Die Duisburger Filmwoche ist ein Festival und Diskussionsforum für Dokumentarfilm. Sie findet seit 1978 alljährlich im November in Duisburg statt und konzentriert sich auf aktuelle Dokumentarfilme bundesdeutscher Produktionen, seit 1990 zusätzlich auf Produktionen aus der Schweiz und Österreich. Der Begriff Dokumentarfilm wird dabei weit gefasst und lässt Grenzüberschreitungen und „Mischformen“[1] zu.
Den Filmvorführungen folgen Podiumsdiskussionen, die von Journalisten und Filmwissenschaftlern protokolliert und archiviert werden. Diese Protokolle führten des häufigeren zu Auseinandersetzungen und heftigen Debatten über die eigentliche Festivalzeit hinaus.[1]
Die Duisburger Filmwoche geht auf eine Initiative des Duisburger filmforums zurück, das Anfang der 1970er Jahre gemeinsam mit dem Land Nordrhein-Westfalen die Filminformationstage durchführte.
Die erste Duisburger Filmwoche fand vom 28. März bis 3. April 1977 statt und entwickelte sich, als jährliches Treffen im November, in den folgenden Jahren zum Diskussionsforum des künstlerischen Dokumentarfilms in der Bundesrepublik.[3] Darüber hinaus findet sich seit 2002 mit „Ganz nah dran!“ ein Dokumentarfilmprogramm für Kinder im Rahmen der Duisburger Filmwoche, welches seit 2004 unter dem Label „doxs!“ als bundesweit ältestes Festival für Kinder- und Jugenddokumentarfilm lanciert.[4]
Von 1985 bis 2018 leitete Werner Ružička die Duisburger Filmwoche.[5] Ab 2019 übernahmen Gudrun Sommer, Begründerin und bisher Leiterin der Kinder- und Jugendsparte des Festivals, und Christian Koch gemeinsam die Gesamtleitung, gaben diese jedoch nach zwei Jahren wieder auf.[6][7] Für 2021 wurde Alexander Scholz, seit 2015 Pressereferent und Programmgestalter, interimsweise als Kurator berufen. Seit 2022 leitet er das Festival offiziell.[8]
Eine Auswahlkommission, der neben der Festivalleitung erfahrene Filmemacher, Filmwissenschaftler, Fernsehredakteure und Kritiker angehören, stellt aus den Einreichungen das Wochenprogramm für das Festival zusammen.[1] Ein Alleinstellungsmerkmal[9] dabei ist, dass keine Parallelvorführungen stattfinden. Von 2019 bis 2021 war die Festivalleitung nicht Bestandteil der Auswahlkommission.[10]
Duisburger Protokolle
Auf der Duisburger Filmwoche stehen im Anschluss an jeden Film etwa 60 Minuten zur Verfügung, in denen das Publikum gemeinsam mit den Filmemachern, Kameraleuten, Editoren, Redakteuren und weiteren Beteiligten über das Gesehene sprechen kann. Die Gespräche finden dabei nicht wie bei für Filmfestivals üblichen Fragerunden im Kinosaal, sondern in einem separaten Raum des Festivalzentrums statt und folgen in Stil und Form eher einer klassischen Podiumsdiskussion. Diese werden abwechselnd von den Mitgliedern der Auswahlkommission sowie eigens geladenen Gästen moderiert.
Von jungen Journalisten und Filmwissenschaftlern werden hierüber Diskussionsprotokolle erstellt, die ein weiteres Spektrum der Rezeption eröffnen und zur Fortschreibung der Geschichte des deutschsprachigen Dokumentarfilms beitragen. Die Protokolle haben sich in der Form von anfangs reinen Wortprotokollen hin zu Gedächtnisprotokollen als „persönlich gefärbte Einschätzungen der öffentlichen Reaktion auf die Filme, und der Filmemacher auf die (relative) Öffentlichkeit“[11] entwickelt und bieten mittlerweile Raum für persönliche, teils provokante Anmerkungen.
„Um ehrlich zu sein hatte ich damit gerechnet, dass Karmakar, ähnlich wie im letzten Jahr, das Podiumsgespräch aus Mangel an für ihn reizvollen Fragen verärgert abbrechen könnte. An Stelle des Protokolls der nicht gelaufenen Diskussion hätte man sich dann etwas Kunstvolles als Leerstellenfüller einfallen lassen müssen – Haikus, wie Torsten Alisch schon mal vorschlug.“
Sämtliche Protokolle werden vervielfältigt und noch während des Festivals, meist am darauffolgenden Tag, unter den Festivalgästen verbreitet. Zugleich werden die Originale archiviert. In die Duisburger Protokolle sind zudem zahlreiche Debatten eingegangen (wie beispielsweise der Formenstreit „Kreimeier-Wildenhahn“[12]), die in Duisburg ihren Ausgang nahmen und weit darüber hinaus wirkten.
Seit 2011 existiert unter dem Namen Protokult ein vollständiges digitales und öffentlich zugängliches Archiv aller Protokolle seit 1978, das vom Autor Sven Ilgner ins Leben gerufen wurde. Im Zuge des Relaunchs 2020 fand u. a. eine detaillierte Verschlagwortung und teilweise Bebilderung der Protokolle statt.[13] Anhand der damit entstandenen inhaltlichen Verknüpfung sollen „Kontinuitäten und Brüche in der Geschichte des Dokumentarfilms“[14] nachvollziehbar werden.
Motto
Seit 1987 findet die Duisburger Filmwoche unter einem alljährlich wechselnden Motto statt. Damit soll der Fokus von den Filmen als solche auf deren „historisch-gesellschaftlichen, politischen und ästhetischen Kontext“[1] gelenkt werden.
Der ARTE-Dokumentarfilmpreis wird seit 1994 jährlich für den besten deutschen Dokumentarfilm an Produktionen aus Deutschland, seit 2008 auch an Produktionen aus Österreich und der Schweiz vergeben und von einer unabhängigen Jury nominiert. Ab 2019 ist er langen Produktionen vorbehalten.[17] Er ist von Arte derzeit mit 6.000 Euro dotiert.
Preisträger
1994 und sahen was zu machen war (Stephan Sachs; D 1991–94)
Der 3sat-Dokumentarfilmpreis wird seit 1996 jährlich für den besten deutschsprachigen Dokumentarfilm an Produktionen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz vergeben und von einer unabhängigen Jury nominiert. Ab 2019 ist er langen Produktionen vorbehalten.[17] Er ist von 3sat derzeit mit 6.000 Euro dotiert.
Preisträger
1996 Noël Field – Der erfundene Spion (Werner Schweizer; CH/D 1996)
1997 Verrückt bleiben, verliebt bleiben (Elfi Mikesch; D 1997)
2019 Bewegungen eines nahen Bergs (Sebastian Brameshuber; A/F 2019)
2020 Kunst kommt aus dem Schnabel wie er gewachsen ist (Sabine Herpich; D 2020)
2021 Girls | Museum (Shelly Silver; D 2020)
2022 Unrecht und Widerstand (Peter Nestler; D/A 2022)
2023 Einzeltäter Teil 1–3 (Julian Vogel; D 2023)
2024 Was hast Du gestern geträumt, Parajanov? (Faraz Fesharaki; D 2024)
*)
zu gleichen Teilen
Lobende Erwähnung
2019 Träume von Räumen (Matthias Lintner; D 2019)
Preis der Stadt Duisburg
Der Preis der Stadt Duisburg geht aus dem Förderpreis der Stadt Duisburg hervor und wird ab 2019 jährlich an kurze und mittellange Produktionen bis zu 65 Minuten vergeben und von einer unabhängigen, eigens neu eingerichteten Jury nominiert, die auch über die „Carte Blanche“ entscheidet.[17] Er ist von der Stadt Duisburg derzeit mit 5.000 Euro dotiert.
2022 Sonne unter Tage (Alex Gerbaulet, Mareike Bernien; D 2022)
2023 Patterns Against Workers (Olena Newkryta; A 2023)
2024 Die Stimme des Ingenieurs (André Siegers; D 2024)
Lobende Erwähnung
2019 Fleischwochen (Joachim Iseni; A 2019)
2020 Ich habe dich geliebt (Rosa Hannah Ziegler; D 2020)
2023 Xabûr (Nafis Fathollahzadeh; D/IR 2023)
„Carte Blanche“ Nachwuchspreis des Landes NRW
Der „Carte Blanche“ Nachwuchspreis des Landes NRW wurde von 2013 bis 2018 jährlich von zwei Mitgliedern der beiden Dokumentarfilmpreis-Jurys nominiert, ab 2019 von der Jury des Preises der Stadt Duisburg.[17] Er ist vom Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen derzeit mit 5.000 Euro dotiert. Mit der „Carte Blanche“ wird ausdrücklich nicht ein bereits existierender Film prämiert, stattdessen soll das Preisgeld in das nächste Projekt der ausgezeichneten Filmemacher fließen.[18]
Preisträger
2013 Assessment (Mischa Hedinger; CH 2013)
2014 Hier sprach der Preis (Sabrina Jäger; D 2014)
Der Dokumentarfilmpreis des Goethe-Instituts wurde 2003 erstmals von einer Jury des Goethe-Instituts nominiert und auf der Duisburger Filmwoche verliehen. Von 2011 bis 2021 fanden Auswahl und Preisverleihung im Rahmen von DOK Leipzig statt.[19] Seit 2022 wird er alternierend auf den Dokumentarfilmfestivals DOK.fest München, DOK Leipzig, Duisburger Filmwoche und Kasseler Dokfest vergeben.[20] Er ist derzeit mit 2.000 Euro dotiert.
Preisträger (im Rahmen der Duisburger Filmwoche)
2003 Für den Schwung sind Sie zuständig (Margarete Fuchs; D 2003)
2004 Hat Wolff von Amerongen Konkursdelikte begangen? (Gerhard Friedl; D 2004)
2005 Mein Bruder – We’ll Meet Again (Thomas Heise; D 2005)
2010 Auf Teufel komm raus (Mareille Klein, Julie Kreuzer; D 2010)
Publikumspreis der Rheinischen Post
Der Publikumspreis der Rheinischen Post wird seit 2001 jährlich von einer Jury der Leser der Rheinischen Post nominiert. Er ist von der Rheinischen Post derzeit mit 1.000 Euro dotiert.
2023 Vista Mare (Julia Gutweniger, Florian Kofler; A/I 2023)
2024 Dear Beautiful Beloved (Juri Rechinsky; A 2024)
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vergeben als „Online-Publikumspreis“
Ehemals verliehene Preise
Preis der deutschen Filmkritik
Der Preis der deutschen Filmkritik für den besten Dokumentarfilm des Jahres wird seit 1980 vergeben und von der Arbeitsgemeinschaft der Filmjournalisten nominiert. Von 1987 bis 1993 wurde er auf der Duisburger Filmwoche verliehen.
Die Jury berücksichtigte bei der Nominierung nicht ausschließlich die auf der Duisburger Filmwoche präsentierten Dokumentarfilme, sondern sämtliche Produktionen des zurückliegenden Jahres. So kam es einmal dazu, dass ein in Duisburg abgelehnter Film ausgezeichnet wurde.[1]
Förderpreis des Verbandes der Deutschen Filmkritik
Der Förderpreis des Verbandes der Deutschen Filmkritik in der Sparte Dokumentarfilm wurde 1994 erstmals auf der Duisburger Filmwoche verliehen. Er war bis 1998 dotiert und ging nach Empfehlung der Jury[21] zu 2000 in den Förderpreis der Stadt Duisburg über.
↑Hans Helmut Prinzler: Chronik, 1895-2004. In: Wolfgang Jacobsen, Anton Kaes, Hans Helmut Prinzler (Hrsg.): Geschichte des deutschen Films. 2. Auflage. Metzler, Stuttgart 2004 (filmportal.de [abgerufen am 2. Februar 2015]).
↑Kulturmanagement Network (Hrsg.): Neues Dokumentarfilmfestival für Kinder und Jugendliche. (online (Memento vom 21. September 2013 im Internet Archive) [PDF; 272kB; abgerufen am 17. August 2013]).
↑Duisburger Protokult. In: Sennhausers Filmblog. 6. November 2011 (online (Memento vom 16. Oktober 2013 im Internet Archive) [abgerufen am 16. Oktober 2013]).
↑Film, Fernsehen, Hörfunk. Selbstdarstellung. Goethe-Institut, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 19. April 2020; abgerufen am 10. November 2019.
↑Dokumentarfilmpreis. Preise und Auszeichnungen. Goethe-Institut, 17. Juli 2024, abgerufen am 27. August 2024.