Lichtenauer Hochland
Das Lichtenauer Hochland erstreckt sich nordöstlich von Hessisch Lichtenau im nordhessischen Werra-Meißner-Kreis in einer vorwiegend offenen hügeligen Mittelgebirgslandschaft. Weil das kühl-feuchte Klima sowie die meisten Böden in dieser Gegend keine gewinnbringende Ackerbauwirtschaft erlaubten, wurden die Ländereien meistens als Weideland und zur Futtergewinnung genutzt. Durch die extensive Landbearbeitung entstanden Grünlandgesellschaften, die wegen des Nebeneinanders verschiedener Offenlandbiotope hessenweite Bedeutung besitzen.[1] Als besonders schutzwürdig angesehen werden die Pflanzengesellschaften der Glatthafer-, Pfeifengras- und Kohldistelwiesen, die orchideenreichen Kalkmagerrasen mit ihren Verbuschungsstadien und die Borstgrasrasen sowie die Kalktuffquellen und kalkreichen Sümpfe.[2] Wegen der Vorkommen seltener oder bedrohter Lebensräume und Arten wurde das Lichtenauer Hochland als ein Fauna-Flora-Habitat(FFH)-Gebiet in das europaweite Schutzgebietssystem Natura 2000 integriert, das die Erhaltung der biologischen Vielfalt zum Ziel hat. LageDas FFH-Gebiet liegt nordöstlich der Stadt Hessisch Lichtenau und nordwestlich des Ortsteils Walburg, in deren Gemarkungen sich die geschützten Flächen befinden. Es reicht von den Quellbereichen am Stedtebach im Süden bis zu dem 485 m hohen Eisenberg und dem 430 m hohen Hasenberg im Norden. In der naturräumlichen Gliederung Deutschlands wird das Gebiet dem Hessisch-Lichtenauer Becken (357.51) und dem Rommeroder Hügelland (357.53) in der Witzenhausen-Altmorschener Talung (357.5) zugeordnet. Sie sind Einheiten des Fulda-Werra-Berglands (357) in der Haupteinheitengruppe des Osthessischen Berglands.[3] Boden und LandnutzungAusgangsgesteine in dem nördlichen und westlichen Teil sind die Schichten des Muschelkalks, die nach Osten und Süden von den Sedimenten des Keupers abgelöst werden. In dem Übergangsbereich entspringen zahlreiche Quellen, deren Wasser in den Stedtebach fließen. In der Umgebung des Baches und am Ortsrand von Hessisch Lichtenau herrschen lehmig-tonige, stellenweise tiefgründige Braunerden vor. Der Norden, mit dem Eisenberg, weist dagegen die für flachgründige Muschelkalkstandorte typischen Rendzinen auf, deren Oberboden je nach Exposition und Hangneigung unterschiedlich mächtig entwickelt ist. Das Lichtenauer Hochland war seit langem ein Grünlandgebiet, das wegen der klimatischen und den sozioökonomischen Bedingungen vor allem als Weideland sowie zur Heu- und Streugewinnung genutzt wurde. Der Braunkohlenbergbau in der Region, der zu den ältesten seiner Art in Deutschland gehörte, bot der Bevölkerung Arbeitsplätze. Landwirtschaft ist daher auf den dürftigen Böden oft nur im Nebenerwerb und meist auf kleinen Parzellen betrieben worden. Die ortsnahen Flächen in der Umgebung des Stedtebaches wurden überwiegend gemäht und das Futter an das Vieh verfüttert, das das ganze Jahr über im Stall oder auf einigen Weiden in Hofnähe standen. Die weiter entfernt liegenden Bereiche um den Eisenberg mit seinen flachgründigen, wenig produktiven Muschelkalkhängen dienten in dieser Zeit als Hutefläche oder Allmendeweide für Schafe, Ziegen und Rinder. Ohne Zufuhr von Stickstoff konnten die Wiesen je nach Witterung erst ab Mitte Juni oder Anfang Juli gemäht werden. Auf den wechselfeuchten bis staunassen Standorten noch später. Die sich über längere Zeit erstreckende Mahd und auch die langen Regenerationspausen die die Nutzung kennzeichneten, ermöglichten die Entwicklung der Pfeifengraswiesen, die zu dem artenreichsten Grünland in Deutschland gehören und durch ihren Blütenreichtum für viele Insektenarten einen wichtigen Lebensraum darstellen. Die traditionelle Form der Bewirtschaftung verlor spätestens seit den 1970er Jahren an Bedeutung. Danach gab es immer wieder Bestrebungen mit Hilfe von Maschinen und Dünger große Grünlandflächen in Ackerland umzuwandeln. Diese Versuche wurden vermutlich aus klimatischen Gründen und der Neigung der Böden zur Staunässe wieder aufgegeben.[4] FFH-LebensraumtypenDen naturschutzfachlichen Wert des Gebiets begründen vor allem die oft kleinräumig wechselnden Biotope, zu denen Flachlandmähwiesen, Trespen-Schwingel-Kalktrockenrasen und Pfeifengraswiesen gehören, die in den Quellbereichen durch Kalktuffquellen und Kalkreiche Niedermoore ergänzt werden.[5] Sie bieten zahlreichen gefährdeten Pflanzen- und Tierarten Lebensraum. Besonders die Halbtrockenrasen mit dem Vorkommen des Skabiosen-Scheckenfalters, der hier eines seiner letzten gesicherten Vorkommen in Hessen hat und die Mittelgebirgsausbildung der Pfeifengraswiesen, an ihrem nördlichen Verbreitungsrand, gelten als von „überregionaler Bedeutung“. Wichtig sind die Flächen auch gemeinsam mit den benachbarten FFH-Gebieten Rösberg bei Rommerode[6] und Hohekopf bei Großalmerode[7] für die Vernetzung der Magerrasen im Werra-Meißner-Kreis, die einen Austausch der Individuen sichern und eine Verinselung verhindern sollen.
FaunaVögelEin seltener Brutvogel, Durchzügler und Wintergast im Gebiet ist der vom Aussterben bedrohte Raubwürger. Viele Jahre lang hatte das Lichtenauer Hochland, als eines der letzten hessischen Brutgebiete, eine besondere Bedeutung für die Population. Die weiträumige Kulturlandschaft, mit ihren verschiedenen Wiesentypen und geeigneten Sitzwarten, entsprach seinem bevorzugten Lebensraum. Ihm wurde ein Artenschutzkonzept im Rahmen der Biodiversitätsstrategie[8] des Landes Hessen gewidmet, mit dem versucht werden soll zu seinem Schutz sein Habitat gezielt zu fördern.[9] Zu den in Hessen seltenen Vogelarten, die hier angetroffen wurden, werden auch Schwarzstorch, Wachtelkönig, Neuntöter und Heidelerche gezählt. Sie gehören zu den gefährdeten Arten die im Anhang I der europäischen Vogelschutzrichtlinie aufgelistet werden und für die besondere Schutzmaßnahmen und Flächen ausgewiesen werden sollen. Eine weitere in Hessen seltene und vom Aussterben bedrohte Vogelart ist der Wendehals. Er wurde bislang sporadisch im Lichtenauer Hochland angetroffen.[4] Tagfalter, Widderchen und HeuschreckenDas Lichtenauer Hochland besitzt eine hohe Bedeutung für die hier lebenden Schmetterlinge Dunkler Wiesenknopf-Ameisenbläuling und Skabiosen-Scheckenfalter. Sie gehören zu den im Anhang II der Fauna-Flora-Habitat(FFH)-Richtlinie aufgelisteten Arten von gemeinschaftlichem Interesse, für die nach den Gesetzen der Europäischen Union besondere Schutzgebiete eingerichtet werden müssen. Diese Bereiche sollen dann so betreut werden, dass die ökologischen Bedürfnisse dieser Arten erfüllt werden und ihre Bestände erhalten bleiben. Zu der reichen Falterfauna gehören auch die wenig flugaktiven und keine langen Strecken zurücklegenden Zu der reichen Falterfauna gehören auch die wenig flugaktiven und keine langen Strecken zurücklegenden Widderchen: Thymian-, Esparsetten-, Beilfleck- und Kleines Fünffleck-Widderchen, Gemeines Blutströpfchen und Echtes Klee-Widderchen.[4][11] Bei der Bewertung der Lebensräume und zur Feststellung von Vorkommen wertsteigernder Tierarten wurden bei den Kartierungen für die Grunddatenerhebung neben den Tagfaltern und Widderchen auch die Vorkommen von Heuschrecken auf repräsentativen Flächen untersucht. Unter ihnen waren die in Hessen gefährdeten Langfühlerschrecken Kurzflügelige Beißschrecke und Warzenbeißer sowie die Kurzfühlerschrecken Heidegrashüpfer und Sumpfgrashüpfer.[4][12] Weitere bemerkenswerte ArtenIm Standarddatenbogen vom Oktober 2002 werden als Arten von gemeinschaftlichem Interesse des Anhangs IV der FFH-Richtlinie Geburtshelferkröte, Thymian-Ameisenbläuling, Breitflügelfledermaus, Rauhautfledermaus, Zwergfledermaus und Zauneidechse aufgeführt. Auf der Liste der Arten des Anhangs IV stehen die Tiere und Pflanzen die europaweit unter Schutz stehen, weil sie in ganz Europa gefährdet und damit schützenswert sind. In Deutschland sind sie als „streng geschützte Arten“ in das Bundesnaturschutzgesetz übernommen worden. Bei späteren Untersuchungen wurden als weitere FFH-Anhang-IV-Arten die Kleine und Große Bartfledermaus und die Fransenfledermaus im Gebiet festgestellt.[1][4] UnterschutzstellungIm Rahmen der Umsetzung der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie wurde das Lichtenauer Hochland im Juli 2001 der EU-Kommission für das länderübergreifende ökologische Schutzgebietssystem „Natura 2000“ vorgeschlagen. Begründet wurde die Schutzwürdigkeit mit der engen Verzahnung der verschiedenen, funktionell zusammenhängenden Offenlandbiotope, die als von „hessenweiter Bedeutung“ bewertet wurde sowie der stabilen Population des Dunklen Wiesenknopf-Ameisenbläulings und dem Vorkommen des Skabiosen-Scheckenfalters. Nach der Bestätigung als Gebiet von gemeinschaftlicher Bedeutung im Dezember 2004 forderte die EU neben dem Gebietsmanagement und dem damit verbundenen Monitoring eine förmliche Schutzerklärung, die im Januar 2008 mit der „Verordnung über Natura 2000-Gebiete in Hessen“ erfolgte.[13] Das FFH-Gebiet mit einer Größe von 286,91 Hektar hat die Gebietsnummer 4724-304 und den WDPA-Code 555520059.[14] BesucherhinweisDas FFH-Gebiet kann auf vorhandenen Wegen begangen werden. Literatur
WeblinksCommons: FFH-Gebiet Lichtenauer Hochland – Sammlung von Bildern
Einzelnachweise
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