William Wolfensberger war Sohn eines Kaufmanns. Er studierte ab 1909 an der Universität Zürich zunächst Germanistik und wechselte dann – entgegen dem Willen seines Vaters, der ihn daraufhin aus dem Haus warf – zur Theologie. Dort beeindruckte ihn besonders Leonhard Ragaz. Seinen Lebensunterhalt bestritt er mit Privatstunden, vermittelt durch den damaligen Kantonsschulrektor Jakob Bosshart. Im November 1913 wurde er in der Kirche Oberstrass zum evangelisch-reformierten Pfarrer ordiniert.
Seine erste Stelle versah Wolfensberger vom Frühling 1914 bis Weihnachten 1916 im Val Müstair in den oberen Dörfern Fuldera, Tschierv und Lü, wo er sich rasch einlebte. Diesen Ortswechsel nahm er vor als «Flucht» in Reaktion auf seine Liebe zu Toni Wolff[1], die er als unerwidert empfand.[2] In Fuldera übte er auch noch die Ämter des Gemeindepräsidenten, des Kassiers und Aktuars aus, und da der Lehrer zu dieser Zeit des Ersten Weltkrieges wochenlang im Militärdienst weilte, übernahm er zeitweilig auch den Unterricht an der achtklassigen Schule mit 30 Wochenstunden. Die Gemeinde dankte ihm den Einsatz mit der Verleihung des Ehrenbürgerrechts. Zur Tilgung einer auf der kleinen Gemeinde schwer lastenden Schuld setzte sich Wolfensberger für die Einführung einer Steuerprogression ein. Damit stiess er auf heftigen Widerstand, worauf er im Anschluss an eine Gemeindeversammlung im September kündigte.
Die Jahreswende verbrachte er bei einer Schwester in Meilen. Er bewarb sich für eine Pfarrstelle in Zürich-Fluntern, wurde aber nicht gewählt. In seiner zweiten Gemeinde Rheineck, die seine Predigten schätzte und seiner literarischen Tätigkeit Verständnis entgegenbrachte, wirkte William Wolfensberger ab Ende April 1917. 1918 verstarb er dort 29-jährig an der Spanischen Grippe.[3]
Im Pfarrhaus bei der Rheinecker evangelischen Jakobskirche befindet sich das William-Wolfensberger-Archiv.
Geschichten und Gedichte aus dem Münstertal. (dt./rätorom.). Biblioteca Jaura, Valchava 2005.
Eingeklemmt zwischen Unmöglichkeit und Sehnsucht. Ein Lesebuch. Zusammengestellt von Charles Linsmayer und Rudolf Probst. Huber, Frauenfeld 2007, ISBN 978-3-7193-1440-8.
Literatur
Max Konzelmann: William Wolfensberger. Leben und Wirken. Rotapfel, Erlenbach 1924.
Nach 90 Jahren aufgetaucht: Briefe und Bücher von William Wolfensberger. In: St. Galler Tagblatt, 15. Oktober 2006.
Franzisca Pilgram-Frühauf: «Sagen kann man es nicht». Spannungsfelder des Schweigens im autobiographischen, literarischen und theologischen Werk von William Wolfensberger (1889–1918). TVZ, Zürich 2008, ISBN 978-3-290-17489-7. (Diss. phil. Zürich 2007)