alexander Kluge Die Macht der Gefühle Helmut Heißenbüttel
1986 Diana Kempff Der Wanderer Joachim Kaiser
1987 Thomas Brasch Robert, ich, Fastnacht und die anderen (Hörspiel) Christa Wolf
1988 Ulrich Horstmann Günter Kunert
1989 Ernst Augustin Der amerikanische Traum Adolf Muschg
1990 Heiner Müller Hamletmaschine Beatrice von Matt
1991 Gaston Salvatore Lektionen der Finsternis Hans Magnus Enzensberger
1992 Monika Maron Stille Zeile Sechs Marcel Reich-Ranicki
1993 Ernst Jandl Gesamtes Lebenswerk Ulrich Weinzierl
1994 Herta Müller Herztier Walter Hinck
1996 Hans Joachim Schädlich Der Kuckuck und die Nachtigall Ruth Klüger
1998 Dirk von Petersdorff Wie es weitergeht & Zeitlösung Lars Gustafsson
2000 Barbara Honigmann Alles, alles Liebe! Luc Bondy
2001 Judith Hermann Sommerhaus, später Michael Naumann
2002 Martin Mosebach Eine lange Nacht, Der Nebenfürst & Das Grab der Pulcinellen Brigitte Kronauer
2003 Albert Ostermaier Vatersprache Andrea Breth
2004 Emine Sevgi Özdamar Seltsame Sterne starren zur Erde. Wedding – Pankow 1976/77 Hermann Beil
2005 Gert Jonke Seltsame Sache & Die versunkene Kathedrale Jürgen Flimm
2006 Daniel Kehlmann Ich und Kaminski & Die Vermessung der Welt Uwe Wittstock
2007 Wilhelm Genazino Mittelmäßiges Heimweh Ulrich Matthes
2008 Max Goldt Gesamtes Werk Daniel Kehlmann
2009 Arnold Stadler Einmal auf der Welt. Und dann so Péter Esterházy
2010 Ferdinand von Schirach Verbrechen Bernd Eilert
2011 Sibylle Lewitscharoff Blumenberg Martin Mosebach
2012 Navid Kermani[2] Gesamtes Werk Norbert Lammert
2013 Katja Lange-Müller[3] Gesamtes Werk Nike Wagner
2014 Marcel Beyer[4] Gesamtes Werk Hortensia Völckers
2015 Monika Rinck[5] Gesamtes Werk Heinrich Detering
2016 Yōko Tawada Ulrike Ottinger
2017 Ralf Rothmann Hanns Zischler
2018 Christoph Ransmayr[6] László F. Földényi[6]
2019 Ilma Rakusa[7] Yōko Tawada
2020 Clemens J. Setz[8] Daniela Strigl
2022 Esther Kinsky[9] Paul Ingendaay[9]
2023 Thomas Kunst[10] Feridun Zaimoglu
2024 Sasha Marianna Salzmann[11] Samira El Ouassil

Aktuelle Diskussion

Im Verständnis der Kleist-Stiftung ist der Preis eine „Ehrengabe“. Sie soll nach Satzung der Kleist-Stiftung von 1912 an „aufstrebende und wenig bemittelte Dichter deutscher Sprache“ gehen. Am erneuerten Kleist-Preis wird neuerdings kritisiert, er sei überwiegend, wenn nicht gar ausschließlich an Autoren vergeben worden, die bereits mit Erfolg hervorgetreten waren.[12] Gewiss verdienten die meisten eine Auszeichnung, aber eben nicht den Kleist-Preis.

Einzelnachweise

  1. kleist.org (Memento vom 4. Mai 2012 im Internet Archive)
  2. Navid Kermani erhält Kleist-Preis 2012. In: Saarbrücker Zeitung. (Kultur), 21. August 2012, S. B4.
  3. Auszeichnung: Katja Lange-Müller erhält Kleist-Preis. (Memento vom 24. Januar 2016 im Internet Archive) In: Kölnische Rundschau. Kultur, 17. Mai 2013, abgerufen am 17. Mai 2013.
  4. Buchmarkt.de vom 12. Mai 2014: Hortensia Völckers verleiht den Kleist-Preis an Marcel Beyer, abgerufen am 12. Mai 2014.
  5. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 2. Mai 2015, S. 13.
  6. a b orf.at: Kleist-Preis geht an Christoph Ransmayr. Artikel vom 14. Februar 2018, abgerufen am 14. Februar 2018.
  7. Kleist-Preis für Schweizer Schriftstellerin Ilma Rakusa
  8. Kleist-Preis 2020 geht an Clemens J. Setz (Memento vom 25. Oktober 2020 im Internet Archive)
  9. a b Kleist-Preis 2022 an Schriftstellerin Esther Kinsky. In: Wiener Zeitung. 4. April 2022, abgerufen am 4. April 2022.
  10. Kleist-Preis 2023 geht an Thomas Kunst, wdr.de, veröffentlicht und abgerufen am 30. März 2023.
  11. Kleist-Preis für Sasha Marianna Salzmann, deutschlandfunk (3. Mai 2024), abgerufen am 3. Mai 2024
  12. zur Altersstruktur siehe Kleist-Preis: Alter der Preisträger, PDF (6,8 KB)