Im Jahre 787 wurde Groß-Bieberau erstmals urkundlich erwähnt. Seit 1312 hat Groß-Bieberau Stadtrechte. Im Mittelalter bestand hier eine der 30 Wildhuben des Wildbannes Dreieich, welchem auch die umliegenden Wälder angehörten.
Groß-Bieberau liegt im Übergangsbereich der NaturräumeVorderer Odenwald und Reinheimer Hügelland in der Gersprenzniederung, am linken, westlichen Ufer des Flusses. Durch Groß-Bieberau fließt der Fischbach, der östlich der Stadt in die Gersprenz mündet. Die höchste Erhebung befindet sich im Südwesten des Stadtgebiets auf ca. 370 m ü. NHN über den Wäldern am Nordwesthang des Berges Altscheuer, knapp unterhalb des Ringwalls der Heuneburg.
Stadtgliederung
Südwestlich von Groß-Bieberau liegt der Stadtteil Rodau. Im südöstlichen Teil der Gemarkung hat Groß-Bieberau Anteil am WeilerHippelsbach.
Die frühesten Zeugnisse menschlicher Anwesenheit auf Groß-Bieberauer Gemarkung datieren in die Jungsteinzeit, die Epoche der Sesshaftwerdung des Menschen. Unter anderem belegen dies Keramikscherben-Funde, die im Bereich des Flurs Morastrech gemacht wurden. Die frühe Besiedlung des Naturraums Reinheimer Hügelland ist den dort anzutreffenden günstigen Lebensbedingungen, wie etwa fruchtbare Lößböden und reichliche Wasservorkommen zu verdanken.
Aus den darauffolgenden urgeschichtlichen Epochen der Bronzezeit und der Eisenzeit sind ebenfalls archäologische Befunde aus Groß-Bieberau vorhanden. Zu überregionaler Bekanntheit schaffte es in diesem Zusammenhang der am südlichen Rand der Gemarkung liegende Berg Bensenböhlskopf. Dort befanden sich mindestens sieben Hügelgräber. Durch die Ausdehnung des Steinbruchs der OHI drohte deren Zerstörung. Ende der 1960er und Anfang der 1970er Jahre konnten die Hügelgräber durch archäologische Notgrabungen erfasst und dokumentiert werden[6]. Die dabei sichergestellten Grabbeigaben sind im Museum Schloss Fechenbach in Dieburg ausgestellt.
In dem nur gut 1000 m vom Bensenböhlskopf entfernten ehemaligen Steinbruch Am ersten Grund, am Haslochberg, wurde ein Hortfund aus 8 Steggruppenringen und zwei Lochsicheln gemacht. Diese Artefakte datieren in die Urnenfelderkultur[7] und befinden sich heute im Hessischen Landesmuseum Darmstadt.
Mittelalter und Neuzeit
Die älteste bekannte Erwähnung des Ortes stammt aus der Zeit 780–795.[8] Graf Diether VI. von Katzenelnbogen (* 1273; † 1315) zog mit König Heinrich VII. zur Kaiserkrönung nach Italien und erhielt 1312 zur Belohnung für seinen Einsatz in den blutigen Straßenschlachten von Rom die Stadtrechte für Lichtenberg und Groß-Bieberau.[9] Groß-Bieberau war von 1312 bis 1479 im Besitz der Grafen von Katzenelnbogen und fiel 1479 der Landgrafschaft Hessen zu, nachdem die Linie der Grafen von Katzenelnbogen ausgestorben war[8]. Groß-Bieberau lag im Gerichtsbezirk der Zent Oberramstadt. Die Zent war in sogenannte Reiswagen eingeteilt, denen jeweils ein Oberschultheiß vorstand, der dem Zentgrafen unterstellt war. Dieser Bezirk hatte einen Frachtwagen (Reiswagen) einschließlich Zugtieren und Fuhrknechten für Feldzüge bereitzustellen. Groß-Bieberau gehörte zum Großbieberauer Reiswagen, dem auch Waldhausen[10][11] bestehend aus den Orten Niedernhausen, Billings, Meßbach und Nonrod sowie die Dörfer Rodau, Wersau und Steinau angehörten. Die gesamte Zent Oberramstadt war dem Amt Lichtenberg zugeteilt. Diese Einteilung bestand noch bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts.[12]
In den historischen Dokumenten ist der Ort unter folgenden Ortsnamen belegt (in Klammern das Jahr der Erwähnung):[8] „Biberahe“, „Biberae villa“ (1267); „Bibera“ (1312); „Biberauwe“ (1326); „Bybera“ (1345); „Beberaw, Bieberaw“ (1422); „Büberauw, Büberauwe, Großenbibra“ (1514); „Großen Bieberaw“ (1671).
Der Dreißigjährige Krieg, den nur zwölf Einwohner überlebten, bedeutete einen herben Rückschlag für die Stadt. Die Landgrafschaft Hessen-Darmstadt ging dann 1806 im Großherzogtum Hessen auf.
Die Statistisch-topographisch-historische Beschreibung des Großherzogthums Hessen berichtet 1829 über Groß-Bieberau:
„Großbieberau (L. Bez. Reinheim) luth. Pfarrdorf; liegt 3⁄4 St. von Reinheim an dem Fischbach, der nicht weit von hier die Gersprenz erreicht, so wie an der von Darmstadt durch den Odenwald ziehenden Chaussee. Der Ort besteht aus 194 Häusern und 1408 Einw., die bis auf 10 Reform. 6 Kath. und 50 Juden alle lutherisch sind. Man findet eine, 1726, bis auf den Thurm neu erbaute Kirche, ein Pfarrhaus, eine Kaplaneiwohnung, ein 1800 neuerbautes Rathhaus, mit dem die Schule verbunden ist, 2 Mahlmühlen und 1 Ziegelhütte. Jährlich werden 4 Krämermärkte abgehalten. – König Heinrich VII. bewilligte 1312 dem Grafen Diether IV. von Katzenellenbogen für Großbieberau, so wie für Lichtenberg, die Freiheiten der Stadt Oppenheim, nebst dem Marktrechte, und im Jahr 1326 wurden Lichtenberg und Großbieberau durch einen schiedsrichterlichen Spruch als der Wittwensitz der Gräfin Catharine, Diether IV. hinterlassenen Gemahlin, bestätigt. Das Dorf war ein pfälzisches Lehen, womit namentlich 1398, Graf Eberhard von Katzenellenbogen, vom Pfalzgrafen Ruprecht belehnt wurde. Im Jahr 1422 wurde Großbieberau von Schenk Conrad von Erbach, Johann von Cronberg und Hans Kämmerer von Dalberg gebrandschatzt und verbrannt. Im 30jährigen Krieg hat der Ort sehr gelitten. Die pfälzische Lehenschaft dauerte bis in die neuesten Zeiten.“[13][Anm. 1]
Groß-Bieberau gehörte zum Zentgericht Oberramstadt. In der Landgrafschaft Hessen-Darmstadt wurde mit Ausführungsverordnung vom 9. Dezember 1803 das Gerichtswesen neu organisiert. Für das Fürstentum Starkenburg wurde das Hofgericht Darmstadt als Gericht der zweiten Instanz eingerichtet. Die Rechtsprechung der ersten Instanz wurde durch die Ämter bzw. Standesherren vorgenommen.
Damit war für Groß-Bieberau das Amt Lichtenberg zuständig. Das Hofgericht war für normale bürgerliche Streitsachen Gericht der zweiten Instanz, für standesherrliche Familienrechtssachen und Kriminalfälle die erste Instanz. Übergeordnet war das Oberappellationsgericht Darmstadt. Die Zentgerichte hatten damit ihre Funktion verloren.
ab 1968: Amtsgericht Darmstadt mit der Auflösung des Amtsgerichts Reinheim, zweite Instanz: Landgericht Darmstadt
Bevölkerung
Einwohnerstruktur 2011
Nach den Erhebungen des Zensus 2011 lebten am Stichtag dem 9. Mai 2011 in Groß-Bieberau 4612 Einwohner. Darunter waren 362 (7,8 %) Ausländer, von denen 189 aus dem EU-Ausland, 151 aus anderen Europäischen Ländern und 21 aus anderen Staaten kamen.[20] (Bis zum Jahr 2020 erhöhte sich die Ausländerquote auf 11,4 %.[21]) Nach dem Lebensalter waren 810 Einwohner unter 18 Jahren, 1959 zwischen 18 und 49, 996 zwischen 50 und 64 und 846 Einwohner waren älter.[22] Die Einwohner lebten in 1851 Haushalten. Davon waren 471 Singlehaushalte, 489 Paare ohne Kinder und 672 Paare mit Kindern, sowie 186 Alleinerziehende und 33 Wohngemeinschaften. In 339 Haushalten lebten ausschließlich Senioren/-innen und in 1272 Haushaltungen leben keine Senioren/-innen.[22]
Datenquelle: Historisches Gemeindeverzeichnis für Hessen: Die Bevölkerung der Gemeinden 1834 bis 1967. Wiesbaden: Hessisches Statistisches Landesamt, 1968. Weitere Quellen: LAGIS[8]; 1972[25]; Hessisches Statistisches Informationssystem[21]; Zensus 2011[20] Ab 1972 einschließlich der im Zuge der Gebietsreform in Hessen eingegliederten Orte.
Nach der hessischen Kommunalverfassung wird der Bürgermeister für eine sechsjährige Amtszeit gewählt, seit dem Jahr 1993 in einer Direktwahl, und ist Vorsitzender des Magistrats, dem in der Stadt Groß-Bieberau neben dem Bürgermeister ehrenamtlich ein Erster Stadtrat und sechs weitere Stadträte angehören.[34] Bürgermeisterin ist seit dem 9. Juni 2020 Anja Dorothea Vogt (FWG).[35] Sie wurde als Nachfolgerin von Edgar Buchwald (SPD), der nach zwei Amtszeiten nicht mehr zur Wahl antrat, am 2. Februar 2020 im ersten Wahlgang bei 58,24 Prozent Wahlbeteiligung mit 62,32 Prozent der Stimmen gewählt.[36]
Das Wappen wurde der Stadt Groß-Bieberau im damaligen Landkreis Darmstadt am 10. Juli 1957 durch den Hessischen Innenminister genehmigt.
In seiner heutigen Version wurde es durch den Bad Nauheimer Heraldiker Heinz Ritt gestaltet.
Der Biber ist ein redendes Wappenbild. In früheren Abbildungen wurde der Biber als schwarz auf goldenem Grund tingiert.
Flagge
Die Flagge wurde der Stadt am 6. März 1958 vom Hessischen Innenminister genehmigt und wird wie folgt beschrieben:
„Auf der breiten weißen Mittelbahn des rot-weiß-roten Flaggentuches das Gemeindewappen.“[40]
Im November 2020 wurde ein Hörweg eröffnet. Er bietet eine akustische Entdeckungsreise in ein begehbares Stadtarchiv und führt zu besonderen Orten in Groß-Bieberau.[44]
Wirtschaft und Infrastruktur
Flächennutzung
Das Gemeindegebiet umfasst eine Gesamtfläche von 1827 Hektar, davon entfallen in ha auf:[21]
Nutzungsart
2011
2015
Gebäude- und Freifläche
129
131
davon
Wohnen
79
81
Gewerbe
15
16
Betriebsfläche
7
7
davon
Abbauland
1
1
Erholungsfläche
6
6
davon
Grünanlage
2
2
Verkehrsfläche
109
109
Landwirtschaftsfläche
895
892
davon
Moor
0
0
Heide
0
0
Waldfläche
657
657
Wasserfläche
20
20
Sonstige Nutzung
5
5
Bildung
Albert-Einstein-Schule (AES)
Die Albert-Einstein-Schule ist eine kooperative (schulformbezogene; früher: additive) Gesamtschule, die in ihren Ursprüngen auf die im Jahre 1900 gegründete Höhere Bürgerschule Groß-Bieberau zurückgeht. Ihre direkte Vorstufe war das Schulzentrum Odenwald, eine gemeinsamen Gründung Groß-Bieberaus und der Schulverbandsgemeinden, die nach der Gebietsreform zum Teil dem Odenwaldkreis zugeordnet wurden.
Unter der AES befindet sich ein Schutzraumbauwerk (ehemaliges Hilfskrankenhaus mit 1000 Betten).
Der Odenwald wird als Urlaubsregion immer beliebter. Groß-Bieberau liegt am nördlichen Rand des Odenwaldes und wird auch als das „Tor zum Odenwald“ bezeichnet. Der nahegelegene Hausberg ist die Neunkircher Höhe in 605 m Höhe. Das weithin sichtbare Schloss Lichtenberg liegt in der Nachbargemeinde Fischbachtal, im Ortsteil Lichtenberg, in 278 m Höhe.
Verkehr
Die einstige Gersprenztalbahn (Reinheim – Reichelsheim) ist stillgelegt. Zwischen Reinheim und Groß-Bieberau findet zurzeit kein Güterverkehr statt, es wird allerdings über eine Reaktivierung der Strecke mit den Parteien der nächstgelegenen Gemeinden diskutiert. Diese Strecke wird von der Buslinie 693 bedient, die den Anschluss zur Odenwaldbahn (Frankfurt–Darmstadt–Eberbach) herstellt. Außerdem verkehren die Buslinien MO2 (Reinheim–Niedernhausen–Neunkirchen–Brandau), MO3 (Reinheim–Groß-Bieberau–Asbach–Ernsthofen), NH (Darmstadt–Roßdorf–Reinheim-Georgenhausen–Groß-Bieberau–Niedernhausen) und die Schnellbuslinie RHX (Darmstadt–Reinheim-Georgenhausen–Reinheim–Groß-Bieberau Schule).
Magistrat der Stadt Groß-Bieberau (Hrsg.): Groß-Bieberauer Stadtlexikon. Groß-Bieberau 2012, ISBN 978-3-00-038369-4
Ernst-Friedrich Roß: Die Untersuchung der Grabhügel auf dem Bensenböhlskopf bei Groß-Bieberau, Kreis Darmstadt-Dieburg: Ein Beitrag zur Siedlungsgeschichte im nördlichen Odenwaldgebiet in urgeschichtlicher Zeit
Archäologische und volkskundliche Arbeitsgemeinschaft des Museums in Dieburg e. V. (AVA): Zeugen der Vergangenheit – Vorgeschichte, Römerzeit, Mittelalter im Dieburger Land
↑Horst Bathon, Georg Wittenberger: Die Naturdenkmale des Landkreises Darmstadt-Dieburg mit Biotop-Touren, 2. erweiterte und vollständig überarbeitete Auflage. Hrsg.: Kreisausschuss des Landkreises Darmstadt-Dieburg – Untere Naturschutzbehörde (= Schriftenreihe Landkreis Darmstadt-Dieburg). Darmstadt 2016, ISBN 978-3-00-050136-4, S.57–58.
↑Fundberichte aus Hessen, Landesamt für Denkmalpflege Hessen, Jahrgang 9/10 von 1969/70, S. 151 u. 154; Jahrgang 11 von 1971, S. 151 ff.; Jahrgang 13 von 1973, S. 283 u. Jahrgang 15 von 1975, S. 522
↑Fritz-Rudolf Herrmann: Die Funde der Urnenfelderkultur in Mittel- und Südhessen (= Römisch-germanische Forschungen, Band 27), Verlag W. de Gruyter, Berlin 1966
↑
Wilhelm Müller: Hessisches Ortsnamensbuch: Starkenburg. Hrsg.: Historische Kommission für den Volksstaat Hessen. Band1. Selbstverlag, Darmstadt 1937, OCLC614375103, S.727.
↑Ferdinand Dieffenbach: Das Großherzogthum Hessen in Vergangenheit und Gegenwart. Literarische Anstalt, Darmstadt 1877, S.254 (Online bei google books).
↑Karl-Heinz Gerstemeier, Karl Reinhard Hinkel: Hessen. Gemeinden und Landkreise nach der Gebietsreform. Eine Dokumentation. Hrsg.: Hessischer Minister des Inneren. Bernecker, Melsungen 1977, OCLC180532844, S.230.
↑ abHauptsatzung. (PDF; 164 kB) §; 6. In: Webauftritt. Stadt Groß-Bieberau, abgerufen im Mai 2019.
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↑Grossherzogliche Centralstelle für die Landesstatistik (Hrsg.): Beiträge zur Statistik des Großherzogtums Hessen. Band1. Großherzoglicher Staatsverlag, Darmstadt 1862, OCLC894925483, S.43ff. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
↑
Gesetz über die Aufhebung der Provinzen Starkenburg, Oberhessen und Rheinhessen vom 1. April 1937. In: Der Reichsstatthalter in Hessen Sprengler (Hrsg.): Hessisches Regierungsblatt. 1937 Nr.8, S.121ff. (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 11,2MB]).
↑
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↑Ortsbeirat Rodau. In: Webauftritt. Stadt Groß-Bieberau, abgerufen im Oktober 2019.
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