Nicht mehr vorhanden. Das fremdgenutzte Gebäude ist nicht mehr in kirchlichem Eigentum
Die Evangelische Pfarrkirche in Ragnit ist ein 1771/1772 zunächst ohne Turm errichteter Bau und war bis 1945 evangelisches Gotteshaus für die einst ostpreußische und heute Neman genannte Stadt im Nordosten der russischenOblast Kaliningrad (Gebiet Königsberg in Preußen).
Das einstige Kirchengebäude[1][2] steht im südöstlichen Stadtzentrum an der Oktjabrskaja uliza („Oktoberstraße“).
Kirchengebäude
Ein bereits im 15. Jahrhundert vorhandenes Kirchengebäude wurde 1517 durch ein neues ersetzt,[3] das 1757 bei einem Brand[4] im Siebenjährigen Krieg ein Raub der Flammen wurde. In den Jahren 1771/1772 wurde es durch einen Neubau[5] ersetzt. Dabei handelte es sich um einen verputzten dreischiffigen Bau, dessen Pläne Johann Friedrich Fischer erstellte.[4] Erst im Jahre 1853 wurde der Turm angebaut.
Der Kircheninnenraum war in der Mitte gewölbt und an den Seiten flach gehalten. Bis zur Ostwand reichten die breiten, umlaufenden Emporen. Der Raum war bestimmt von einem durchgegliederten Kanzelaltar von 1775. Die Orgel stammte aus der Gründungszeit der Kirche.
Das Kirchengebäude[6], das nahezu unbeschadet durch den Zweiten Weltkrieg kam, wurde nach 1945 vollständig umgebaut.[4] Im Langhaus richtete man ein Möbellager ein und darüber Wohnungen. Nach einem Unfall wurde der Turm 1993 bis zur Höhe des Dachfirstes des Kirchenschiffes abgetragen, so dass nur noch sein Unterbau vorhanden ist. Die gesamte Kirchenausstattung ging verloren.
Im Ostteil des einstigen Kirchengebäudes stellte man 1993 einen Raum als katholische Kapelle zur Verfügung, im Westteil entstand ein Gebetsraum der russisch-orthodoxen Kirche, den diese bis 1995 nutzte. Danach bezog sie eine neu gebaute Kirche.
Kirchengemeinde Ragnit
Bereits in vorreformatorischer Zeit war Ragnit ein Kirchdorf.[7] Mit der Reformation nahmen hier lutherische Geistliche ihren Dienst auf, zunächst ein litauischer Pfarrer, danach zusätzlich ein deutscher Amtsträger, ab 1888 ein dritter Geistlicher, zunächst als Hilfsprediger, dann ab 1917 auf einer ordentlichen Stelle.
Ragnit war Sitz einer eigenen Inspektion und eines späteren Kirchenkreises, der mit dem Nachbarkirchenkreis Tilsit nach 1920 in den neuen Kirchenkreis Tilsit-Ragnit – unter Beibehaltung der beiden Diözesen Tilsit und Ragnit, allerdings bei Abtrennung der nördlich der Memel gelegenen Kirchengemeinde – umgewandelt wurde. Er gehörte bis 1945 zur Kirchenprovinz Ostpreußen der Kirche der Altpreußischen Union. In den 1920er Jahren zählte die evangelische Kirchengemeinde in Ragnit 13.000 Gemeindeglieder, die außer in der Stadt in mehr als 40 Kirchspielorten lebten.
Flucht und Vertreibung der einheimischen Bevölkerung im Zusammenhang des Krieges ließen nach 1945 das kirchliche Leben in der nun „Neman“ genannten Stadt zum Erliegen kommen.
Die große Mehrheit der Kirchengemeindeglieder wohnten in der Stadt Ragnit, ein kleinerer Teil in dem weitflächigen Kirchspiel mit 46 Orten, kleineren Ortschaften und Wohnplätzen[7][9]:
Bis in die 1920er Jahre hinein war Ragnit Amtssitz einer Inspektion bzw. eines Kirchenkreises[7]. Dann wurde Ragnit mit dem Nachbarkirchenkreis Tilsit zusammengefasst, es blieben jedoch die beiden getrennten Diözesen. Lediglich die nördlich der Memel liegenden Orte schieden aus.
Die Diözese Ragnit des Kirchenkreises Tilsit-Ragnit umfasste bis 1945 neun Pfarreien:
Früher gehörte auch die heute in Litauen liegende Pfarrei der Kirche Wischwill (heute litauisch: Viešvilė) dazu.
Literatur
Daniel Heinrich Arnoldt: Kurzgefaßte Nachrichten von allen seit der Reformation an den lutherischen Kirchen in Ostpreußen gestandnen Predigern. Königsberg 1777, S. 126–128.
↑Friedwald Moeller, Altpreußisches evangelisches Pfarrerbuch von der Reformation bis zur Vertreibung im Jahre 1945, Hamburg, 1968, S. 117
↑ abcdSchrader († 1887), Hammer († 1907), Radtke († 1939) und Superintendent Struck († 1945) waren Angehörige des Corps Littuania
↑Christa Stache, Verzeichnis der Kirchenbücher im Evangelischen Zentralarchiv in Berlin, Teil 1: Die östlichen Kirchenprovinzen der Evangelischen Kirche der altpreußischen Union, Berlin, 1992³, S. 96–97