Groß Gerungs liegt im Waldviertel (nordwestliches Niederösterreich) etwa 20 km westlich von Zwettl. Die Fläche der Stadtgemeinde umfasst 105,88 km². 38,72 Prozent der Fläche sind bewaldet.
Gemeindegliederung
Das Gemeindegebiet umfasst folgende 41 Ortschaften (in Klammern Einwohnerzahl Stand 1. Jänner 2024[1]):
Im 11./12. Jahrhundert gehörte der Ort zum Stammgebiet der Kuenringer. Dort wo heute das Ödenschlößl[2] steht, wurde 1160 eine Burg errichtet, die später zum Schloss ausgebaut wurde und nach 1600 verfiel.
Erstmals urkundlich erwähnt wurde Gerungs im Jahr 1261.[3]
Im Zuge der NÖ. Kommunalstrukturverbesserung wurden Anfang 1969 die Gemeinden Etzen, Heinrichs, Hypolz, Kleinwetzles, Oberkirchen, Oberrrosenauerwald und Wurmbrand eingegliedert. Anfang 1970 folgte die Gemeinde Griesbach, Anfang 1972 schließlich die Katastralgemeinde Kottingnondorf aus der aufgelösten Gemeinde Kirchbach.[4]
Katholische Pfarrkirche Etzen hl. Laurentius: Die romanische Landkirche aus dem 13. Jahrhundert erhielt im 15. Jahrhundert einen gotischen Sakristeianbau und wurde im Ende des 18. Jahrhunderts barockisiert.
Katholische Pfarrkirche Griesbach hl. Nikolaus: Der im Kern wohl spätromanische Bau mit einem gotischen Rechteckchor aus dem 14. Jahrhundert erhielt im 15. Jahrhundert einen spätgotischen Nordturm. 1797 wurde das Langhaus neu gewölbt, und 1868 mit zwei Jochen nach Westen erweitert.
Katholische Pfarrkirche Groß Gerungs hl. Margareta: Die Kirche ist eine im Kern romanische Ostturmkirche aus dem 12./13. Jahrhundert, die im 15. Jahrhundert gotisiert wurde. Im südlichen Seitenschiff befindet sich die Frauenkapelle von 1382, welche gotische Gewölbe enthält, die zur Zeit des Barock mit bemerkenswertem Stuck ausgestattet wurden.
Die beiden Häuser Nr. 68 und 69 bilden das sogenannte Ödenschlößl im Süden des Ortes und enthalten Mauerreste der alten Befestigung. Dort wurde um 1160 eine Burg errichtet, die später zum Schloss ausgebaut wurde und nach 1600 verfiel.
Die barocke Mariensäule am Hauptplatz trägt eine Rosenkranzmadonna.
An den Ausfallstraßen befinden sich mehrere sakrale Kleindenkmäler, z. B. ein spätgotischer Tabernakelbildstock von 1495 an der Straße nach Dietmanns.
Die Kraftarena: In der Umgebung Groß Gerungs befinden sich die Steinpyramide und mehrere Geotope, die unter dem Namen „Kraftarena“ touristisch beworben werden. Allen Objekten werden geomantische Eigenschaften zugeschrieben.
Der als Steinpyramide bezeichnete Stufenkegel liegt im Neuwald bei Ober Neustift und besteht aus kreisförmigen Ebenen mit einer Gesamthöhe von 6,8 m. Der Durchmesser der untersten Stufe beträgt 16,5 m, jener der obersten 7,2 m. Wann sie erbaut wurde und welchem Zweck sie diente, ist nicht restlos geklärt.
Sieben Meter im Durchmesser und ein Gewicht von 500 Tonnen hat die Weltkugel, ein rundlicher Granitrestling, der in seiner Form an den Globus erinnert und im Gebiet von Oberrosenauerwald Richtung Schloss Rosenau liegt.
Der rund 6 Meter lange Kierlingstein im Wald zwischen Böhmsdorf und Wurmbrand liegt auf vier großen Steinblöcken. Direkt auf dem Stein befindet sich eine etwa 40 cm tiefe Schale, die immer mit Wasser gefüllt ist. Diesem Wasser wird der Legende nach Heilwirkung zugeschrieben.[5]
Nordwestlich von Groß Gerungs bei der Ortschaft Thail befindet sich inmitten einer Baumgruppe ein auffälliger, drei Meter hoher „Opferstein“ mit einer großen Schalenbildung.
Im Pierbichlwald am Weg zur Klauskapelle lag ein 24 t schwerer Steinquader. Hochaufragend ruhte dieser, leicht hangwärts geneigt, auf einer riesigen Steinformation. Der Wackelstein konnte gerade noch von einer Person bewegt werden. Nachdem ein Wanderer den Stein im Oktober 2011 zum Wackeln gebracht hatte und schon heruntergestiegen war, kippte der Stein um und zerbrach in zwei Teile.[6] Der Wackelstein von Harruck, der auch als Naturdenkmal geführt wurde, war ein beliebtes Ausflugsziel.[7]
Lichtspiele Gerungs: Das erste Groß-Gerungser Kino wurde Anfang der 30er-Jahre im Gasthaus Hirsch am Hauptplatz von einem Ehepaar namens Schmidtner geführt. Frau Schmidtner spielte in den Pausen auf dem Klavier und begleitete auch öfter die gezeigten Stummfilme. Nach einigen Jahren übersiedelte man ins Gasthaus Kapeller (später bekannt als Gasthaus Höfner). Dort übernahm Herr Franz Benda, der auch Kapellmeister und Musiklehrer war, den Betrieb. Auch er sorgte für Musikuntermalung der Stummfilme. Jeden Sonntag gab es drei Vorführungen, wochentags wurde nicht gespielt. Wurden andere Veranstaltungen wie zum Beispiel Bälle im Saal abgehalten, so mussten die Sitze des Kinos abgebaut und danach wieder aufgestellt werden. 1938 wurden schließlich die bis heute bestehenden Räumlichkeiten am Unteren Marktplatz 25 gebaut. Im neuen Kino wurden erstmals Tonfilme gezeigt, die üblicherweise der Reklame und der anschließenden Wochenschau folgten. Zur Zeit des Nationalsozialismus waren die Kinos wichtige Propagandamedien für das Regime. In der Zeit der sowjetischen Besatzung wurden trotz der sowjetischen Kulturprogramme amerikanische Filme immer beliebter. Auch der romantisch verklärte Heimatfilm erlebte nach den düsteren Kriegsjahren seine Blüte. Nachdem 1947 Franz Benda plötzlich verstorben war, übernahm sein Neffe Alfred Benda die Geschäfte. Gemeinsam mit seiner Frau Leopoldine führte er das Kino bis 1997. Danach blieben die Räumlichkeiten leer. Am 21. September 2007 eröffnete der Kulturverein Yellow das Kino nach zweieinhalbmonatigen Renovierungsarbeiten wieder. Bis April 2012 wurden in monatlichem Rhythmus (mit Ausnahme Sommer- und Winterpause) Filmwochenenden veranstaltet. Seit Sommer 2012 betreuen Robert Edinger und der Jugendverein das Konzept und das Programmkino.
Wirtschaft und Infrastruktur
Wirtschaftssektoren
60 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe sind Nebenerwerbsbetriebe, die 163 Haupterwerbsbetriebe bewirtschaften 62 Prozent der Fläche. Die größten Arbeitgeber im Produktionssektor sind die Warenherstellung und die Bauwirtschaft. Beinahe die Hälfte der Arbeitnehmer des Dienstleistungssektors arbeitet im Bereich soziale und öffentliche Dienste (Stand 2011).[8][9][10]
Wirtschaftssektor
Anzahl Betriebe
Erwerbstätige
2011
2001
2011
2001
Land- und Forstwirtschaft 1)
441
532
330
318
Produktion
42
38
474
386
Dienstleistung
190
145
863
917
1) Betriebe mit Fläche in den Jahren 2010 und 1999
Einer der größten Arbeitgeber am Ort ist das Herz-Kreislauf-Zentrum Groß Gerungs.
Verkehr
Groß Gerungs ist Endpunkt des südlichen Astes der Waldviertler Schmalspurbahnen, auf denen seit 2001 nur noch ein touristischer Nostalgiebetrieb geführt wird.
Im Jahr 1983 wurde der Gemeinde folgendes Wappen verliehen: In einem durch drei blaue Wellenfäden geteilten goldenen Schild, oben über der Schildesteilung schwebend ein grünes Majuskel-M, unten aus einem im Schildesfuß befindlichen Dreiberg emporwachsend drei grüne Fichten.[3]
Personen mit Bezug zur Stadtgemeinde
Joseph Böhm (1831–1893), Botaniker und Pflanzenphysiologe, Professor an der Hochschule für Bodenkultur in Wien (vgl. auch das Denkmal im Arkadenhof der Universität Wien)
Lukas Brandweiner (* 1989), Politiker (ÖVP), Nationalratsabgeordneter
Hermann Haneder (* 1952), Präsident der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Niederösterreich (AKNÖ) und Vorsitzender des nö. Gewerkschaftsbundes (ÖGB Niederösterreich)
Karl Schraml (1930–2018); Bürgermeister 1984–1994[16]
OSR Maximilian Igelsböck; Bürgermeister 1994–2022
Literatur
Evelyn Benesch, Bernd Euler-Rolle, Claudia Haas, Renate Holzschuh-Hofer, Wolfgang Huber, Katharina Packpfeifer, Eva Maria Vancsa-Tironiek, Wolfgang Vogg: Niederösterreich nördlich der Donau (= Dehio-Handbuch. Die Kunstdenkmäler Österreichs). Anton Schroll & Co, Wien u. a. 1990, ISBN 3-7031-0652-2, S.326–328.
Franz Eppel: Das Waldviertel, seine Kunstwerke, historischen Lebens- und Siedlungsformen. Salzburg 1989, ISBN 3-900173-01-X.
Markus Holzweber: Johann Haider (1921–1997). Sein Lebenswerk war die bäuerliche Sozialpolitik. In: Waldviertler Biographien. Band 3, Horn 2010, ISBN 978-3-900708-26-9, S. 217–238. (digital)
Josef Prinz (Hrsg.): Stadtgemeinde Groß Gerungs: Kultur- und Lebensraum im Wandel der Zeit. Weitra 1999, ISBN 3-85252-331-1.