In der Heimat seiner Kindheit in der Neumark erlebte Hans-Tewes Schadwinkel im Verlauf des Zweiten Weltkrieges Tod und Gewalt; Erfahrungen, die er später in verschiedenen Bildwerken verarbeitete. Als Siebenjähriger floh er 1945 in das spätere Land Niedersachsen.[5]
Da er im Studium zwar die Theorie, nicht aber die zum Gestalten notwendige Werkzeugkunde vermittelt bekam, kaufte er, auf Flohmärkten, in Werkstätten und auf Schrottplätzen, die verschiedensten Werkzeuge wie Beile und Äxte für die Holzbearbeitung, um diese in der Praxis auszuprobieren. So entstand auf seinem alten Bauernhof in Mehrum, den er in den 1970er Jahren bezog, schließlich eine museale Sammlung mit tausenden von Klingen, aus vorchristlicher Zeit über das Mittelalter bis in die Moderne. Aus dem Vergleich ihrer Materialien und Formen – slawische Klingen beispielsweise waren stärker gekrümmt als die germanischen[3] – veranlassten Schadwinkel zu verschiedenen Fachpublikationen wie dem dann in dritter Auflage erschienenen NachschlagewerkDas Werkzeug des Zimmermanns,[7] das kulturgeschichtlich beispielsweise für Exponate des Germanischen Nationalmuseum als Referenz dient.[8] Teile aus Schadwinkels umfangreicher Zimmererwerkzeug-Sammlung wurden 1985 mit der Ausstellung Arbeitsgeschirr deutscher Zimmerleute ... im Niederrheinischen Museum für Volkskunde und Kulturgeschichte in Kevelaer sowie im Kreismuseum Zons in Dormagen gewürdigt.[9]
Bereits während seines Studiums wurde Schadwinkel 1971 mit der Verleihung des Gropiuspreises der Landeshauptstadt Hannover ausgezeichnet.[1]
Ab 1974 arbeitete er als freischaffender Künstler.[1] In der Folgezeit schuf er Stücke zur Thematik „Gewalt am menschlichen Körper“ vor allem mit den Materialien Holz und Stein, während er seine ungegenständlichen Skulpturen zumeist aus Metallteilen zusammenfügte.[10]
Im gleichen Jahr zog Hans-Tewes Schadwinkel zusammen mit seiner Ehefrau Liselotte (geb. Boehme) von Hannover/List in das Dorf Mehrum, weil sich dort bessere räumliche Arbeitsbedingungen für einen Bildhauer in einer großen Scheune und viel Freifläche ergaben.
Unterdessen war er 1986 – gemeinsam mit Kunstschaffenden wie Ulla Nentwig, Markus Jung, Matthias Kadolph, Jürgen Scholz – von der Stadt Langenhagen zum I. Langenhagener Bildhauersymposium eingeladen unter dem Titel „Augenblicke“. Schadwinkels auf dem Symposium geschaffene Skulptur Stück über Gewalt wurde anschließend im Stadtpark Langenhagen aufgestellt.[5]
Mit dem Fall der Berliner Mauer 1989 und den folgenden gesellschaftlichen Veränderungen ergab sich ein gravierender Einschnitt in die künstlerische Arbeitsweise von Schadwinkel. Die Darstellungen körperlicher Qual und Gewalt verloren an Bedeutung, der Künstler wechselte zum Material Stahl und erforschte für sich die Wirkung filigraner Metallgebilde im gedachten Raum. Hier fand Schadwinkel für die folgenden Jahre eine Erweiterung seines gestalterischen Spektrums.
1999 beauftragte die Geschäftsleitung der Ilseder Hütte Hans-Tewes Schadwinkel, ein Gestaltungskonzept für einen Teil des derzeit ungenutzten Freigelände zu entwickeln. 1978 wurde hier der Erzabbau eingestellt, ebenso 1983 auch der Hochofenbetrieb. Schadwinkel plante, einige aufgeständerte Rohrkonstruktionen als Fragmente auf dem Gelände zu belassen. Weitere Stahlrohre wurden in einem neuen Gestaltungszusammenhang installiert. Mehrere Maschinenteile wurden auf dem Gelände als Skulpturen aufgestellt und erinnern hier an die frühere Verwendung. Das Areal mit den verbliebenen Gebäuden dient heute als Freizeitgelände mit Kulturveranstaltungen.
Im institutionellen Bereich engagierte sich der Künstler beispielsweise 2018 als Vorsitzender der Jury bei der Verleihung des 40sten Kunstpreises der Stadt Burgdorf.[11] und als Jurymitglied beim 'Alexander Dorner Kreis', Hannover.
Am 17. Mai 2019 verstarb seine Frau Liselotte in Mehrum. Hans-Tewes Schadwinkel selbst starb am 13. März 2024 im Alter von 86 Jahren.[12]
Zu seiner Arbeit formuliert Schadwinkel in seinem Katalog
„[…]Meine Kunst besteht aus einem nach-innen-horchen auf die eigenen Gefühle, in die eigenen Triebe. Diesem „was wäre wenn“, der Spannung des Täters und des Erdulders Ausdruck zu verleihen.
Im Anfang ist es nur der Trieb, der sich in Formen Bahn bricht, Aggression bis an den Rand des Zerrissenwerdens. Ich muß körperlich arbeiten; je schwerer ich körperlich arbeite, um so wohler fühle ich mich.
Ich arbeite ohne Modell, am liebsten direkt an härteren Materialien, vorzugsweise in Holz, die Arbeit soll Spaß machen. Die Spannung des Machens und das, was dabei rauskommt, muß bis zum Endpunkt erhalten bleiben.
Die Beschränkung auf ein vorgegebenes Volumen, etwa das eines Holzbalkens oder
Steinblocks ist Freiheit und gleichzeitig Zwang. Die Freiheit liegt in der Möglichkeit, ein ganzes Volumen ausnutzen zu können, der Zwang liegt in der Beschränkung.
Die Skulpturen und Zeichnungen haben weder Titel noch Entstehungsdaten. Sie sind überwiegend in den Jahren zwischen 1972 und 1987 entstanden.
Eine Vorstellung, Idee, Formidee zu haben und sie gegen das Material oder in das Material reinzuarbeiten und das Material soweit zu entmaterialisieren, daß am Ende nicht das Material bestimmend ist, sondern die Form den Eindruck bestimmt, daß man nicht mehr sagt: das Stück Holz, sondern die Frau, der Mann, der Mensch – das ist immer wieder spannend und eine ganz harte Herausforderung. Es entsteht etwas Neues, eine erdachte, geistige, gewollte Form … Es ist das Bildhaftmachen einer Idee, der Versuch in eine Figur eine ganze Geschichte unterzubringen, ohne sie zu überfrachten.[…].“
Ausstellungen
Arbeiten von Hans-Tewes Schadwinkel wurden in Gemeinschafts- sowie in Einzelausstellungen (E) und Katalog (K) gezeigt:
2000: Skulpturenpark im Gewerbepark Ilseder Hütte:[6] 6 Arbeiten auf dem Hüttengelände[13]
Schriften
Ulrich Fließ, Hans-Tewes Schadwinkel, Robert Plötz: Arbeitsgeschirr deutscher Zimmerleute. Werkzeuge und Bilder. Sammlung Hans-Tewes Schadwinkel (Führer des Niederrheinischen Museums für Volkskunde und Kulturgeschichte Kevelaer, Bd. 14), illustrierter Katalog und Begleitschrift zur Ausstellung im Niederrheinischen Museum für Volkskunde und Kulturgeschichte Kevelaer vom 12. Mai bis 30. Juni 1985 und im Kreismuseum Zons vom 12. Juli bis 15. September 1985, Kevelaer, 1985
Die Arbeit der Zimmerleute (= Schriftenreihe des Freilichtmuseums Sobernheim, Nr. 12), Köln [i.e. Pulheim]: Rheinland-Verlag; Bonn: Habelt, 1988, ISBN 978-3-7927-1028-9 und ISBN 3-7927-1028-5
Hans-Tewes Schadwinkel, Günther Heine: Das Werkzeug des Zimmermanns, mit Fotos Heinz-Willi Thielen, Hannover: Th. Schäfer Verlag, 1986, ISBN 978-3-88746-070-9 und ISBN 3-88746-070-7
Rainer Köpsell: Werkzeuge, Skulpturen und die Liebe zum Eichenholz. Leidenschaftliches Sammeln und die Bildhauerei. In: Gesichter des Waldes: Leben und arbeiten in der Schatzkiste der Natur, herausgegeben von den Niedersächsischen Landesforsten, Husum: Husum, 2017
Michael Breitenbach: Psychologische und künstlerische Aspekte des plastischen Gestaltungsprozesses. Untersuchung am Werk des Bildhauers Hans-Tewes Schadwinkel. Schriftliche Arbeit zur Diplomhauptprüfung im Studiengang Kulturpädagogik / Fachbereich Kunst. Hildesheim 1985
Alzeyer Geschichtsblätter, hrsg. im Auftrag des Altertumsvereins für Alzey und Umgebung e.V. und der Stadt Alzey, Doppelband XXVII/XXVIII, S. 70
Maria Teresa Benedetti, Elgin von Gaisberg (Verf.), Schirin Fatemi, Hans-Tewes Schadwinkel (Konzeption und Gestaltung): Schirin Fatemi Horizonte, anlässlich der gleichnamigen Ausstellung im Museum Petersberg in Halle an der Saale vom 15. September bis 28. Oktober 2012, Texte in Deutsch und Italienisch, Mehrum: Edition Kunsthof, 2012, ISBN 978-3-00-039027-2; Inhaltsverzeichnis
Katrin Sello (Red.), Anne Barz: Hans-Tewes Schadwinkel, in dies.: Standpunkt Kunst – Standort Herrenhausen. Lehrende der Freien Kunst an der Fachhochschule Hannover, Katalog zur Ausstellung des Kunstvereins Hannover und der Fachhochschule Hannover vom 1. April bis 20. Mai 1984, Hannover: Th. Schäfer Druckerei, [o. D., 1984], S. 107
↑ abcdefghijklmnoVon Leichtigkeit und Schwere / Hans-Tewes Schadwinkel, Flyer zur Ausstellung bei Jorge la Guardia in der Galerie E-Damm 13, Engelbosteler Damm 13 [ohne Datum]; als PDF-Dokument auf der Seite galerie-e-damm13.de, zuletzt abgerufen am 24. Februar 2023
↑ abElizabeth Schwiontek (Red.): Hans-Tewes Schadwinkel. In: dies.: KunstKonturen - KünstlerProfile. Geschichte und Gegenwart des BBK Niedersachsen. hrsg. vom Bund Bildender Künstlerinnen und Künstler für Niedersachsen. BBK Niedersachsen, Hannover 1978, ISBN 3-00-002800-5, S. 230.
↑Harald Meyer: Erinnerungen aus Schrott, Artikel hinter Bezahlsperre auf der Seite der Peiner Nachrichten vom 1. Juli 2004, zuletzt abgerufen am 25. Februar 2023