Die 1893 benannte Wilhelmstraße (ehemals „Vordergasse“[1]) ist eine der Hauptgeschäftsstraßen Altenkirchens[2] und seit Mitte der 1980er-Jahre Fußgängerzone. Sie war bis zum 28. November 1982 eine Durchgangsstraße; die Verbindungsstraßen nach Norden (Rathausstraße in Richtung Hachenburg und Wissen), nach Osten (Frankfurter Straße nach Limburg an der Lahn) sowie nach Süden (Koblenzer Straße nach Puderbach und Dierdorf) und nach Westen (Kölner Straße nach Hennef und Siegburg) zweigten an den Enden der Wilhelmstraße ab. Mit dem Bau der innerstädtischen Umgehung (Quengelstraße), die 1982 fertiggestellt war, wurde die Wilhelmstraße in den folgenden fünf Jahren zur Fußgängerzone umgestaltet.[3]
Das nördliche Teilstück der Wilhelmstraße ist baulich in den mit dem Neubau des Hauptgebäudes der Kreissparkasse Altenkirchen in den 1990er-Jahren komplett umgestalteten Schloßplatz einbezogen, dessen nördlicher, wieder auf Straßenbreite verengter Teil dem „Blücherplatz“ entspricht, der 1996 in Schloßplatz umbenannt wurde. Der Neubau war auch Auslöser für den Bau der Tiefgarage unter dem Platz, dessen Zugang am nördlichen Ende der heutigen Wilhelmstraße liegt. Verkehrstechnisch ist die Wilhelmstraße mit umliegenden Parkplätzen an die Saynstraße, Wallstraße/Marktstraße, Mühlengasse, Quengelstraße und den Weyerdamm sowie eine Bushaltestelle an der Quengelstraße angebunden.[4] 2014 wurde beschlossen, die Fußgängerzone (Wilhelmstraße/Marktplatz) komplett neu zu gestalten; zum neuen Erscheinungsbild soll unter anderem eine Art Amphitheater auf dem Marktplatz gehören.[5]
Geschichte
Ihren Charakter als Hauptstraße[6] hat die Wilhelmstraße wohl seit dem Wiederaufbau von Altenkirchen nach 1728, als die gesamte Stadt durch ein Feuer zerstört wurde und nur das Schloss, die Kirche und wenige Privathäuser erhalten blieben. Um 1815 wird Altenkirchen zu Preußen zugehörig und der Kreis Altenkirchen entsteht. Ab 1822 wird die Stadt zunehmend an das Verkehrsnetz angeschlossen.[7] Die Benennung der Wilhelmstraße fand – wie aller weiteren Straßen der Innenstadt wie Marktplatz, Marktstraße, Mühlengasse, Quengelstraße, Rathausstraße und Schloßplatz – nach dem großen Stadtbrand am 23. April 1893 statt.[8] Der Name geht auf Wilhelm I., den König von Preußen, zurück.
Durch die Zerstörungen mit dem Stadtbrand von 1893 stehen in der Wilhelmstraße nur wenige ältere Bauten, wie die Privilegierte Apotheke. Auch der Bestand an Bauten des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts im Stil des Spätklassizismus, der Gründerzeitarchitektur und der Heimatschutzarchitektur wurde durch die Bombardierungen am 7. März 1945 erheblich dezimiert. Neben den wieder aufgebauten und z. T. restaurierten Gebäuden aus dieser Zeit besteht die Wilhelmstraße zum einen Großteil aus einfachen Wohn- und Geschäftsbauten der Nachkriegszeit.
Liste der Bauwerke
Die Liste der Bauwerke erfasst alle bestehenden Bauwerke der Wilhelmstraße, geordnet nach der fortlaufenden Nummerierung der Gebäude. Nummerierungen von nicht mehr bestehenden Gebäuden sind kursiv gesetzt.
Das zweigeschossige Wohn- und Geschäftshaus (Mehrgenerationenhaus "Mittendrin") wurde vermutlich in den 1910er-Jahren erbaut. Stilistisch gehört es zur späthistoristischen Epoche, verfügt jedoch über keinen ausgeprägten Wandschmuck.
Zweigeschossiges Wohn- und Geschäftshaus (ehemals Galerie & Atelier Marlies Krug) des Funktionalismus der 1960er-Jahre. Das zweiteilige Gebäude verfügt am durch einen viereckigen Erker hervorgehobenen Mittelteil mit einer Verblendung aus Ziegelstein; dieser besitzt an der Frontseite eine Wandgestaltung aus Reliefs des Bildhauers Bernhard Kloss (* 1923), die aus den 1950er-Jahren stammen. Über der Tür sind in vier Figuren die typischen Kunden der Firma Kuss zu finden, die ein alteingesessenes Geschäft mit Haushaltswaren und Werkzeug betrieb. Im oberen Teil sind die Initialen der damaligen Geschäftsinhaber und der bildlich dargestellte Nachname zu erkennen, zwei Putten geben sich einen Kuss.
In den Nachkriegsjahren befanden sich hier die Geschäftsräume der Firma Kuss, nach deren Umzug an den Stadtrand eine Schlecker-Filiale.
Wohn- und Geschäftshaus (ehemals Angelika Nießen Mode und Tracht, aktuell Caritas-Second-Hand-Laden). Das zweigeschossige Wohn- und Geschäftshaus wurde vermutlich in den 1910er-Jahren erbaut. Stilistisch gehört es zur späthistoristischen Epoche. Das Haus besitzt eine Verzierung der Fassade mit Werkstein.
Wohn- und Geschäftshaus (Buch Seidel/Weltladen Altenkirchen). Das ursprünglich im späthistoristischen Stil erbaute zweigeschossige Eckgebäude wurde nach den Kriegszerstörungen unter Verzicht auf verzierende Attribute weitgehend im Stil der Heimatschutzarchitektur wiederaufgebaut. Es besitzt einen unverzierten, runden und zweistöckigen Erker, der von einem flachkegeligen Dach gedeckt wird.
Wohn- und Geschäftshaus (Optik Bruder). Zweigeschossiges Wohn- und Geschäftshaus; Wiederaufbau (mit Anleihen an der Heimatschutzarchitektur) in den 1950er-Jahren. Das Haus besitzt auf der Marktseite einen viereckigen und zweigeschossigen Erker mit sichtbaren Stein-Konsolen.
Wohn-, Büro- und Geschäftshaus (Anwaltskanzlei Steinstrass und Partner/Allianz Versicherungsagentur). Zweigeschossiges Wohn- und Geschäftshaus, Nachkriegsbebauung
Wohn- und Geschäftshaus (ehemals Buchhandlung Schmitt). Das eingeschossige Wohn- und Geschäftshaus wurde vermutlich in den 1920er-Jahren erbaut, ist aber durch Wiederauf- und Umbauten der Nachkriegszeit geprägt.
Das zweigeschossige Wohn- und Geschäftshaus (La dolce vita Eisdiele) wurde vermutlich in den 1950er-Jahren wieder aufgebaut. Die Fensterbänder sind mit einfachen Dekorelementen aus Sicht-Ziegelstein betont.
Das Wohnhaus Wilhelmstraße 27a war Wohn- und Geschäftshaus der jüdischen Familien der Gebrüder Rudolf und Hans-Ludwig Davis, die dort ein Schuhgeschäft besaßen und nach dem Zwangsverkauf (um 1938/39) nach Palästina emigrierten.[9]
Das dreigeschossige Wohn- und Geschäftsgebäude (Deutscher Kinderschutzbund Kreisverband Altenkirchen e. V.) wurde vermutlich in den 1910er-Jahren erbaut. Stilistisch gehört es zur späthistoristischen Epoche. Das Haus besitzt eine Verzierung der Laibungen mit farbliche abgesetztem Werkstein. Der Giebel des Risalits ist schieferverkleidet.
Wohn- und Geschäftsgebäude (Willi Wick, Optiker). Das breite, zweigeschossige Eckhaus wurde Mitte der 1950er-Jahre auf den Fundamenten des Vorgängerbaus errichtet.
Zweistöckiges Wohn- und Geschäftshaus (Eckhaus) (ehem. City Grill, aktuell Mittendrin) mit Anleihen an der Heimatschutzarchitektur stammt vermutlich aus den 1910er-Jahren. Das Haus besitzt auf der Eckseite einen sechseckigen und zweigeschossigen Erker, der mit einem Spitzturm abgeschlossen wurde, des Weiteren zwei Gauben an der Frontseite.
Wohn- und Geschäftsgebäude (Idee+Spiel Flemmer). Stilistisch gehört das Gebäude zum Historismus. Das Eckhaus steht an exponierter, straßenraumprägender Stelle. Über einer Eckachse setzt im ersten Obergeschoss ein das Eckgebäude dominierender viereckiger Eckerker an. Er verfügt, wie auch die Giebelwand auf der linken Hausseite, über ein stilisiertes Brüstungsdekor und einen Spitzturm.
Wohn- und Geschäftsgebäude (ehemals Wäscherei) im Heimatschutzstil mit in den Dachüberstand eingezogenen Giebel. Das Haus wurde nach den Kriegszerstörungen im Vorkriegsstil wiederaufgebaut.
Dreistöckiges Wohn-, Büro- und Geschäftsgebäude (ehemals Raiffeisenbank) der 1970er-Jahre. Charakteristisch ist seine asymmetrische Formensprache und die Schieferverkleidung des Bauwerks. Die Nachkriegsbebauung mit der Gaststätte „Eckschank“ wurde für den Neubau in den 1970er-Jahren abgerissen.[1]
Wohn- und Geschäftsgebäude (KiK Filiale), Nachkriegs-Wiederaufbau; markant ist das seitlich vom Hauptgebäude abgesetzte Treppenhaus.
Das Wohnhaus Wilhelmstraße 46 war Wohn- und Geschäftshaus der jüdischen Familie Julius (1871–1932) und Johanna Grünebaum (1871–1941), die dort ein Kaufhaus besaßen, das deren Söhne am 20. Januar 1936 an Erich Becker und Karl Kottmann verkauften und anschließend in die Vereinigten Staaten emigrierten.[10]
Wohn- und Geschäftsgebäude (ehemals Langenbach & Feisel, aktuell Westerwald Buchhandlung). Das dreigeschossige Wohn- und Geschäftshaus wurde 1901 erbaut. Stilistisch gehört es zur späthistoristischen Epoche. Das Haus besitzt eine aufwändige Verzierung der Fassade mit Werkstein.
Eingeschossiges Wohn- und Geschäftshaus (Vanity Modevertrieb/caro) aus den 1920er- oder 1930er-Jahren. Der Giebel verfügt nicht mehr über das frühere Dekor. Lediglich die Fensterlaibungen sind im Stil der Zeit verziert ausgeführt.
Zweigeschossiges Wohn-, Büro- und Geschäftsgebäude (Provinzial Eichelhardt) aus den 1930er-Jahren. Wiederaufbau nach Kriegszerstörungen in den 1950er-Jahren.
Wohn- und Geschäftsgebäude (Chill Boutique) der 1910er-Jahre im Stilanleihen bei der Landhaus- und Heimatschutzarchitektur. Die Risalit-Giebelwand und der viereckige Erker sind in Fachwerk-Bauweise ausgeführt.
Das zweigeschossige Wohn- und Geschäftsgebäude (KODI Drogeriemarkt), das aus den 1950er-Jahren stammt, besitzt zum Bleichweg hin einen einfach ausgeführten viereckigen Erker. Der einfache, eingeschossige Erweiterungsbau zu Wilhelmstraße 55 (Bäckerei Schumacher) ist neueren Datums.
Altenkirchen, Adressbuch der Verbandsgemeinde Altenkirchen 1969. Enthält die Stadt Altenkirchen und 24 Gemeinden wie z. B. Almersbach, Bachenberg, Busenhausen, Eichelhardt, Igelberg, Isert, Michelbach, Ölsen, Sörth, Stürzelbach, Volkerzen. Verlag H.E. Kasper, Köln
↑Benannt wurden 1893 außerdem die Bahnhofstraße, Dieperzbergweg, Frankfurter Straße, Gartenstraße, Hochstraße, Hohlweg, Johannisberg, Kirchstraße (am 9. Oktober. 1930 in Schulstraße umbenannt), Koblenzer Straße, Kölner Straße, Kumpstraße, Marktplatz, Marktstraße, Mühlengasse, Quengelstraße, Rathausstraße, Schloßplatz, Wallstraße und Wiedstraße. Quelle: Adressbuch für die Stadt und den Kreis Altenkirchen. Fa. Lorsbachs (Hrsg.). Siegen 1898
↑Host Ascheid: Fertigstellung der Fußgängerzone. In: Heimat-Jahrbuch des Kreises Altenkirchen und der angrenzenden Gemeinden 1982. Verlag: Neunkirchen, 1982, S. 60 f.
↑Jürgen Kolb, Horst Ascheid: Der Altenkirchener Schloßplatz. Früher, seine Veränderung, heute. In: Heimat-Jahrbuch des Kreises Altenkirchen und der angrenzenden Gemeinden 1998. Verlag: Neunkirchen, 1998
↑1964 hieß es in den Berichten zur deutschen Landeskunde: In der Wilhelmstraße fällt die Zahl der Gaststätten; In der Kölner Straße die der Autovertretungen auf: Zit. nach: Berichte zur deutschen Landeskunde, Band 33. Selbstverlag Deutsche Akademie für Landeskunde, 1964