Nach seinem Abitur begann Wladimir Gall 1936 ein Studium an der Moskauer Hochschule für Geschichte, Philosophie und Literatur in den Fachrichtungen Weltliteratur und Deutsch. Zu seinen Lehrern gehörte Lew Kopelew. Nach erfolgreichem Abschluss seines Studiums meldete er sich freiwillig zur Roten Armee, da nach dem Überfall Deutschlands auf die Sowjetunion Moskau bereits zum Kampf im Großen Vaterländischen Krieg aufgerufen hatte.
Aufgrund seiner guten Deutschkenntnisse wurde Wladimir Gall einer Sondereinheit zugeteilt. Seine Aufgabe bestand darin, direkt an der Hauptkampflinie mit Lautsprecherwagen die deutschen Soldaten über die Ursachen des Krieges, den Faschismus in Deutschland und über die Rolle der Roten Armee aufzuklären. Mehrfach wurde sein Trupp hierbei schwer beschossen. Während dieser Zeit lernte er Konrad Wolf kennen, der eine ähnliche Aufgabe wie er hatte und Gall später mit seinem Film Ich war 19 ein Denkmal setzte.
Im April 1945 erreichte Wladimir Gall mit seiner Einheit Berlin. Nach Erreichen von Berlin-Spandau wurde er zusammen mit Major Grischin als Parlamentär eingesetzt. Offiziere der Wehrmacht und der SS hatten sich in der dortigen Zitadelle verschanzt. Da bei einem Angriff auch mehrere Hundert Zivilisten in der Zitadelle ums Leben gekommen wären, entschloss man sich, mit dem Kommandanten hinsichtlich einer Kapitulation zu verhandeln. Diese erfolgte am 1. Mai 1945, also wenige Tage vor Ende des Zweiten Weltkrieges.[1]
Nach Kriegsende wurde Wladimir Gall Leiter der Kulturabteilung der SMAD in Halle (Saale). Nach seiner Rückkehr in die Sowjetunion arbeitete er zunächst als Lehrer an der Antifa-Zentralschule in Krasnogorsk, später als Hochschuldozent für Fremdsprachen in Moskau. In Vorlesungs- und Diskussionsreisen nach Deutschland trat er mehrere Jahrzehnte für die Völkerverständigung der Sowjetunion mit Deutschland ein.
Ehrungen
In Wolfen trug eine Jugendbrigade des ORWO-Werkes den Namen Wladimir Gall.
2005 ehrte der Bezirk Spandau Wladimir Gall durch den Eintrag in das Ehrenbuch Spandaus.[3]
Im Mai 2015 wurde eine Gedenktafel für Gall und Major Grischin in der Zitadelle Spandau angebracht.[4]
Zum hundertsten Geburtstag Wladimir Galls wurde der um die Zitadelle Spandau führende Weg, am 20. Januar 2019 mit einem Festakt der Bezirksverordnetenversammlung, in Wladimir-Gall-Weg benannt.[5]
Karl-Heinz Bannasch: Das Kriegsende von 1945 in Spandau und die Einnahme der Zitadelle durch eine Einheit der Roten Armee, in: Jahrbuch „Der Bär von Berlin“, Hrsg. Verein für die Geschichte Berlins, 71. Folge, Berlin 2022, ISSN 0522-0033. Mit einem „Exkurs Wladimir Gall“.
↑Die Einnahme der Zitadelle Spandau wurde erstmals anhand auch von Dokumenten der Roten Armee untersucht, in diesen Unterlagen wird keine SS auf der Spandauer Festung nachgewiesen. Auch die Rolle Galls wurde erstmals anhand unabhängiger Quellen recherchiert. Seine Rolle vor Ort muss neu bewertet werden. Siehe dazu den neuesten Aufsatz von 2022.