Zwölf-Schritte-ProgrammDas Zwölf-Schritte-Programm ist ursprünglich ein Programm der Anonymen Alkoholiker (AA), das Alkoholikern zur Abstinenz vom Alkohol und zu einem neuen Lebensstil verhelfen soll. Das Programm wurde in den 1930er Jahren von William Griffith Wilson und Robert Holbrook Smith als Blaues Buch festgehalten und erläutert. Zielgruppen waren sowohl Alkoholiker als auch Ärzte, Therapeuten und Vertreter religiöser Gruppen, die Trunksüchtigen helfen wollten. Zwölf-Schritte-Gruppen, Anonyme Gruppen oder A-Gruppen sind Selbsthilfegruppen, die sich nach dem Zwölf-Schritte-Programm richten. Nach dem Vorbild der Anonymen Alkoholiker haben sich auch Gruppen zu anderen Problemen gebildet und das Programm inhaltlich entsprechend angepasst. Die Anonymen Programme oder A-Programme tragen in ihren Namen das Wort „Anonym“ (Betroffenengruppen) oder „Anon“ (Angehörigengruppen). Die zwölf SchritteMitgliedern in Zwölf-Schritte-Gruppen wird empfohlen, auf freiwilliger Basis die Zwölf Schritte durchzuarbeiten, eine Bedingung für die Teilnahme an den Treffen ist das nicht. Die Zwölf Schritte sind im Originalwortlaut urheberrechtlich geschützt, deshalb kann Wikipedia nur eine textliche Abwandlung veröffentlichen. Der Originalwortlaut der Schritte eins bis neun ist in der Vergangenheitsform, die Schritte zehn bis zwölf in der Gegenwartsform geschrieben, und wurde von den Urhebern als rückblickender Leitfaden ihrer eigenen Genesung/Gesundung verfasst. Es folgt eine sinngemäße Abwandlung des Textes des Zwölf-Schritte-Programmes, wie er in den Zwölf-Schritte-Gruppen genutzt wird. Der Wortlaut unterscheidet sich häufig bei den einzelnen Gruppen (siehe beispielsweise AA, ACA, EA, NA, oder OA).
Zwölf-Schritte-GruppenVerbreitungDie überwiegende Mehrzahl der Zwölf-Schritte-Gruppen beschäftigt sich mit Drogenabhängigkeit. Im Jahre 2004 trafen sich in über 180 Ländern mehr als 100.000 Anonyme-Alkoholiker-Gruppen, 61.000 Narcotics-Anonymous-Gruppen, 550 Nicotine-Anonymous-Gruppen. Dazu kommen noch über 24.000 Al-Anon-Familiengruppen für Angehörige von Alkoholikern sowie 1.800 Alateen-Gruppen.[1] Die geografische Verteilung häuft sich im Ursprungsland USA. Mit anderen Themen beschäftigen sich weltweit mehr als 1200 EA-Gruppen, 500 CoDA-Gruppen und eine Vielzahl kleinerer Zwölf-Schritte-Programme.
Zusammenkünfte/Sitzungen/TreffenDie Gruppen dienen der Selbsthilfe. Alkoholiker helfen Alkoholikern, Angehörige Angehörigen. Sie treffen sich regelmäßig, meist wöchentlich zu gemeinsamen Zusammenkünften, in den Gruppen werden diese Treffen als Meetings bezeichnet. Es bleibt jedem Teilnehmer überlassen, ob und wie häufig er die Treffen besucht. Die Treffen werden ausschließlich von den Betroffenen selbst organisiert. Ein Chair (von engl. chair person, Vorsitzender) moderiert. Dieser Dienst wird entweder durch Wahl oder nach Rotationsprinzip besetzt und kann von jedem Teilnehmer übernommen werden. Weder der Chair noch andere Dienste haben eine hierarchische Sonderstellung. Es gibt kein Therapeuten-Klienten-Verhältnis. Viele Teilnehmer suchen sich aber einen erfahrenen Sponsor. Dieser sollte schon längere Zeit „trocken“ sein, viel Erfahrung mit dem Programm haben und insbesondere in Notlagen (wie akutem Suchtdruck) erreichbar sein. An geschlossenen Treffen nehmen nur direkt Betroffene teil. Offene Treffen stehen auch Angehörigen, Fachpersonen und anderen Interessierten offen. Manche Gruppen veranstalten auch öffentliche Informationstreffen. Die Gruppen bestimmen den Ablauf der Gruppentreffen selbst. Der typische Ablauf enthält folgende Elemente: Vorstellungsrunde („Ich heiße Bill, ich bin Alkoholiker.“ – „Hi, Bill!“); Vorlesen von Präambel, Zwölf Schritten und Zwölf Traditionen; gemeinsames Sprechen des Gelassenheitsgebets. Häufig werden auch Texte aus der Literatur vorgelesen. Je nach Gruppe kommen weitere Elemente hinzu. Den größten Raum bei den Treffen nimmt das „Teilen von Erfahrung, Kraft und Hoffnung“ ein. Die Teilnehmer sprechen über ihre Erfahrungen. Sie können frei über alles sprechen, was sie bewegt. Die anderen Teilnehmer dürfen weder Feedback noch ungefragte Ratschläge geben. Manche Gruppen begrenzen die Redezeit und haben weitere Regeln, um einen konstruktiven Meetingablauf zu gewährleisten. LiteraturLiteratur spielt bei den Zwölf-Schritte-Gruppen eine wichtige Rolle. Den Kern bilden die Zwölf Schritte und Zwölf Traditionen, entweder in der ursprünglichen Fassung der AA oder in einer angepassten Variante, die alle Bezüge auf „Alkohol“ und „Alkoholismus“ durch das entsprechende Gruppenthema ersetzt. Fast alle Gemeinschaften fassen ihr Programm in einer kurzen „Präambel“ zusammen. Neben den AA selbst verwenden auch viele abgeleitete Zwölf-Schritte-Gruppen das „Blaue Buch“ (engl. Originaltitel Alcoholics Anonymous, umgangssprachlich Big Book genannt) der AA. Es enthält die Zwölf Schritte, Zwölf Traditionen, Zwölf Versprechen, einige Slogans, die Gründungsgeschichte der AA und zahlreiche Lebensgeschichten. Einige Gemeinschaften haben diesem Vorbild entsprechende eigene Bücher herausgebracht, etwa „Basic Text“ (NA), „Al-Anon Familiengruppen“ (Al-Anon) oder das „CoDA Buch“ (CoDA). Die meisten Gemeinschaften geben zahlreiche weitere Literatur heraus, wie Informationsbroschüren, Meditationsbücher, Lebensgeschichten. Diese werden für Öffentlichkeitsarbeit, Selbststudium und auch während der Meetings genutzt. Die meisten Gruppen legen Wert darauf, dass sie nur „konferenzgeprüfte“ Literatur verwenden. Neue Literatur muss bei überregionalen Konferenzen von einer Mehrheit angenommen worden sein. Außerdem wird nur selbstverfasste Literatur genutzt, da Zwölf-Schritte-Gruppen von externen Einrichtungen, wie einzelnen Autoren oder Institutionen unabhängig bleiben wollen (6. Tradition). SpiritualitätDas Zwölf-Schritte-Programm ist nach dem Selbstverständnis der Gründer ein spirituelles Programm. Dass Spiritualität für manche Alkoholiker die letzte Rettung sein kann, fasste der Psychiater C. G. Jung 1961 in einem Brief an den Mitgründer der AA Bill W. mit dem Wortspiel „spiritus contra spiritum“ (lat. „Geist gegen Weingeist“) zusammen. Zwölf SchritteDie Zwölf Schritte sind in der Vergangenheitsform geschrieben, weil sie Erfahrungen dokumentieren. Sie zeichnen den Weg nach, der bei den Berichtenden zu spirituellem Erwachen und Genesung führte. Die Arbeit in den Schritten ist eine Empfehlung. Es wird aber in der Literatur klar darauf hingewiesen, dass eine „Genesung, die nicht nur die Symptome bekämpft“, ohne das „Leben in den Schritten“ kaum möglich ist. Sie ist keine Bedingung für die Mitgliedschaft. Die Teilnahme an Meetings steht auch Menschen offen, die sich (noch) nicht nach den Schritten richten wollen. Im Prinzip gibt es nur eine geistige/ideelle Mitgliedschaft, für die sich die Person selbst entscheidet. Es widerspricht sich, „Mitglied“ in einer 12-Schritte-Gruppe sein zu wollen und den Inhalt der Schritte kategorisch abzulehnen. Bei einer anfänglichen Ablehnung der Schritte kommt es oft zur Akzeptanz im Laufe der Zeit. OrganisationDie Zwölf-Schritte-Gemeinschaften verstehen sich als basisdemokratisch organisierte Graswurzelbewegungen. Der Aufbau richtet sich nach den Zwölf Traditionen und zwölf Konzepten. GruppeOrganisatorische Grundlage sind die einzelnen Gruppen. Neue Gruppen können jederzeit gegründet werden. Wenn sich zwei oder drei Personen über ihre Genesung unterhalten, können sie sich A-Gruppe nennen, vorausgesetzt, dass sie als Gruppe keine andere Bindung eingehen (3. Tradition). In ihren eigenen Angelegenheiten sind die Gruppen selbstständig und nur ihrem Gruppengewissen gegenüber verantwortlich (2. und 4. Tradition), solange die Angelegenheit nicht andere Gruppen oder die Gemeinschaft als Ganzes betreffen. Die Gruppen sind finanziell unabhängig. Sie finanzieren sich ausschließlich über die Spenden ihrer Mitglieder. Es werden keine Gelder von außen angenommen, um nicht in Abhängigkeiten zu geraten (7. Tradition). Die Gruppen sind auch unabhängig von Religionen, Sekten, Parteien usw. IntergruppeAlle Angelegenheiten, die andere Gruppen betreffen, sollten mit diesen gemeinsam beraten werden. Diese Beratungen finden gelegentlich auf gemeinsamen Zusammenkünften aller Beteiligten, meist aber durch Gruppenvertreter in Intergruppen-Komitees statt. Diese werden je nach Bedarf auf Stadt-, Bezirks-, Staats-, nationaler und internationaler Ebene eingerichtet. Die Gruppensprecher werden von den Gruppenmitgliedern gewählt. Sie haben keine Entscheidungsbefugnisse gegenüber der Gruppe. Ihre Aufgabe ist lediglich, den Willen der Gruppe nach außen zu vertreten. Nach Möglichkeit werden Beschlüsse im Konsens gefasst. Nur in Ausnahmefällen werden Mehrheitsbeschlüsse gefasst, um die manchmal Jahre dauernden Konsensfindungsprozesse abzukürzen. Kein Intergruppen-Dienstinhaber hat irgendeinem Mitglied gegenüber Macht oder Weisungsbefugnis. Alle Ausschüsse können ihren Mitgliedern lediglich Empfehlungen aussprechen. VereinDie einzelnen Gruppen haben keine rechtliche Struktur. Sie sind ein formloser Zusammenschluss von Menschen, die an den Meetings teilnehmen. Die Teilnehmer bleiben anonym. Für überregionale Arbeit, wie die Bereitstellung von Literatur und den Abschluss von Verträgen, ist dagegen eine juristische Person von Vorteil. Zu diesem Zweck haben einige Zwölf-Schritte-Gemeinschaften eingetragene Vereine gegründet. Die Aktiven werden in den Jahresversammlungen der Intergruppen gewählt. Dann werden sie durch eine zweite Wahl in den Verein aufgenommen. Mit diesem Schritt verlieren die Mitglieder ihre Anonymität. Nach außen erscheinen sie als „Angehörige von Betroffenen“. Laut Satzung haben die Vereine die Interessen ihrer jeweiligen Zwölf-Schritte-Gruppe zu vertreten. Formal ist die Jahresversammlung dem Verein nicht weisungsbefugt.[3] Gemeinsamer DienstausschussDie Integrität der Gemeinschaft als ganzes stellt der Gemeinsame Dienstausschuss der jeweiligen Programme sicher. Er koordiniert die Öffentlichkeitsarbeit der gesamten Gemeinschaft. Eine Sonderstellung hat dabei Alcoholics Anonymous World Services, Inc. als Inhaber des Urheberrechts an den Zwölf Schritten. Weitere „Zwölf-Schritte“-EinrichtungenKlinikenEs gibt psychosomatische Fachkliniken, deren Therapie das Zwölf-Schritte-Programm als heilenden Prozess für Süchtige akzeptiert und respektiert. Im Bad Herrenalber Modell von Walther H. Lechler bildet es die geistige und spirituelle Grundlage des therapeutischen Prozesses. Viele Patienten nennen diese Kliniken vereinfachend „Zwölf-Schritte-Kliniken“, zur Abgrenzung von anderen Therapiekonzepten. Da Zwölf-Schritte-Gruppen außenstehende Einrichtungen weder gutheißen (6. Tradition), noch von ihnen finanzielle Unterstützung annehmen (7. Tradition) können, sind Kliniken und Gruppen organisatorisch getrennt. In der Praxis stellen solche Kliniken Räume für Meetings bereit und empfehlen zusätzlich die längerfristige Teilnahme an Zwölf-Schritte-Gruppen im Rahmen der Nachsorge. Aufenthalte in den sogenannten Zwölf-Schritte-Kliniken werden auf Antrag und fachärztlicher Krankenhauseinweisung bei medizinischer Notwendigkeit von den gesetzlichen Krankenkassen oder Rentenversicherungsträgern bezahlt. Alle sog. Zwölf-Schritte-Kliniken befinden sich in privater Trägerschaft. Der Begriff 12-Schritte-Klinik wird aber auch von den Kliniken selbst heutzutage offiziell abgelehnt. SelbsthilfegruppenEs gibt weitere Selbsthilfegruppen und Organisationen, die Teile des Zwölf-Schritte-Programms oder der Organisationsstruktur übernehmen. Einige beziehen sich direkt auf die Zwölf Schritte der AA, manchmal deuten nur der Name oder einzelne Begrifflichkeiten eine mutmaßliche Nähe zu den AA an. Zwölf-Schritte-Gruppen im engeren Sinne orientieren sich an den Zwölf Schritten und den Zwölf Traditionen der AA, sie ändern an diesen Texten nur das jeweilige Problem und sie beachten das Copyright des Alcoholics Anonymous World Services, Inc. an den Texten. Synanon und Narconon haben, trotz der Endsilbe „-non“ im Namen, keine Verbindung mit dem Zwölf-Schritte-Programm, weder inhaltlich noch organisatorisch. Die Endlich-Leben-Gruppen verwenden die Zwölf Schritte, ergänzen und verändern sie aber im christlichen Sinne. Organisatorisch sind sie an Kirchengemeinden gebunden, hier ist mit dem Begriff Gott klar der christliche Gott gemeint. Recovery Anonymous übernimmt die Zwölf Schritte und Traditionen, verwendet die ursprüngliche, christlich orientierte Literatur der AA-Gründer, von der sich diese später distanzierten, und ergänzt sie um detaillierte Leitfäden zur Meetingorganisation. KritikMonopolisierungIn den USA, und zunehmend auch in Deutschland, wird das Zwölf-Schritte-Programm als wichtigste, oft einzige Selbsthilfegruppe für Abhängige und ihre Angehörigen empfohlen. Dieser Umstand ist vor allem auf individuelle Entscheidungen derjenigen zurückzuführen, die die Empfehlung aussprechen (z. B. Ärzte und Psychologen). ZwangsteilnahmeGegen den Grundgedanken der freiwilligen Teilnahme an den Sitzungen steht, wenn jemand aufgrund externen Drucks gegen seinen Willen daran teilnimmt, z. B. als gerichtliche Auflage. Viele Gefängnisinsassen bekommen Freigang für die Teilnahme an Zwölf-Schritte-Sitzungen. Es gibt Sitzungen, die Zwangsteilnehmern die geforderten Teilnahmenachweise ausstellen. Religiöses WesenDas New Yorker Berufungsgericht hat 1996 im Fall „Griffin v. Coughlin“ letztinstanzlich festgestellt, dass „Angehörigkeit bei der Gemeinschaft der AA eine Beteiligung an religiösen Handlungen und religiöser Missionierung mit sich bringt.“[4] Wirksamkeit
AlternativenZitat aus einer kritischen Schrift über die Anonymen Alkoholiker der Bundesvereinigung für Gesundheit e. V.: „Die schwachen Ergebnisse verschiedener Therapierichtungen legen nahe, dass die Alternative zu AA nicht unbedingt professionelle Therapie sein muss. Zur Überwindung von Alkoholproblemen ist wahrscheinlich soziale Unterstützung durch Gleichgesinnte hilfreich. Grundsätzlich hat sich das Konzept von Selbsthilfegruppen durchaus bewährt, nur brauchen diese nicht notwendigerweise auf den spirituellen Prinzipien von Alcoholics Anonymous beruhen.“[5] Es gibt viele andere Selbsthilfegruppen, die nicht nach dem Zwölf-Schritte-Programm arbeiten. Es gibt zahlreiche Selbsthilfeangebote für viele verschiedene Krankheiten und Problembereiche mit den unterschiedlichsten inhaltlichen Ausrichtungen und Methoden. Qualifizierte therapeutische und soziale Hilfen gibt es für alle Themen, zu denen es auch Zwölf-Schritte-Gruppen gibt. Anlaufstellen sind etwa Ärzte, Psychotherapeuten, Wohlfahrtsverbände und Selbsthilfekontaktstellen. Weitere Selbsthilfegruppen: Freundeskreise für Suchtkrankenhilfe, Kreuzbund, Guttempler, Blaues Kreuz Es gibt auch Selbsthilfegruppen, welche das Zwölf-Schritte-Programm dergestalt adaptiert haben, dass es ohne Gottesbezug auskommt. Ein Beispiel ist die anonyme Sucht-Selbsthilfe Fährhaus in München.[11] LiteraturIntern
Extern
Einzelnachweise
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