Der Messias (Händel, arr. Mozart)Der Messias, KV 572, ist eine Bearbeitung, die Wolfgang Amadeus Mozart 1789 von Händels Oratorium Messiah anfertigte. Seine Version beruht auf einem deutschen Text und benutzt ein Orchester, in dem Blasinstrumente anders eingesetzt werden als in Händels barockem Werk, das 1742 in Dublin uraufgeführt wurde. Mozart schrieb die Fassung auf Initiative von Gottfried van Swieten für mehrere Aufführungen vor geladenen Gästen in Wiener Adelshäusern. Obwohl seine Fassung nur für diese Aufführungen gedacht war, wurde sie 1803, zwölf Jahre nach Mozarts Tod, veröffentlicht. Sie erschien in einer kritischen Ausgabe 1961 in der Neuen Mozart-Ausgabe und wird bis heute gespielt. Händels OratoriumHändel vertonte ein englisches Libretto, das Charles Jennens aus Bibelstellen zusammengestellt hatte, wobei er überwiegend Texte aus dem Alten Testament verwendete.[1] Der Aufbau des Oratoriums folgt dem Kirchenjahr. Teil I behandelt Advent, Weihnachten, und das Leben Jesu. Teil II stellt die Passion in den Mittelpunkt, gefolgt von Ostern, Himmelfahrt und Pfingsten. Teil III widmet sich dem Ende des Kirchenjahres mit dem Blick auf Tod und Auferstehung. Geburt und Tod des Messias werden durch die Prophezeiungen Jesajas dargestellt. Die einzige Szene des Oratoriums ist die Verkündigung an die Hirten aus dem Lukasevangelium. Bilder von Schafen und Hirten durchziehen den Text.[2] Für die musikalische Deutung des Textes benutzte Händel dieselben Mittel wie in seinen Opern und anderen Oratorien: Solo- und Chorgesang. Nur zwei Sätze sind rein instrumental. Händel setzte vier Stimmen ein, Sopran, Alt, Tenor und Bass, sowohl in solistischen Rezitativen und Arien als auch im Chor. Nur in einem Chorsatz ist der Sopran geteilt, sonst singt der Chor vierstimmig. Die Soli sind oft eine Kombination von Rezitativ und Arie für dieselbe Stimmlage. Händel benutzte sowohl Polyphonie wie Homophonie, um die Texte zu deuten.[3] Mozarts BearbeitungGeschichteMozart hatte Händels Messiah wahrscheinlich als Neunjähriger in London 1764/65 gehört[4] und ein weiteres Mal in Mannheim, als er dort 1777 auf dem Weg nach Paris Station machte. Die erste Aufführung des Werkes in Deutschland war 1772 in Hamburg.[5] Carl Philipp Emanuel Bach leitete dort 1775 die erste Aufführung in deutscher Sprache. Die Übersetzung wurde von Friedrich Gottlieb Klopstock und Christoph Daniel Ebeling erstellt[6][7] und für weitere Aufführungen verfeinert.[6] Mozart arrangierte Händels Messiah wie auch andere seiner Werke für Akademien, also Aufführungen für geladene Gäste in den Häusern von Wiener Adeligen. Sie wurden von Gottfried van Swieten organisiert, der dafür die Gesellschaft der Associierten Cavaliers gegründet hatte. Mozart spielte ein Tasteninstrument in Konzerten der Gesellschaft, zum Beispiel für eine Bearbeitung von Händels Judas Maccabäus durch den Hoftheaterkomponisten Josef Starzer.[8] 1788 wurde Mozart Leiter der Konzerte und bearbeitete Händels Acis and Galatea, gefolgt von Messiah 1789, und im folgenden Jahr Ode for St. Cecilia’s Day (Cäcilienode) und Alexander’s Feast (Das Alexanderfest).[9] Van Swieten besaß eine Ausgabe von Händels Messiah, die bei „Randall and Abel“ 1769 gedruckt worden war.[4] Zwei Kopisten übernahmen aus ihr für Mozart die Satzfolge mit den Tempo- und Dynamikbezeichnungen, die Singstimmen und den Streichersatz, und ließen Platz für die Einfügung weiterer Stimmen.[2][8] Die Proben fanden im Haus van Swietens statt.[8] Der Messias wurde am 6. und 7. März 1789 bei Graf Johann Esterházy mit Mozart am Fortepiano und zwölf Chorsängern aufgeführt. Die Solisten waren Mozarts Schwägerin Aloisia Lange, Katharina von Altomonte, Josef Valentin Adamberger und Ignaz Saal.[10] Das Konzert wurde bei Johann Wenzel Paar wiederholt und zwei weitere Male um Weihnachten des Jahres im Winterpalast des Fürsten Schwarzenberg gegeben.[9] Mozart plante seine Version für diese Aufführungen nicht für eine Veröffentlichung. Sie wurde 1803, 12 Jahre nach seinem Tod, von Breitkopf & Härtel gedruckt.[9] Der Herausgeber Friedrich Rochlitz verwendete einen anderen Text, eine Mischfassung der Übersetzung von Klopstock-Ebeling und einer Übersetzung von Johann Adam Hiller.[6] Rochlitz würdigte Mozarts Leistung in einer Ankündigung der Publikation in der Allgemeinen musikalischen Zeitung: „Er hat mit äußerster Delikatesse nicht berührt, was über den Stempel seiner Zeit erhaben war … Die Chöre sind ganz gelassen, wie sie Händel geschrieben hat, und nur behutsam hin und wieder durch Blasinstrumente verstärkt.“[8] Die erste Urtextausgabe erschien 1961 als Teil der Neuen Mozart-Ausgabe. Text und MusikMozart lag eine Übersetzung von Klopstock und Ebeling vor, die bereits Carl Philipp Emanuel Bach verwendet hatte.[6] Sie wurde teilweise verändert, wahrscheinlich durch van Swieten.[6] Mozart schrieb wie in seiner Großen Messe in c-Moll für zwei Solosopranstimmen, während Händel Sopran und Alt verwendet hatte. Manchmal teilte Mozart Chorstellen den Solisten zu, und er änderte die Stimmlage einiger Rezitative und Arien. Er kürzte die Musik, indem er einige Sätze nicht übernahm und von einer Da-capo-Arie nur den Hauptteil singen ließ.[9] Er ersetzte die letzte Arie durch ein Rezitativ,[10] und fand van Swietens Zustimmung, der ihm schrieb: „Ihr Gedanke, den Text der kalten Arie in ein Recitativ zu bringen, ist vortrefflich ... Wer Händel so feierlich und so geschmackvoll kleiden kann, dass er einerseits auch den Modegecken gefällt, und andererseits doch immer in seiner Erhabenheit sich zeigt, der hat seinen Werth gefühlt, der ist zu der Quelle seines Ausdrucks gelangt, und kann und wird sich daraus schöpfen“.[8] Mozart benutzte ein Symphonieorchester seiner Zeit, wie Händel ein barockes Orchester verwendet hatte, wobei auch Händel seine Werke jeweils den zur Verfügung stehenden Musikern anpasste. Mozarts Orchester besteht aus zwei Flöten mit Piccolo, zwei Oboen, zwei Klarinetten, zwei Fagotten, zwei Hörnern, drei Posaunen, zwei Trompeten, Pauken, Streichern und einem Tasteninstrument. Mozart setzte vor allem die Blasinstrumente (Harmonie) mehr ein und gab durch bestimmte Instrumente einzelnen Sätzen eine besondere Farbe.[9] Mozart verwendete Klarinetten, die erst zu seiner Zeit Eingang ins Orchester fanden.[9] Er gab Oboen und Fagotten unabhängige Stimmen, während Händel die Oboen lediglich zur Stimmverdoppelung und das Fagott als Teil des Continuo einsetzte.[10] In einigen Chorsätzen ließ Mozart ein Blasinstrument den Sopran colla parte unterstützen, während ein Chor von drei Posaunen mit den Unterstimmen spielte. Die Trompete war im Barock ein Symbol weltlicher und göttlicher Macht und wurde von Virtuosen gespielt. Mozart stand jedoch in Wien kein Trompeter zur Verfügung, der den Part hätte spielen können. Händel hatte eine Trompete für die Arie über das Jüngste Gericht eingesetzt, entsprechend dem englischen Text The trumpet shall sound. Auf Deutsch heißt es „Sie schallt, die Posaun’“, und Mozart entschied sich nach mehreren Versuchen für das Horn.[10] Als Continuo-Tasteninstrument in Rezitativen benutzte Mozart vermutlich das Fortepiano,[10] da in privaten Häusern meist keine Orgel zur Verfügung stand.[9] AufbauDie folgenden Tabellen legen die Nummerierung der Urtextausgabe der Neue Mozart-Ausgabe (NMA) von 1989 zugrunde. Die dritte Spalte enthält die korrespondiere(n) Nummer(n) der Hallischen Händel-Ausgabe (HHA) von Händels Messiah. Mozart benutzte italienische Bezeichnungen, Overtura für die Ouvertüre, Recitativo (Rec.) für ein secco-Rezitativ, das nur vom Continuo begleitet wird, Recitativo accompagnato ed aria (Acc. & Arie) für ein begleitetes Rezitativ, dem eine Arie in der gleichen Stimmlage folgt, und Coro für Chorsätze. Die Stimmen sind abgekürzt, Sopran (S, SII), Alt (A), Tenor (T) und Bass (B).[9] Parte prima
Parte seconda
Parte terza
Änderungen und einzelne SätzeDer Musikwissenschaftler David Schildkret untersuchte in seinem Aufsatz „Mozart contemplating a work of Handel“ Satz für Satz, welche Änderungen Mozart vornahm und ob er sich auf Hauptteil oder Anhang in der Partitur Händels stützte. Er fasst zusammen:[4]
1In der Einleitung fügt Mozart im Grave-Teil Stimmen für zwei Hörner, drei Posaunen und zwei Fagotte hinzu.[4] 5In Denn er wird reinigen werden die Chorstimmen mit Ausnahme des Schlusses Solostimmen zugewiesen.[4] 9Das Klangbild der Hirtenmusik Pifa wird von Piccolo und vielen anderen Bläsern sowie Streichern mit Dämpfer (con sordino) bestimmt. Mozart ändert Händels Streicheraufteilung von drei Violinen und Viola zu zwei Violinen und zwei Violen.[4] 12In Ehre sei Gott fügt Mozart viele Bläserstimmen hinzu und schreibt neue Stimmen für Trompeten und Pauken.[4] 32In Halleluja spielen alle Bläser mit, mit neuen Stimmen für Trompeten und Pauken.[4] 34In Wie durch einen der Tod, das bei Händel vom unbegleiteten Chor gesungen wird, lässt Mozart, Oboen, Klarinetten, Fagotte und Hörner mitspielen, die Hörner allerdings nur stellenweise.[4] 38In Würdig ist das Lamm spielen alle Bläser mit, mit neuen Stimmen für Trompeten und Pauken.[4] Aufführungen und EinspielungenDer Musikwissenschaftler Michael Steinberg führt drei Gründe an, auch Mozarts Fassung weiterhin zu spielen, obwohl seit den 1970er Jahren eine Tendenz besteht, Musik im ursprünglichen Klangbild aufzuführen. Die Fassung enthält gute Musik, sie klingt anders als Händels weitverbreitete Musik und regt dadurch zu aufmerksamerem Hören an, und sie dokumentiert, wie sich Stil und Geschmack veränderten.[10] Die Bearbeitung gewährt außerdem Einblick in Mozarts Arbeitsweise.[11] Mozarts Fassung wird bis heute aufgeführt und aufgenommen. Michel Corboz dirigierte eine Aufnahme mit dem Ensemble Vocal et Instrumental de Lausanne[12] und den Solisten Audrey Michael, Magali Dami, Jard van Nes, Hans Peter Blochwitz und Marcos Fink, die 2009 wieder erschien.[13] 1988 leitete Charles Mackerras die Huddersfield Choral Society und das Royal Philharmonic Orchestra, mit Felicity Lott, Felicity Palmer, Philip Langridge und Robert Lloyd, wobei er allerdings von Mozart lediglich die Instrumentierung übernahm.[11][2] Helmuth Rilling leitete die Gächinger Kantorei und das Bach-Collegium Stuttgart in einer Aufnahme von 1992 mit den Solisten Donna Brown, Cornelia Kallisch, Roberto Saccà und Alastair Miles.[12] Im Jahr 2011 leitete Jürgen Budday den Maulbronner Kammerchor und die Hannoversche Hofkapelle, mit Marlis Petersen, Margot Oitzinger, Markus Schäfer und Marek Rzepka.[13] Der NDR Chor, geleitet von Philipp Ahmann, sang das Werk in einer Serie von Konzerten 2012, mit Ruth Ziesak, Gerhild Romberger, Werner Güra, Hanno Müller-Brachmann und dem Concerto Köln.[7] 2014 leitete Hermann Max die Rheinische Kantorei und Das Kleine Konzert, mit Monika Frimmer, Mechthild Georg, Christoph Prégardien und Stephan Schreckenberger.[13] In der Mozartwoche 2020 des Mozarteums Salzburg inszenierte Robert Wilson den Messias mit Les Musiciens du Louvre unter Marc Minkowski. Quellen
Literatur
WeblinksCommons: Messiah – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien
Einzelnachweise
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