Wilhelmshorst ist ein Ortsteil[2] der amtsfreien Gemeinde Michendorf im Landkreis Potsdam-Mittelmark. Der Ort nahe Potsdam hat 3.199 Einwohner (Stand: 31. Dezember 2023)[1] auf einer Fläche von 8,48 km²[3] und liegt an der Bahnstrecke Berlin–Blankenheim, auch Wetzlarer Bahn genannt, einem Teilabschnitt der „Kanonenbahn“ von Berlin nach Metz. Wilhelmshorst wurde ab 1907 mitten im Wald als großzügig gestaltete Villenkolonie für wohlhabende Berliner Beamte, Offiziere und Kaufleute angelegt. Der Ort wurde gegen den Willen der Mehrheit seiner Bewohner im Oktober 2003 nach Michendorf eingemeindet.
Wilhelmshorst liegt ca. 7 km südlich von Potsdam am Fuß der 91 m hohen Schönen Berge. Sie sind Teil des vom Potsdamer Brauhausberg bis zum Saarmunder Berg verlaufenden Saarmunder Endmoränenbogens. Die Bahnstrecke Berlin-Beelitz teilt Wilhelmshorst in einen nördlichen und einen südlichen Bereich.
Geschichte
Die erste Besiedlung Wilhelmshorsts erfolgte erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Das Gelände gehörte ursprünglich zur Landgemeinde Neu-Langerwisch und zum Teil zur wüsten Feldmark Schön(en)berg. Den Namen Wilhelmshorst erhielt der Ort 1911 nach dem Charlottenburger Kaufmann Wilhelm Müller[4] (bzw. Mühler[5]). Bereits vor 1906 hatte dieser Grundstücke in der nördlich der Bahnlinie liegenden Greuelheide von Langerwischer Bauern aufgekauft. 1906 beauftragte er den Landvermesser W. Ludewig mit der Vermessung und Parzellierung des Geländes. Der Parzellierungsplan wurde 1907 beim Landkreis zur Genehmigung eingereicht. Die Einreichung des Bebauungsplanes gilt als Gründungsdatum. 1909 wurde der Parzellierungsplan genehmigt unter der Bedingung, dass Flächen für öffentliche Einrichtungen wie Kirche, Pfarrhaus, Friedhof, Schule und Bahnhof bereitgestellt wurden. Allerdings setzte die Bebauung schon 1905 mit der Errichtung des Sommerhauses von Wilhelm Mühler ein. Die Erschließung ging zügig voran, denn bis 1912 waren bereits Strom- und Wasserleitungen verlegt. 1914 wurde eine Haltestelle an der Bahnstrecke angelegt, 1915 war das Bahnhofsgebäude fertiggestellt.[5] Etwa ein Dutzend Häuser waren bis dahin gebaut worden. 1911 wurde ein Bebauungsplan für das südlich der Bahntrasse gelegene Gebiet durch die „Wilhelmshorster-Grundstücks-Gesellschaft“ erstellt. Ein Jahr später waren bereits 14 Grundstücke verkauft. Nach dem Ersten Weltkrieg stagnierte die Entwicklung zunächst; es entstanden zunächst nur wenige neue Gebäude, darunter das herrschaftlich wirkende, denkmalgeschützte Landhaus von Renesse (An den Bergen 54).
1925 wurden 193 Hektar von der Gemarkung der Landgemeinde Neu-Langerwisch abgetrennt und der Gemarkung Wilhelmshorst zugeschlagen. Gleichzeitig wurde Wilhelmshorst zur Landgemeinde erhoben. 1928 wurden im Rahmen von Neuordnungen im Landkreis Zauch-Belzig weitere Teile vom GutsbezirkKunersdorf Forst, vom Gutsbezirk Neu-Langerwisch und vom Gutsbezirk Plantagenhaus zur neuen Gemeinde übertragen. 1931 wurde die Größe der Gemarkung mit 1202 ha angegeben. 1939 hatte Wilhelmshorst 1313 Einwohner, die in Wilhelmshorst und den zugehörigen Wohnplätzen Templin und Forsthaus Templin wohnten.
Kurz vor Kriegsende, in der Schlacht um Berlin, wurde Wilhelmshorst von Truppen der Roten Armee besetzt. 2009 und 2010 wurde je ein Tagebuch von Friedrich Helms veröffentlicht, das die Zeiten 1946 bis 1947 dokumentiert.[6]
1946 erhielt Wilhelmshorst von der Gemeinde Ferch eine Waldzulage von 76 ha. 1957 wurden 17 ha der Behelfsheimsiedlung an die Gemeinde Michendorf abgegeben. Am 1. Juli 1950 verlor die Gemeinde kurzzeitig ihre Selbständigkeit. Die Siedlung gehörte bis zum 24. Juli 1952 zu Potsdam.[7] Bis zur Eingemeindung nach Michendorf am 26. Oktober 2003 blieb Wilhelmshorst eigenständig.[8] Im Jahr 2007 beging der Ort sein 100-jähriges Bestehen u. a. mit der Herausgabe eines Jubiläumsbuches.
Wappen
Blasonierung: „In silbernem Feld über grünem Grund hinter silbernem Zaun drei rote Spitzgiebel, bekrönt von einem schwarzen W, aus dem zwei grüne, schwarzstämmige Kiefern wachsen.“
Öffentliche Einrichtungen
Das zunächst nach Langerwisch eingekirchte Wilhelmshorst wurde 1926 selbständige Kirchengemeinde. Der Friedhof wurde im selben Jahr eingeweiht. 1932 wurde auf dem Friedhof eine Friedhofskapelle errichtet. 1936/37 wurde nach einem Entwurf von Winfried Wendland die Kirche Wilhelmshorst im nördlichen Teil von Wilhelmshorst errichtet.[9]
Bis 1930 gingen die Kinder der Wilhelmshorster Bürger in Langerwisch zur Schule. Ab diesem Jahr wurde (zunächst in dem Wohnhaus Heidereuterweg 12) eine provisorische Schule eingerichtet. 1932/33 erwarb die Gemeinde das Wohnhaus Heidereuterweg 2 und baute es zur Schule um. 1947 zog die Schule in eine neu errichtete Baracke um, die 1975/76 durch einen zweigeschossigen Anbau erweitert wurde. 1987 wurde ein neues Schulgebäude am Heidereuterweg errichtet.
Peter-Huchel-Haus, ehemaliges Wohnhaus des Dichters Peter Huchel, heute Museum und Begegnungsstätte
Das von Kurt-Hermann Kühn entworfene und unter Denkmalschutz stehende „Mahnmal für die Opfer des Faschismus“ im Birkenwäldchen gegenüber dem Bahnhof, bestehend aus:
dem 1949 aufgestellten Findling mit der Inschrift „Euer Tod ist uns Verpflichtung“, sowie
der 1985 errichteten vier Meter hohen Betonstele mit dem Zitat von Karl Marx „Du siehst, dass der proletarische Löwe nicht tot ist“.[10]
Es gibt zwei Teiche in Wilhelmshorst, den fast wasserlosen Irissee[11] und den Blanken Teich.
Einwohnerentwicklung
1925: 0304
1939: 1313
1946: 1532
1964: 2008
1971: 2110
1997: 1834
2005: 2706
31. Dezember 2013: 3126
31. Dezember 2016: 3147
31. Dezember 2018: 3198
1. Januar 2021: 3179
Persönlichkeiten
Mit der Waldgemeinde ist das Leben folgender Persönlichkeiten verbunden:[12][13]
Albert Gessner (1868–1953), war ein Architekt, maßgeblich an den Bauplanungen in Wilhelmshorst-Süd und am Bahnhof Wilhelmshorst in den 1910er Jahren beteiligt
Heiner Bastian (* 1942) wuchs ab 1946 in Wilhelmshorst auf, ist ein deutscher Autor, Lyriker und Übersetzer, Kunsthändler, Kurator und Kunstsammler
Otto Haesler (1880–1962), war ein Architekt und bedeutender Vertreter des Neuen Bauens, lebte von 1953 bis zu seinem Tod am 2. April 1962 in Wilhelmshorst. Er ist auf dem Wilhelmshorster Friedhof begraben.
Edmund F. Dräcker[15] (1888–1989 [?]) war ein deutscher Diplomat und hatte bei den Friedensverhandlungen von Brest-Litowsk eine tragende Rolle, lebte zeitweise in Wilhelmshorst
Alfred Klose (1895–1953) war ein Physiker, Mathematiker und Astronom, lebte zeitweise in Wilhelmshorst. Er ließ das Haus Eulenkamp 11 errichten.
Hubert Schmidt-Gigo (1919–2004) war ein deutscher Offizier, Conférencier, Parodist, Rundfunk- und Fernsehmoderator und Motorsportreporter.
Peter Huchel (1903–1981), war ein Lyriker und Redakteur, lebte zeitweise in Wilhelmshorst
Erich Arendt (1903–1984), war ein Lyriker und literarischer Übersetzer, lebte von 1971 bis zu seinem Tod am 25. September 1984 in Wilhelmshorst
Hermann Henselmann (1905–1995) war ein Architekt, bekannt durch sein Wirken im Städtebau der DDR der 1950er und 1960er Jahre, lebte in den 1930er Jahren in Wilhelmshorst
Kurt-Hermann Kühn (1926–1989) war ein bildender Künstler, lebte von 1964 bis zum Ende der 1980er Jahre in Wilhelmshorst, Schöpfer der „Opfer des Faschismus-Gedenkstelle“ im Birkenwäldchen Wilhelmshorst
Der Ort ist im Individualverkehrs westlich durch die Bundesstraße 2, südlich über den AnschlussMichendorf an der A 10 (Berliner Ring) und östlich über den Anschluss Saarmund an der A115 versorgt.
Der ca. 5 km südöstlich von Wilhelmshorst gelegene Sportflugplatz Saarmund
ist mit dem Auto in etwa einer Viertelstunde zu erreichen (10 km über Straße).
Literatur
Peter R. Rohrlach: Historisches Ortslexikon für Brandenburg Teil V Zauch-Belzig. Hermann Böhlau, Weimar 1977 (527 Seiten).
Marie-Luise Buchinger, Marcus Cante: Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland, Denkmale in Brandenburg, Landkreis Potsdam-Mittelmark, Bd. 14.1 Nördliche Zauche. Wernersche Verlagsgesellschaft, Worms 2009, ISBN 978-3-88462-285-8.
Rainer Paetau (Hrsg.): 100 Jahre Wilhelmshorst. 1907–2007. Eine Waldsiedlung vor den Toren der Hauptstadt (i. A. der Freunde und Förderer der Wilhelmshorster Ortsgeschichte e. V.). Wilhelmshorst 2007, ISBN 978-3-00-021775-3 (408 Seiten).
↑Reinhard E. Fischer: Die Ortsnamen der Länder Brandenburg und Berlin, Band 13 der Brandenburgischen Historischen Studien im Auftrag der Brandenburgischen Historischen Kommission. be.bra wissenschaft, Berlin 2005, ISBN 3-937233-30-X, ISSN1860-2436, S. 182.
Helms (1888–1955) war Bankdirektor (Deutsche Bank), Freimaurer, Sozialdemokrat. In Berlin ausgebombt, erlebt Helms das Kriegsende und die ersten Nachkriegsjahre in seinem Gartenhäuschen in Wilhelmshorst bei Berlin. - Walter Kempowski hat Auszüge aus den Tagebüchern Friedrich Helms’ im Echolot abgedruckt. Er schrieb auch ein Vorwort.