Walter Hasenclever wurde 1890 als erster Sohn des Mediziners und Sanitätsrats Carl Hasenclever (1855–1934) und dessen Frau Anni[2], auch Mathilde Anna, geb. Reiss (1869–1953) in unmittelbarer Nachbarschaft der Spinnerei Startz in Aachen geboren. Dort erinnert heute eine Gedenktafel an der Barockfabrik, Löhergraben 22, an ihn. Er war ein Enkel des Landrats Georg Hasenclever und des Tuchfabrikanten Kommerzienrat Alfred Reiss, der jüdischer Abstammung war[3]. Walter hatte zwei Geschwister, Paul (1897–1988) und Marita (1902–1993).
Nach dem Abitur 1908 begann er ein Jurastudium in Oxford, wo er die Schauspielerin Greta Schröder (1892–1980, 1915 verheiratet mit Ernst Matray und 1927 mit Paul Wegener) kennen lernte; es entstand eine langjährige Freundschaft. Bereits nach einem Semester wechselte er nach Lausanne, nach einem weiteren Semester nach Leipzig. Während seines Studiums in Leipzig (1909 bis 1914) wurde sein Interesse an Literatur und Philosophie geweckt. 1909 publizierte er sein Drama Nirwana in einem Berliner Selbstkostenverlag.[5] 1910 erschien sein erster Gedichtband Städte, Nächte und Menschen. 1914 gelang ihm mit dem Stück Der Sohn das erste große Werk des expressionistischen Dramas.
Seine Kriegsbegeisterung, die ihn zur freiwilligen Meldung zum Kriegsdienst bewogen hatte, wandelte sich bald in eine Ablehnung des Krieges. Wegen seiner psychischen Belastung wurde er 1917 vom Militär entlassen. Der Psychiater Fritz Neuberger wies ihn in das Nervensanatorium Dr. Teuscher ein. In dieser im Villenviertel Weißer Hirsch in Dresden gelegenen Anstalt waren zur selben Zeit auch Oskar Kokoschka und Iwar von Lücken als Patienten anwesend.[6] Auf dem 1917/18 entstandenen Gemälde „Die Freunde“ stellte Kokoschka Hasenclever als einen dieser Freunde dar.[7]
1917 erhielt Walter Hasenclever den Kleist-Preis für seine leidenschaftliche Adaption des Antigone-Stoffes von Sophokles.
1924 lernte er Kurt Tucholsky kennen. Mit großem Erfolg veröffentlichte er 1926 die KomödieEin besserer Herr und 1928 die Komödie Ehen werden im Himmel geschlossen; um das Stück über die Ehe entwickelte sich bald eine Kontroverse in Wien.[8] 1929 bis 1932 wohnte Hasenclever in Berlin und reiste durch Europa und Nordafrika.[9] 1930 arbeitete er als Drehbuchautor für die Filmgesellschaft Metro-Goldwyn-Mayer (MGM), indem er die deutsche Fassung des Filmes Anna Christie erstellte, in dem Greta Garbo Hauptdarstellerin war. Sie lernte er auch in Hollywood kennen und widmete ihr ein liebevolles Feuilleton Begegnung mit Greta Garbo (1931).[10] Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten wurden seine Werke verboten und nach der Bücherverbrennung aus den Bibliotheken entfernt. Hasenclever ging daraufhin ins Exil nach Nizza. 1934 heiratete er dort Edith Schäfer. Am 27. September 1938 macht das Reichsministerium im deutschen Reichsanzeiger die „Ausbürgerung des Juden Walter Hasenclever“ bekannt[11]. Während des Zweiten Weltkriegs wurde er als „feindlicher Ausländer“ in Frankreich zweimal (u. a. im Fort Carré in Antibes) interniert. Nach der Niederlage Frankreichs nahm er sich in der Nacht vom 21. auf den 22. Juni 1940 im InternierungslagerLes Milles bei Aix-en-Provence mit einer Überdosis Veronal das Leben, um nicht den Nazis in die Hände zu fallen. Sein Grab befindet sich in Aix-en-Provence auf dem Cimetière Saint-Pierre[12].
In Aachen erinnert eine Gedenktafel an das Geburtshaus von Walter Hasenclever, am Fabrikgebäude Löhergraben 22, heute das Kulturzentrum Barockfabrik.
In einem Garten direkt nebenan wurde 2023 ein Denkmal eingeweiht, das von Bonifatius Stirnberg entworfen wurde und Hasenclever sitzend an einem Tisch zeigt.
Am ehemaligen Sitz des Kurt Wolff Verlags in Leipzig erinnert eine Gedenktafel an die Autoren der expressionistischen Generation, die in der Buchreihe Der jüngste Tag zu Wort kamen, darunter auch Walter Hasenclever.
In Berlin-Wilmersdorf erinnert eine Gedenktafel an ihn und seinen Wohnsitz, wo Hasenclever von 1930 bis 1932 am Haus Ludwig-Barnay-Platz 3 in der Künstlerkolonie Berlin seine Zeit verbrachte.
Die Hasencleverstraße in Aachen-Burtscheid, in Bremen-Obervieland, Ortsteil Habenhausen, und im Hamburger Stadtteil Horn wurden nach ihm benannt.
In Sanary-sur-Mer erinnert eine Gedenktafel am Fremdenverkehrsbüro an die deutschen und österreichischen Schriftsteller sowie deren Angehörige und Freunde, die dort auf der Flucht vor der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft zusammenkamen.
Marlen Mertens: Vatersuche und Vatermord. Der Vater-Sohn-Konflikt am Beispiel von Walter Hasenclevers ‹Der Sohn› und Arnolt Bronnens ‹Vatermord›. Diss. Hannover 2014.
Ausführliches Lemma in Killy Literaturlexikon, Band Har – Hug, S. 57–60 (online einsehbar), von Dieter Breuer. Umfangreiche Literatur.
↑Karl Otten: Europa lag in Aachen. Zitiert nach: Gregor Ackermann, Werner Jung (Hrsg.): Verstaubte Liebe. Literarische Streifzüge durch Aachen. Aachen 1992, Seite 145.
↑Laut Hasenclevers eigener Aussage finanzierte er den geforderten Druckkostenzuschuss i. H. v. 900 Mark mit Geld, das er in Oxford beim Pokern gewonnen hatte. Der Berliner Selbstkosten-Herstellerverlag Carl Wigand Modernes Verlagsbureau druckte angeblich 1.000 Exemplare, verkauft wurden aber nur 10. Walter Hasenclever, Pariser Feuilletons 1927–1932 [Band III.2]. Von Hase & Koehler: Mainz 1996, S. 101.
↑Helmut Borth: Camminer Gespräche. BoD Books on Demand, Norderstedt, 2019, ISBN 978-3-7347-7566-6. Kapitel Prinzessin, Boheme und Domina (Seite 155–164). Google Books