Das Gebiet befindet sich in einer Regenschattenlage zum osthessischen Bergland. Im Vergleich zum bergigen Umland gilt das Werratal als relativ wärmebegünstigt. Durch die ausgedehnten landwirtschaftlichen Nutzflächen, die Kaltluft bilden, können allerdings bei klarem Himmel in Strahlungsnächten lokal niedrigere Temperaturen als in den benachbarten Orts- und Waldlagen auftreten. In den flussnahen Bereichen wirkt das Wasser der Werra jedoch ausgleichend auf das Mikroklima.
Die großflächige Landschaft prägten in früheren Zeiten Auwälder, in permanent nassen, sumpfigen Bereichen mit ständig hohem Grundwasserstand auch Bruchwälder mit Schwarzerlen, Eschen und Baumweiden. Nach der Abholzung der Wälder wurden die Bereiche als Äcker und Wiesen bearbeitet. Boden und Klima begünstigten die landwirtschaftliche Nutzung. Die Aue gilt vom Ertrag her als einer der besten Mähwiesenstandorte im Kreisgebiet und auch die Äcker lassen auf manchen Flächen hohe Erträge zu. Die Nutzung der einzelnen Bereiche bestimmt die Werra mit ihren periodischen Überflutungen: Werranahe und tiefer liegende Flächen mit hohem Grundwasserstand werden meistens als Grünland bearbeitet. Die vom Fluss weiter entfernt und höher liegenden Bereiche sind in der Regel Ackerland. Das hat sich allerdings erst mit dem System der Gräben, die die ehemals feuchte Aueflächen entwässern und das Überflutungswasser abführen, so entwickelt.[2][3]
Vegetation
Die großflächige offene Aue des FFH-Gebiets wird überwiegend als Grünland bearbeitet, daneben werden auch große Teile als Ackerland intensiv genutzt. Als FFH-relevante Lebensraumtypen (LRT) listet die Grunddatenerfassung zwei Biotoptypen auf: die flussbegleitenden feuchten Hochstaudenfluren (LRT 6430) mit einer Fläche von zwei Hektar, das einem Prozent der Gesamtfläche entspricht, sowie die Mageren Flachland-Mähwiesen (LRT 6510) auf 55,35 Hektar. Als bemerkenswerte Arten in den Wiesen werden der Große Wiesenknopf, die Große Pimpinelle und der Wiesensilau angesehen. Weit verbreitet und häufig kommen Wiesen-Pippau, Wiesen-Glockenblume, Acker-Witwenblume, Wiesen-Flockenblume, Wiesen-Schaumkraut und Scharfer Hahnenfuß vor.
Neben der Lindenallee, die die Aue durchquert, zählt der Uferstreifen der Werra zu den auffälligsten Habitatstrukturen in der Auenlandschaft. Der fast geschlossene einreihige Heckenzug mit markanten Einzelbäumen gilt als ein wichtiges biotopvernetzendes Element. In Ufernähe befinden sich vor allem Weiden, Holunder- und Schlehengebüsche sowie ruderale Hochstaudenfluren und Röhrichtgürtel. Neben ihrer ornithologischen Bedeutung sind sie auch ein wichtiger Überwinterungsplatz für eine Vielzahl von Insekten und Spinnentieren.[2]
Die Landstraße zwischen Lauchröden und Herleshausen teilt das FFH-Gebiet in einen westlichen und östlichen Bereich. Sie ist eine der wenigen erhaltenen Alleen in der Region. Die versetzt angeordneten Linden, die beiderseits die Straße einrahmen, wurden anlässlich des Neubaus der Brücke über die Werra im Jahr 1898 gepflanzt. Diese Brücke wurde im April 1945, am Ende des Zweiten Weltkriegs, gesprengt. Erhalten blieben nur die Brückenpfeilerstümpfe und die Uferrampe, die in der Zeit der Teilung Deutschlands ein beliebter Grenzaussichtspunkt war. Im Dezember 1989, nur sechs Wochen nach dem Mauerfall, wurde eine Fußgängerbrücke errichtet und seit Ende der 1990er Jahre ersetzt der heutige Bau die Behelfsbrücke. Die Lindenallee ist zum Naturdenkmal[5] und aus geschichtlichen Gründen auch zum Kulturdenkmal erklärt worden. Als landschaftsprägende Allee wird sie durch das Bundesnaturschutzgesetz und das Hessische Ausführungsgesetz zum Bundesnaturschutzgesetz geschützt.
Der Werratal-Radweg durchquert über die Lauchröder Allee die Aue. Der als einer der beliebtesten Radfernwege Deutschlands angesehene Radwanderweg führt mit einer Länge von rund 300 km von den Werraquellen am Rennsteig bis nach Hann. Münden, wo die Werra auf die aus der Rhön kommende Fulda trifft und als Weser weiterfließt.
Unterschutzstellung
Fauna-Flora-Habitat-Gebiet: Die Aue wurde im Rahmen der Umsetzung der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie im Juli 2001 der EU-Kommission für das länderübergreifende ökologische Schutzgebietssystem „Natura 2000“ zur Erhaltung gefährdeter oder typischer Lebensräume und Arten vorgeschlagen. Nach dem Standarddatenbogen vom Mai 2001 lag ihre Schutzwürdigkeit in der regionalen Bedeutung als Lebensraum für gefährdete Vogelarten, die in der mosaikartig landwirtschaftlich genutzten Fläche ganzjährig Nahrung und Rastplätze finden können.[6] Nach der Bestätigung als Gebiet von gemeinschaftlicher Bedeutung im Dezember 2004 forderte die EU neben dem Gebietsmanagement und dem damit verbundenen Monitoring eine förmliche Schutzerklärung, die im Januar 2008 mit der „Verordnung über Natura 2000-Gebiete in Hessen“ erfolgte.[7] Das FFH-Gebiet mit einer Größe von 260 Hektar hat die Gebietsnummer 4926-303 und den WDPA-Code 555520290.[8][9] Zwischen dem thüringischen Sallmannshausen und Herleshausen verläuft die Landesgrenze rund neun Kilometer lang in der Mitte der Werra. Die linke Flussseite ist Teil des an die Aue angrenzenden FFH-Gebiets 5125-350 „Werra zwischen Philippsthal und Herleshausen“[10] und die rechte Seite des Flusslaufs gehört zum FFH-Gebiet 5328-305 „Werra bis Treffurt mit Zuflüssen“[11]
Vogelschutzgebiet: In dem vierteiligen Vogelschutzgebiet „Rhäden von Obersuhl und Auen an der mittleren Werra“ bildet die Werraaue von Herleshausen den nördlichen Bereich. Die anderen Teilflächen, die am Ostrand des Landkreises Hersfeld-Rotenburg liegen, gehören wegen ihrer besonderen Naturausstattung noch zu anderen Schutzgebietskategorien. Die (von Norden nach Süden) „Obersuhler Aue“ wurde im Jahr 1990, der „Rhäden bei Obersuhl und Bosserode“ im Jahr 1973 und die „Rohrlache von Heringen“ im Jahr 1979 zu Naturschutzgebieten erklärt. Außerdem sind die drei Naturschutzgebiete, als gleichnamige Fauna-Flora-Habitat-Gebiete, Teile des länderübergreifenden Schutzgebietssystems „Natura 2000“. Die vier Teilbereiche, die Feuchtgebiete mit offenen Wasserflächen, Röhricht, nasse Brachen und naturnahe Auenwiesenlandschaften besitzen, wurden wegen ihrer Bedeutung für die an Wasser gebundenen Vogelarten vom Land Hessen für die Umsetzung der Verpflichtungen aus der Vogelschutzrichtlinie der EU ausgewählt. Mit der Richtlinie über die Erhaltung der wild lebenden Vogelarten wollen die Mitgliedstaaten der Europäischen Union sämtliche in ihrem Gebiet natürlicherweise vorkommenden Vogelarten einschließlich der Zugvogelarten in ihrem Bestand dauerhaft schützen und geeignete Lebensräume in ausreichender Flächengröße erhalten oder wiederherstellen. Die Übernahme dieser Richtlinie, deren kodifizierte Fassung im Jahr 2010 in Kraft getreten ist in deutsches Recht, erfolgte vornehmlich durch das Bundesnaturschutzgesetz und die Bundesartenschutzverordnung sowie durch einige Bestimmungen des Jagdrechts.[12][13][14]
Landschaftsschutzgebiet: Die Werraaue von Herleshausen liegt vollständig in dem Landschaftsschutzgebiet „Auenverbund Werra“, das im Jahr 1992 ausgewiesen wurde, um die verschiedenen Wiesen- und Ufervegetationstypen des Gewässers zu schützen und naturnahe Gewässerabschnitte zu erhalten oder sie wieder herzustellen.[15] Das Landschaftsschutzgebiet mit der nationalen Kennung 2636002 und dem WDPA-Code 378407 besitzt eine Größe von rund 4000 Hektar und besteht aus mehreren, unterschiedlich großen Teilen entlang der mittleren und unteren Werra in den Landkreisen Hersfeld-Rotenburg und Werra-Meißner.[16]
Grünes Band: Die Aue von Herleshausen gehört mit den Schutzgebieten, die entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze liegen, zu dem Verbund der feuchten Ökosysteme des Mittleren Werratals. Jahrzehntelang blieben die Flächen weitgehend unberührt und konnten sich zu einem Rückzugsgebiet für viele vom Aussterben bedrohte Tier- und Pflanzenarten entwickeln. Sie besitzen eine besondere Bedeutung in dem als „Korridor der Artenvielfalt“ bezeichneten „Grünen Band“, das mit der Entscheidung des Thüringer Landtags vom 9. November 2018 zum Nationalen Naturmonument erklärt wurde.[17]
Literatur
Büro für Ingenieurbiologie und Landschaftsplanung (BIL): FFH-Gebiet „Werraaue von Herleshausen“, Grunddatenerfassung zu Monitoring und Management. Witzenhausen 2003.
Torsten Rapp: Maßnahmenplan als Teil des Bewirtschaftungsplanes im FFH-Gebiet 4926-303 „Werraaue von Herleshausen“ und im Teilgebiet des Vogelschutzgebietes 5026-402 „Rhäden von Obersuhl und Auen an der mittleren Werra“. Eschwege 2011.
Lothar und Sieglinde Nitsche, Marcus Schmidt: Naturschutzgebiete in Hessen, schützen-erleben-pflegen. Band 3, Werra-Meißner-Kreis und Kreis Hersfeld-Rotenburg. cognitio Verlag, Niedenstein 2005, ISBN 3-932583-13-2.
↑Hans-Jürgen Klink: Blatt 112 Kassel. In: Naturräumliche Gliederung nach der Geographischen Landesaufnahme des Instituts für Landeskunde Bad Godesberg.
↑ abBüro für Ingenieurbiologie und Landschaftsplanung (BIL): FFH-Gebiet „Werraaue von Herleshausen“, Grunddatenerfassung zu Monitoring und Management.
↑ abTorsten Rapp: Maßnahmenplan als Teil des Bewirtschaftungsplanes im FFH-Gebiet 4926-303 „Werraaue von Herleshausen“ und Teilgebiet des Vogelschutzgebietes 5026-402 „Rhäden von Obersuhl und Auen an der mittleren Werra“.
↑Gebiets-Stammblatt zu einem hessischen Vogelschutzgebiet: Rhäden von Obersuhl und Auen an der mittleren Werra. In: Jochen Tamm und andere: Hessisches Fachkonzept zur Auswahl von Vogelschutzgebieten nach der Vogelschutz-Richtlinie der EU. Im Auftrag des Hessischen Ministeriums für Umwelt, ländlichen Raum und Verbraucherschutz, S. 208.
↑In der Liste der Naturdenkmale des Werra-Meißner-Kreises hat die Lauchröder Alle die Nummer ND 636.680.
↑Regierungspräsidium Kassel: Standard-Datenbogen für besondere Schutzgebiete, erstellt im Mai 2001 und im Januar 2015 aktualisiert.
↑Verordnung über die Natura 2000-Gebiete in Hessen vom 16. Januar 2008. In: Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Hessen. Teil I, Nr. 4 vom 7. März 2008.