Ein UMD-Raum (von englisch unconditional martingale difference space) ist in der Funktionalanalysis und der stochastischen Analysis ein Banach-Raum, in dem alle Martingal-Differenzenfolgen eines beliebigen endlichen Martingals unbedingt konvergente Reihen sind. Solche Räume besitzen viele der guten Eigenschaften eines Hilbert-Raumes und Martingal-Differenzfolgen teilen Eigenschaften von orthogonalen Folgen. Man sagt, dass Banach-Räume die UMD-Eigenschaft besitzen, wenn sie UMD-Räume sind.
Der Begriff wurde von den französischen Mathematiker Bernard Maurey und Gilles Pisier eingeführt. Motivation war es, eine genügend große Klasse von Banach-Räumen zu finden, so dass auch klassische Banach-Räume wie die Lp-Räume für
enthalten sind, die Räume sich aber trotzdem wie Hilbert-Räume verhalten, deshalb lassen sich viele der Aussagen für Hilbert-Räume direkt auf UMD-Räume übertragen. Obwohl der UMD-Raum eine probabilistische Definition hat, stellt sich heraus, dass die UMD-Eigenschaft zu einigen analytischen Eigenschaften äquivalent ist, wie zum Beispiel, dass die Hilbert-Transformation auf
beschränkt ist.
Um den Begriff des UMD-Raumes zu definieren, führt man zuerst den UMD
-Raum für ein
ein. Ein tiefes Resultat von Maurey und Pisier sagt dann, dass ein Banach-Raum, der ein UMD
-Raum für ein bestimmtes
ist, auch ein UMD
-Raum für alle anderen
ist. Deshalb spricht man häufig nur von UMD-Räumen.[1]
Mit Hilfe von UMD-Räumen lässt sich die Itô-Isometrie auf Banach-Räume erweitern und folglich ergibt sich eine Theorie der stochastischen Integration bezüglich einer brownschen Bewegung für Banach-wertige Zufallsvariablen.[2][3]
UMD-Raum
Sei
ein Wahrscheinlichkeitsraum mit Filtration
und
ein Banach-Raum. Mit
meinen wir
.
Grundbegriffe
- Eine Reihe
heißt unbedingt konvergent falls für jede Folge
mit
die Reihe
![{\displaystyle \sum _{n=1}^{\infty }\varepsilon _{n}x_{n}}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/ab7d1f98323afd1dd7d956dbcde78210ef6ad599)
- konvergiert.
- Sei
ein
-wertiges
-adaptiertes Martingal.
ist ein
-Martingal, falls
für alle
, das bedeutet
.
- Für ein Martingal
ist die Martingal-Differenzfolge
definiert als
![{\displaystyle dM_{n}:=M_{n}-{M_{n-1}}}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/62728497cf9dc703385afd03f3092b2d59b69ca8)
- mit
. Ist
ein
-Martingal, dann nennt man
eine
-Martingal-Differenzfolge.
Definition
Sei
eine Folge mit
für alle
.
Ein Banach-Raum
ist ein UMDp-Raum, falls für ein
eine Konstante
existiert, so dass für alle
-wertigen
-Martingale-Differenzfolgen
mit
und alle
die folgende Ungleichung gilt
[1]
Erläuterungen
- Die in der Gleichung benützte Norm ist die Norm von
. Analog lässt sich die Gleichung auch mittels der
-Norm
schreiben.
- Die
bilden eine unbedingt konvergente Basis in
.
- Ersetzt man
mit
erhält man die Umgekehrte-Gleichung
![{\displaystyle \mathbb {E} \left[{\bigg \|}\sum \limits _{n=1}^{N}dM_{n}{\bigg \|}_{E}^{p}\right]\leq \beta ^{p}\mathbb {E} \left[{\bigg \|}\sum \limits _{n=1}^{N}\varepsilon _{n}dM_{n}{\bigg \|}_{E}^{p}\right].}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/c904b83e55987e5a05219a26b97523de4a781977)
- Der Wahrscheinlichkeitsraum lässt sich durch einen beliebigen σ-endlichen Raum ersetzen.
p-Unabhängigkeit
Falls
ein UMD
-Raum für ein
ist, dann ist
auch ein UMD
-Raum für alle
.
Eigenschaften
Beziehung zu singulären Integraloperatoren
Eine rein analytische Charakterisierung der UMD-Räume über die Hilbert-Transformation stammt von Burkholder ([4]) und Bourgain ([5]). Es sei
ein beliebiger UMD-Raum und
der Torus. Dann bewiesen sie, dass die UMD
-Räume gerade diejenigen Räume sind, auf denen
- die Hilbert-Transformation auf
beschränkt ist,
- die Riesz-Projektion auf
beschränkt ist,
und somit sind sie auch für alle
beschränkt.
Existenz einer symmetrischen, bikonvexen Funktion
Folgendes ist äquivalent:[5]
ist ein UMD-Raum
- Es existiert eine symmetrische, bikonvexe Funktion
auf
, so dass
und
falls ![{\displaystyle \|x\|_{E}\leq 1\leq \|y\|_{E}}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/ce66cc30194314d21be825d433a73b945a1b73d3)
Beispiele
Folgende Räume sind u. a. UMD-Räume:[6]
- alle endlich-dimensionalen Räume
- alle Hilbert-Räume
- die
-Räume für ![{\displaystyle 1<p<\infty }](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/5540fd86346b4798d7447b8de70fe98cf6243d28)
- die Sobolew-Räume für
![{\displaystyle 1<p<\infty }](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/5540fd86346b4798d7447b8de70fe98cf6243d28)
- die Schatten-Klassen für
![{\displaystyle 1<p<\infty }](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/5540fd86346b4798d7447b8de70fe98cf6243d28)
- reflexive Besov-Räume
- reflexive Birnbaum-Orlicz-Räume
Räume ohne UMD-Eigenschaft
- Alle nicht-reflexiven Räume (
,
usw. für ein σ-endlicher Raum
)
Literatur
- Tuomas Hytönen, Jan van Neerven, Mark Veraar und Lutz Weis: Analysis in Banach Spaces : Volume I: Martingales and Littlewood-Paley Theory. Hrsg.: Springer International Publishing. Cham 2016, ISBN 978-3-319-48520-1, S. 267–372, doi:10.1007/978-3-319-48520-1_4.
- Gilles Pisier: Martingales in Banach Spaces. In: Cambridge University Press (Hrsg.): Cambridge Studies in Advanced Mathematics. 2016, S. 151–217, doi:10.1017/CBO9781316480588.
Einzelnachweise
- ↑ a b Tuomas Hytönen, Jan van Neerven, Mark Veraar und Lutz Weis: Analysis in Banach Spaces : Volume I: Martingales and Littlewood-Paley Theory. Hrsg.: Springer International Publishing. Cham 2016, ISBN 978-3-319-48520-1, S. 267–372, doi:10.1007/978-3-319-48520-1_4.
- ↑ J. M. A. M. van Neerven, M. C. Veraar und L. Weis: Stochastic integration in UMD Banach spaces. In: Institute of Mathematical Statistics (Hrsg.): The Annals of Probability. Band 35, Nr. 4, 2007, S. 1438 - 1478, doi:10.1214/009117906000001006.
- ↑ Zdzislaw Brzezniak, Jan van Neerven, Mark Veraar und Lutz Weis: Itô's formula in UMD Banach spaces and regularity of solution of the Zaka equation. In: Journal of Differential Equations. Band 245, Nr. 1, 2008, S. 30–58, doi:10.1016/j.jde.2008.03.026.
- ↑ Burkholder, D.L.: A geometric condition that implies the existence of certain singular integrals of Banach-space-valued functions. In: Conference on Harmonic Analysis in Honor of Antoni Zygmund,
vol. I, II (Chicago, Ill., 1981), pp. 270–286, Wadsworth Math. Ser., Wadsworth (1983)
- ↑ a b J. Bourgain: Some remarks on Banach spaces in which martingale difference sequences are unconditional. In: Ark. Mat. Band 21, Nr. 1-2, 198, S. 163 - 168, doi:10.1007/BF02384306.
- ↑ Tuomas Hytönen, Jan van Neerven, Mark Veraar und Lutz Weis: Analysis in Banach Spaces : Volume I: Martingales and Littlewood-Paley Theory. Hrsg.: Springer International Publishing. Cham 2016, ISBN 978-3-319-48520-1, S. 356, doi:10.1007/978-3-319-48520-1_4.