Evangelisch-reformierte Kirche Wölfersheim
Die Evangelisch-reformierte Kirche Wölfersheim gehört zu den größten barocken Querkirchen Deutschland, erbaut in den Jahren 1717 bis 1740.[F 1] Sie ist das Gotteshaus der evangelisch-reformierten Gemeinde in Wölfersheim in der Wetterau und war „der erste rein als Querkirche ausgeführte Bau im oberhessischen Raum“. „Die […] oft geäußerte Vermutung, dass die Kirche […] als Schloss geplant gewesen sei, ist falsch“.[F 1] Auf einer Anhöhe, den Ort überragend, liegt die Kirche im Norden des Ortskerns von Wölfersheim zwischen der Kirchgasse und der Wingertstraße. VorgängerbauDer Vorgängerbau, auf dessen Grundmauern die Kirche teilweise errichtet wurde, die Burg Wölfersheim, war mit seinem Bergfried und heutigem Kirchturm als einer der vier Wehrtürme Teil der damaligen Ortsbefestigung von Wölfersheim. Die Grundmauern der Burg bildeten den östlichen Teil des heutigen Kirchenkellers. Von dort aus führen zwei unterirdische Wehrgänge unter der Ortsbefestigung entlang. Sie wurden in den 1960er Jahren zugemauert. Unter dem Kirchenkeller befindet sich ein zubetonierter Brunnen, der wohl die Wasserversorgung der Burg sicherte.[F 2] Wann und von wem die Burganlage gebaut wurde, ist nicht bekannt.[1][F 2] Die Keller und unterirdischen Wehrgänge der zerfallenen Anlage wurden beim Neubau für den östlichen Teil der Kirche wieder genutzt. BaugeschichteSeit dem Spätmittelalter gab es in Wölfersheim eine Antoniuskapelle, die ursprünglich als Burgkapelle, seit 1611 auch als Gotteshaus der Gemeinde diente. Weil die Kapelle aber nach 1650 rasch zu klein wurde, schließlich baufällig war, beschloss man den Neubau einer großen Kirche. Unter der Regierung des Grafen Wilhelm Moritz zu Solms-Braunfels (* 1651; † 1724) begann der Maurermeister Thomas Sendker mit neun Arbeitern am 14. April 1717 mit dem Brechen der Steine am Singberg. Am 29. Juni 1717 legte man den Grundstein. Der damalige Pfarrer Johann Daniel Elling stellte seine Predigt unter das Galaterwort Kapitel 4, Vers 19.[F 1] Der Bericht im Kirchenbuch über die Grundsteinlegung führt Folgendes aus:
Im Jahre 1720 begann der Stillstand der Bauarbeiten durch eine Finanzkrise. Wilhelm Diehl schreibt über die „Schenkung“ des Herrn von Pappenheim Folgendes: Neuwied zahlte die Summe schließlich nach einem langen Prozess vor dem Reichskammergericht in Wetzlar. So konnte der Bau, wie oben beschrieben, fortgesetzt werden und man kaufte 1737 Bauholz für den Dachstuhl und die Turmhaube sowie für den Innenausbau. 1738 wurde unter dem Zimmermeister Johann Conrad Öhler und Aufsicht des Solms-Laubacher Bauschreibers Johann Wiesenfeld der Dachstuhl und die Turmhaube aufgesetzt.[3] Im selben Jahr erstellte der Maurermeister Johann Caspar Mertel Aufmauerungen an den drei Portalen, das Gewölbe zum Kirchenkeller und ein Fenster im Turm. Paul Schwenk, Heinrich Hirschsteiner und Johann Hermann Sattler deckten die Kirche und den Turm mit Schiefer. Am 27. April wurden der Steinmetz Johann Wilhelm Büll aus Ortenberg und die Glasermeister Johannes Wagner und Johannes Zimmer aus Nidda unter Vertrag genommen. Im August 1738 wurden die Kirchenbänke aufgestellt und Johann Peter Hieronymus aus Friedberg erstellte die Stuck- und Verputzarbeiten.[F 3] Im Frühjahr 1741 stellte man die Orgel auf und die Kirche wurde am 22. Mai 1741 eingeweiht.[3] Graf Wilhelm Moritz zu Solms-Braunfels erlebte die Vollendung der Kirche nicht, denn er starb 1724. Unter der Regierung seines Sohnes Fürst Friedrich Wilhelm zu Solms-Braunfels und auf Initiative des Pfarrers Johannes Phillipp Schmitthenner wurde die Kirche fertiggestellt.[3] BaubeschreibungAußenbau und FassadeDie Kirche hat ein Mansarddach, das, wie auch die Kirchturmhaube, mit Schiefer gedeckt ist. Die südliche Längsseite, oft auch Prachtfassade genannt, ist verputzt und architektonisch reich gegliedert, im Gegensatz zu den drei anderen Seiten, die mauersichtig sind. Eugen Rieß beschreibt die Südfassade in seinem Buch 250 Jahre Evangelisch-reformierte Kirche Wölfersheim wie folgt:
Die Säulen und Einfassungen sind aus hartem Sandstein aus Rockenberg.[F 4] Die Inschrift über dem Mittelportal, die über die damalige Sachlage berichtet, lautet sprachlich vereinfacht:
Grundriss und InnenraumDie im Spätbarock erbaute querschiffige Saalkirche besitzt im Innenraum an der nördlichen Längsseite eine hölzerne zweigeschossige Kanzelwand, die den Sakristeianbau vom Gemeinderaum abtrennt. Der Sakristeianbau verbindet das Querschiff mit dem Kirchturm. Der Abendmahlstisch befindet sich direkt vor der Kanzel, auf ihm steht ein Buchständer von 1987. Gegenüber der Kanzelwand befand sich die Patronatsloge mit einem eigenen Treppenaufgang und Fensterfronten, wobei die Rahmen dieser noch heute vorhanden sind. In der Mitte der ehemaligen Patronatsloge befindet sich heute die Orgel. An den zwei schmalen Seiten befindet sich eine Empore mit ansteigenden Bankreihen.[3] 1855 und 1856, 1912, 1927, 1958 und 1967 fanden größere Renovierungen der Kirche statt. 1953 wurde speziell der Innenraum renoviert und neue Lampen angeschafft. Bei der erneuten Renovierung von 1979 bis 1980 entstand das heutige Aussehen des Innenraums.[F 5] Bei dieser Renovierung wurde unter anderem der Sandsteinfußboden durch Marmorplatten ersetzt.[3] Die kreuzförmige Sitzordnung stammt von dem Pfarrer Schmitthenner aus dem Jahr 1738.[F 4] Den endgültigen Entwurf für den Innenraum lieferte der Solms-Braunfelsische Baudirektor Johann Ludwig Knoch im Jahre 1739.[3] Anfang der 1980er Jahre erstellte man einen behindertengerechten Zugang.[F 6]
OrgelDie erste Orgel wurde im Frühjahr 1741 über der Kanzel angebracht. Sie stammt von dem Orgelbauer Conrad Lindt aus Weckesheim und wurde am 10. November 1875 durch einen Blitzeinschlag zerstört.[3] Die heutige Orgel stammt von den Orgelbauern Gebrüder Bernhard aus Gambach und kostete 4300 Mark. Sie wurde an der gegenüberliegenden Seite, an der Stelle der Patronatsloge, aufgebaut und im Oktober 1877 eingeweiht.[F 6] Das erhaltene Instrument verfügt über 13 Register, verteilt auf zwei Manuale und Pedal. Das querrechteckige Gehäuse wird durch drei Flachfelder mit gekoppelten Rundbögen geprägt.[4] Das mittlere Pfeifenfeld tritt risalitartig hervor. 1953 erhielt die Orgel von der Orgelbaufirma Förster & Nicolaus aus Lich ein elektrisches Gebläse.[F 7] KirchturmDer untere Teil des heutigen Kirchturms war früher ein Bergfried der Burg Wölfersheim und als Wehrturm in die mittelalterliche Ortsbefestigung einbezogen.[3] Seine heutige Höhe beträgt 37 m, die aber erst nach der Aufsetzung der dreigeschossigen geschweiften Turmhaube im Juli 1738 erreicht wurde. Der Kirchturmhahn wurde im Juni 1739 von dem Laubacher Maler Weiz vergoldet. Der Schieferdeckermeister Schneider renoviert den Kirchturm im November 1848. 1865 wurde eine neue Turmuhr angeschafft. Am 10. November 1875 schlug ein Blitz im Turm ein, bei dem unter anderem die erste Orgel, ein Stück der Schiefereindeckung und der Uhrkasten zerstört wurde.[F 4] In den 1980er baute man unten im Kirchturm Toiletten ein und oben im Turm wurden Zwischendecken und Stahltreppen eingezogen. Letztere sind eine Spende der PreussenElektra.[F 6] Glocken
Im Jahre 1596 wird erstmals im Festungsbuch, das 1589 begonnen wurde, ein glocken thurm (der Schwarze Turm) erwähnt. Dies ist die erste Nachricht über Kirchenglocken in Wölfersheim. In Aufzeichnungen des Pfarrers Georg Venator finden sich später mehrere Einträge über Glockenstiftungen. Im Jahre 1690 wird zusätzlich zu diesen eine weitere Glocke angeschafft. Was mit den Glocken der Antoniuskapelle, außer der Glocke von 1690, geschah, lässt sich nicht mehr nachweisen.[F 8] Die Glocke von 1725Die älteste der heutigen Glocken wurde im Mai 1725 von Philipp Schweitzer aus Werdorf gegossen. Sie ist ein Umguss der ältesten Glocke in Wölfersheim, gegossen um 1611, die einen Sprung bekommen. Die lange Inschrift dieser Glocke, die als einzige der Glocken vor 1945 noch vorhanden ist, lautet:
Es handelt sich um eine Molloktavglocke mit dem Schlagton h1. Die Glocken von 1862Im Jahre 1862 wurden zwei neue Glocken angeschafft und die Glocke von 1690 eingeschmolzen. Die Inschrift dieser Glocke hat der damalige Pfarrer Philipp Kring erhalten:
Philipp Bach von Windecken goss 1862 die zwei Glocken, die im gleichen Jahr am 6. Juni zur Konfirmation eingeweiht wurden. Die größte der beiden Glocken wog 1.269,50 Pfund und die kleinere 372,50 Pfund. Sie kosteten insgesamt 1.307 Taler und 54 Kreuzer.[F 11] Die größte Glocke trug folgende Inschrift:
Im August 1868 zersprang die kleinere Glocke bei einem Trauergeläut für den Prinzen Friedrich Wilhelm Heinrich zu Solms-Braunfels und wurde 1869 wieder von Bach gegossen.[5] 1917, als bereits die Orgelpfeifen als Kriegsanleihen für den Ersten Weltkrieg abgegeben mussten, wurden die beiden Glocken im Kirchturm zerschlagen und in Stücken heruntergetragen. So besaß die Kirchengemeinde bis 1921 nur die älteste Glocke von 1725. Der Erlös wurde der Kriegsanleihe zugeschlagen.[F 13] Die Glocken von 1921Der Kirchenvorstand und Gemeinderat haben 1921 erneut beschlossen zwei neue Glocken anzuschaffen. Sie wurden von der Glockengießerei Rincker aus Sinn gegossen und erklangen in den Tönen fis1 und a1 und wogen 620 kg sowie 370 kg. Im gleichen Jahr am 27. April wurden sie im Kirchturm eingebracht.[F 14] Die beiden Glocken hatten folgende Inschriften:
Sie mussten nach 20 Jahren, also 1941, für den Zweiten Weltkrieg abgeliefert werden. Die Glocken von 1951Nachdem man 1941 wieder nur eine Glocke hatte, entschied man sich 10 Jahre später zur Anschaffung von neuen Glocken. Es wurden trotz Widerstand des damaligen Pfarrers Eitel sowie des Glockensachverständigen der Landeskirche Eisengussglocken der Firma Weule aus Bockenem erworben. Der Widerstand begründet sich aus dem höheren Gewicht, dessen Folgen sich 30 Jahre später zeigten. Die Vorteile lagen durch die damaligen begrenzten finanziellen Möglichkeiten im Preis. Als am 3. August 1951 der damalige Bürgermeister Pfeffer eine dritte Glocke versprach, wenn man Eisengussglocken nehmen würde, legten sich die Streitigkeiten. Ein weiterer Grund, warum man sich für den Kauf entschied, liegt in der Angst, Bronzeglocken wieder für Kriegszwecke zu verlieren, denn dies ereignete sich schon zweimal. Am 21. Oktober 1951 wurden sie feierlich eingeweiht.[F 16] Die Inschriften der drei Glocken lauteten:
Die Glocken von 1986Im Jahre 1983 stellte man erhebliche Schäden im Glockenturm fest. Der Turmhelm kam beim Läuten sichtbar ins Schwanken. Die Schäden wurden ausgebessert und man beschloss die Anschaffung drei neuer Bronzeglocken. Sie wurden von der Heilbronner Glockengießerei Bachert gegossen. Wie die Eisengussglocken klingen die drei neuen Bronzeglocken in den Tönen e1, fis1 und a1.[F 17] Sie haben folgende Inschriften:
Die Glocken kosteten 156.000 DM. Durch viele Spenden und den Bemühungen von Pfarrer Wilhelm Brandt konnten die Kosten je zur Hälfte von der Kirchengemeinde und der Kirchenleitung getragen werden. Am 24. Mai 1986 brachte man sie im Kirchturm ein. Am 1. Juni 1986 gab es einen Festgottesdienst.[F 17] Glocken heuteHeute hat die Kirche vier Glocken, die älteste von 1725 und die drei neuen Bronzeglocken von 1986. Liste der Pfarrer in WölfersheimDie Pfarrfolge nach der Reformation.[F 18] Von 1628 bis 1635 gibt es Lücken in der Pfarrfolge durch die Wirrnisse des Dreißigjährigen Krieges.
Siehe auchLiteratur
WeblinksCommons: Evangelisch-reformierte Kirche Wölfersheim – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien
EinzelnachweiseEugen Rieß: 250 Jahre Evangelisch-reformierte Kirche Wölfersheim, Festschrift (Buch), Mai 1991
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