Evangelische Kirche (Wingershausen)Die Evangelische Kirche Wingershausen ist ein denkmalgeschütztes Kirchengebäude, das in Wingershausen steht, einem Ortsteil der Stadt Schotten im Vogelsbergkreis in Hessen. Die Kirchengemeinde gehört zum Dekanat Büdinger Land in der Propstei Oberhessen der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau. GeschichteFünf Kilometer von Schotten entfernt entstand im 8. Jahrhundert in Wingershausen eine Kirche, die im Hochmittelalter bereits sehr wahrscheinlich eine Großpfarrei war. Eine „ecclesia in Buchonia“ wird am 21. Juni 778 urkundlich erwähnt. Der Abt Beatus von Honau schenkte den iroschottischen Mönchen seines Klosters acht Eigenkirchen, darunter eine „in Buchonia“, dem heutigen Schotten.[1] Ein Bezug zur Kirche in Wingershausen lässt sich nicht nachweisen, sondern die Beatus-Urkunde beweist, dass sich bereits um 750 das Christentum bis in den Vogelsberg ausgebreitet hatte. Die Bedeutung der Kirchengründung in Wingershausen ist ersichtlich an der Vielzahl der Patrozinien (himmlische Schutzherrschaft eines Heiligen über eine Kirche): St. Peter und Paul, St. Bonifatius, St. Alexander, St. Processus und Martinianus, St. Martin, St. Ambrosius sowie St. Agnes und Scholastika.[2] Der Mainzer Erzbischof Erkanbald ließ angeblich im Jahre 1016 in Wingershausen eine Kirche weihen und versah sie mit einem großen Sendegebiet. Die Markbeschreibung der Kirche zu Wingershausen ist in zwei Fassungen überliefert. Allerdings gilt eine dieser Urkunden inzwischen als Fälschung aus der Mitte des 12. Jahrhunderts. Der Fälscher war der in dieser Hinsicht berüchtigte Mönch Eberhard von Fulda, Schreiber des Codex Eberhardi.[3] Kirchliche Mittelbehörden: Erzbistum Mainz, Archidiakonat St. Mariengreden, Dekanat Friedberg, Sendbezirk Wingershausen (lagis-hessen.de) Der Einfall von Anhänger König Ludwig des Bayern 1327 in das Fuldaer Stiftsgebiet und die Niederwerfung eines Aufstandes Fuldaer Bürger 1331 hatten das Fuldaer Stift in große Finanznöte gebracht. Deshalb wurden Besitzungen verkauft oder verpfändet. Dem Kloster Blankenau wurde deshalb 1331, um die Not der Nonnen zu lindern, die Pfarrei Wingershausen inkorporiert.[4] 1433 März 9 (uff Montag nach Reminiscere, der zweite Fastensonntag - Reminiscere miserationum tuarum, was bedeutet "Denke an Deine Barmherzigkeit, Herr") Konrad Greube, Pfarrer zu Wingershausen, stellt Revers darüber aus, dass Johann Fincke von Altenburg Propst, Catharina von Romrode Äbtissin, Anna Priorin und Konvent des Klosters Blangkenauwe ihm die Pfarrei Wingershausen übertragen und sich mit ihm bezüglich der Pfarrkompetenz in der Weise geeinigt haben, wie in der Urkunde vom 2. März 1433 (uff Montag nach Invocavit) festgelegt worden ist. Der Inhalt dieser Urkunde ist folgender: Johann Fincke von Altenburg Propst, Catharina von Romrode Äbtissin, Anna Priorin und Konvent des Klosters Blangkenauwe vereinbaren mit Konrad Greube, dem sie die Pfarrei Wingershausen übertragen haben, bezüglich der Pfarrkompetenz folgendes: Der Pfarrer darf alle Zehnten, die dem Kloster zustehen, behalten, mit Ausnahme 26 Achteln Hafer Borgkader Maßes, Anm.hierzu: Borgkader Maß = Burkhardser Maß (also ein Maß des Gerichts Burkhards; die Grenzen des Kirchspiels Wingershausen von 1016 deckten sich genau mit denen des Gerichts Burkhards). Die Maße variieren damals oft von Ort zu Ort und von Gericht zu Gericht. Ein Achtel entspricht ungefähr einem Doppelzentner. 26 Achtel Borgkader Maß wären dann so um die 50 Zentner. Das Kloster hat auf die 26 Achtel Hafer auch Anspruch, wenn sich die Zehntpflichtigen um vier oder fünf verringern bzw. die Pflüge um drei oder vier weniger werden. Das Kloster hat jedoch auch keinen höheren Anspruch, wenn sich die Zehntpflichtigen bzw. die Pflüge in der gleichen Höhe vermehren. Erhöhen sich die Zehntpflichtigen bzw. die Pflüge jedoch um mehr als fünf bzw. vier, ist die an das Kloster abzuführende Lieferung neu festzusetzen, ebenso wenn sich Zehntpflichtige und Pflüge entsprechend verringern. Bei Hagel, Mißwachs, Brand und Heerfahrt soll die abzuführende Lieferung von "frommen luden" festgesetzt werden. Die auf der Pfarrkirche ruhenden Abgaben sind von beiden Parteien je zur Hälfte zu tragen. Der Pfarrer erhält außerdem auf Lebenszeit die "moniche hube" zu Eschenrode. Allerdings ist er verpflichtet, den Knecht des Klosters samt dessen Pferden mit allem notwendigen zu versorgen, wenn dieser den Hafer abholt. Siegler: Aussteller mit Propstei- und Abteisiegel Siegler: Konrad Lower, Pastor zu Schotten Quelle: Heimatmuseum Blankenau/ Hess, StA Marburg K 423, fol. 86r - 87r./Chronik Wingershausen, Herausgeber: Stadt Schotten in Verbindung mit dem Arbeitskreis Historie Wingershausen Anm. hierzu: Die "moniche hube" war ein Bauerngut, das sich ca. 500 Meter talabwärts von Eschenrod auf der rechten Seite des Eichelbaches befand. Noch heute kann man Mauerreste der einstigen Hofeinfriedigung dort ausmachen. Die in Eschenrod heute noch geläufigen Flurbezeichnungen "Mönch-Wiese", "Mönch-Acker" und "Mönch Weg" geben uns Aufschluss über die ursprünglichen Eigentumsverhältnisse. Johann Hores Pfarrer in Wingershausen musste dem Kloster versprechen, sein Amt auch selbst auszuüben. Viele Pfarrer hielten sich nämlich nicht an ihre Residenzpflicht.[5] Waren Kirchen einem Kloster inkorporiert, wurden sie von einem Weltpriester seelsorgerisch versorgt. Während das Kloster die Pfründe einstrich, musste sich der sogenannte „vicarius perpetuus“ der Weltgeistliche beim Dienstantritt versprechen, mit dem Zehnten zufrieden zu sein. Dies versprach Johann Hores, vicarius perpetuus, im Jahr 1508 dem Kloster Blankenau, dem seine Kirche in Wingershausen inkorporiert war. Dieser Kirche waren fünf Orte eingegliedert, die jährlich zehn fl. an das Kloster abgeben mussten. Die Zehnten hatten einen jährlichen Wert von 63 fl. Damit blieb dem Wingershäuser Pfarrer ein gutes Einkommen, das aber durch Naturkatastrophen beträchtlich gemindert werden konnte.[6] Der Pfarrei Wingershausen flossen zum Ende des 15. und Beginn des 16. Jahrhunderts erhebliche Einnahmen zu. Im beginnenden Bauernkrieg wurde 1525 auch das Kloster Blankenau zerstört. Wenige Nonnen blieben in den folgenden Jahren in Blankenau. Im Jahr 1579 wurde das Kloster aufgegeben. Das Vermögen, das sich im "Kirchenkasten" der Pfarrei Wingershausen aus der alten Sonderstellung angesammelt hatte, blieb offensichtlich auch über die Reformationszeit hinaus erhalten. Ausleihungen an Bedürftige im weiten Umkreis sprechen davon. Die kleine Gemeinde konnte auch ihr Gotteshaus von 1016 - im 14. Jahrhundert und um 1730 umgebaut - 1903/04 erweitern, d. h. wesentlich erneuern, dazu 1911/12 ein repräsentatives Pfarrhaus und einen Gemeindesaal bauen. Erst in der Inflationszeit der 1920er Jahre ging das Vermögen verloren. Das Kopialbuch Blankenau verzeichnet 1508 die letzte Pfarrbestallung für Wingershausen. Dann hatte die Landgrafschaft Hessen das Patronatsrecht. Die Pfarrei Wingershausen wurde in der Reformationszeit evangelisch. Bei der 1531 erfolgten Einteilung in verschiedene evangelische Superintendenturen ist unter der Superintendentur Alsfeld Wingershausen mit seinem Pfarrer Martinus gelistet - er ist der erste evangelische Pfarrer in Wingershausen. Seine Herkunft und Lebensdaten liegen im Dunkeln. Sein Nachfolger war Johannes Lyncker 1553 - 1596. Quelle: Chronik Wingershausen, Herausgeber Stadt Schotten in Verbindung mit dem Arbeitskreis Historie Wingershausen im Jahr 2016. Beschreibung Die neugotische Saalkirche wurde auf den Grundmauern des Vorgängerbaus über T-förmigen Grundriss 1903–1904 nach einem Entwurf von Architekt Ludwig Hofmann aus Herborn mit Basalt-Bruchsteinen gebaut. Im nördlichen Winkel steht der mit einem spitzen achtseitigen Helm bedeckte Kirchturm, im südlichen ein kleiner Anbau für das Vestibül. Ein weiteres Portal befindet sich im Westen. Die Buntglasfenster, bei denen man sich am Jugendstil orientierte, wurden 1903 in der Werkstatt für Glasmalerei Hans Müller-Hickler in Darmstadt geschaffen. Auffallend hier, ist das große Chorfenster mit der Darstellung der Kreuzigung Christi. Zu Füßen des Gekreuzigten kniet Maria Magdalena und umklammert den Kreuzstamm. Rechts im Fenster steht der Jünger Johannes, links die Mutter Maria. Die Darstellung aller Figuren zeugt von hohem glasmalerischem Können. Alle Gesichter, auch der Leib Christi wirken sehr echt und plastisch und auch die Darstellung der farbigen Gewänder ist in sehr feiner und hochwertiger Detailarbeit durchgeführt. Es lässt sich ein Bezug zur Schule der Nazarener herstellen, die große Einflüsse auf die sakrale Kunst des 19. Jahrhunderts hatten. Es finden sich jedoch auch Anzeichen des Jugendstils (besonders beim Gesicht des Johannes) und einige Bezüge zur Renaissance, was die Gruppierung der Szene angeht! Über dem Haupt Christi tragen zwei Engel die Krone. Im Hintergrund ist eine Zypressenallee mit der Andeutung der Stadt Jerusalem auf dem Berge dahinter zu sehen. (Quelle, Chronik Wingershausen, Herausgeber: Stadt Schotten im Verbindung mit dem Arbeitskreis Historie Wingershausen im Jahr 2016) Auch beim Innenausbau orientierte man sich am Jugendstil. Der Altar und die Kanzel stehen im Norden des östlichen Kirchenschiffs. Von der Kirchenausstattung der alten Kirche wurde das spätgotische Kruzifixus -entstanden um 1490- übernommen, während sich das gotische Taufbecken aus Sandstein erst seit 1966 in der Kirche befindet. Es stammt aus Reichensachsen bei Eschwege und diente dort zuletzt als Blumenkübel. Aus der alten Kirche wurden, aus Gründen des Denkmalschutzes, auch die beiden gotischen Holzsäulen übernommen, die, wie in der alten Kirche im Westschiff ihre Weiterverwendung finden und heute auf Sandsteinsockel gesetzt sind. Die einmanualige Orgel mit zehn Registern wurde von dem Frankenberger Orgelbaumeister Wolfgang Böttner gebaut und zur 950-Jahr-Feier 1966 fertiggestellt. Bis Anfang des 19. Jahrhunderts war auf dem weitläufigen Kirchengelände auch der Friedhof von Wingershausen. Hier stehen noch heute, unter Denkmalschutz gestellte Grabsteine von verstorbenen Wingershäuser Pfarrern und Einwohnern. Bis ins 17. Jahrhundert zurück reichen diese Relikte. In den 1960er Jahren wurden zwei an das Kirchengrundstück angrenzende, ältere landwirtschaftliche Hofreiten angekauft und abgerissen. Hierdurch konnte ein freier Blick zum Kirchenhügel und zur Kirche geschaffen werden. Zur Erinnerung an das im Jahr 2016 begangene 1000-jährige Kirchenjubiläum, wurde im Jahr 2018 auf dem Kirchengrundstück ein Gedenkstein errichtet. Der Stein, ein Basaltfindling aus der Gemarkung Wingershausen, ist mit einer Gedenkplatte versehen, die vom Aschaffenburger Bildhauer Herbert Deiss entworfen wurde. Sie zeigt die Kirche und das Wappen von Wingershausen mit den beiden Jahreszahlen 1016 und 2016. Die Glockengießerei Rincker veredelte den Entwurf mit einem Bronzeguss. Das Traditionsunternehmen aus Sinn, es zählt zu den ältesten Glockengießereien in Europa, hatte auch zwei der Wingershäuser Glocken, die während der Kriege abgegeben werden mussten, nach den beiden Weltkriegen 1932 und 1950 wieder neu gegossen. Das Kirchengeläut besteht heute aus drei Glocken. Literatur
WeblinksCommons: Evangelische Kirche – Sammlung von Bildern
Einzelnachweise
Koordinaten: 50° 28′ 3,5″ N, 9° 8′ 0″ O |
Portal di Ensiklopedia Dunia