TheophanieTheophanie (altgriechisch θεός theos „Gott“; φαίνεσθαι phainesthai „sich zeigen“, „erscheinen“) bedeutet wörtlich übersetzt „Erscheinung eines Gottes“, die Manifestierung Gottes in der Menschenwelt oder der Natur. Man kann Theophanie auch als Selbstoffenbarung Gottes in der Natur und der menschlichen Vernunft, genauer gesagt: in der Außen- und der Innenwelt, verstehen. Der Terminus wird vorwiegend im Sprachgebrauch der christlichen Theologie verwendet. Während die Ilias die älteste Quelle für Beschreibungen der Theophanie in der europäischen Tradition ist, gilt das Gilgamesch-Epos als die wahrscheinlich älteste direkte Beschreibung der Theophanie. Im Gilgamesch-Epos begegnet der Protagonist Siduri, einer Göttin, die mit dem Brauen und der Fruchtbarkeit in Verbindung gebracht wird. In der jüdisch-christlichen Tradition ist die Bibel die wichtigste Quelle für Ereignisse, die als Theophanie zitiert werden. Da Gotteserscheinungen für andere Menschen nicht nachprüfbar sind, entziehen sie sich der Prüfbarkeit mit experimentell-naturwissenschaftlichen Methoden. Über den Wahrheitsgehalt von Theophanien kann daher naturwissenschaftlich nichts ausgesagt werden. Kritiker bezeichnen Theophanien daher als Irrtum, Täuschung, Illusion oder gar Wahnvorstellung. Griechische MythologieIm antiken Griechenland wurde mit den Wörtern theopháneia und epipháneia das Erscheinen einer Gottheit bezeichnet, mit ersterem auch das Vorzeigen aller Götterbilder bei einem Fest in Delphi.[1] Theophanien wurden an einer Reihe von griechischen Stätten und Festen nachgespielt. In Delphi war die Theophania (Θεοφάνια) ein jährliches Frühlingsfest, mit dem die Rückkehr Apollons aus seinem Winterquartier in Hyperborea gefeiert wurde. Der Höhepunkt des Festes war die Präsentation eines Götterbildes, das in der Regel im Heiligtum verborgen war, für die Anbeter. Spätere römische Mysterienreligionen beinhalteten oft ähnliche kurze Darbietungen von Bildern vor Anhängern.[2] Zeus, der oberste olympische Gott der griechischen Mythologie, erschien Semele zunächst als Sterblicher, eine seiner vielen Verwandlungen, um die Frau, die er begehrte, zu gewinnen. Als sich Zeus auf Bitte der Semele in seiner wahren Gestalt offenbarte, wurde sie von seiner Göttlichkeit geblendet und verbrannte, da der Anblick des Gottes mehr ist, als ein Sterblicher ertragen kann. Die meisten Theophanien von Zeus (siehe untere Tabelle) in der griechischen Überlieferung verliefen jedoch nicht tödlich.
Römischer KaiserkultIm antiken römischen Kaiserkult im hellenistischen Osten des Römischen Reiches formte sich ein Feiertag, der die göttliche Erscheinung des Divus als Teil des Zeremoniells beinhaltete.[18] Der Ritus wurde ebenfalls zu Beginn des Januars gefeiert[19] und basierte auf der Epiphanie Iulius Caesars, der beim Überschreiten des Rubikon am 10. Januar 49 v. Chr. vom Volk als Heiland und lebender Gott (wahrscheinlich Divus Iulius) begrüßt und angebetet wurde.[20] JudentumAus biblischer Sicht (siehe auch Monotheismus) ist Gott der alleinige Urheber von Theophanien. Die Übermittlung von göttlichen Offenbarungen erfolgt entweder unmittelbar durch Visionen (Jes 6,1–13 EU) oder Auditionen (1 Sam 3,4–14 EU), teilweise auch durch Engel (Lk 1,26–38 EU) oder menschliche Mittler (Propheten) als Botschafter (2 Sam 12,1–15 EU). Typische Orte für Gotteserscheinungen sind natürliche Umgebungen, die als „heilig“ gelten, zum Beispiel Quellen (Gen 16,7), Flüsse (Gen 32,23-33), Bäume (Gen 12,6-7), vor allem aber und mit großer Bedeutung sind es Berge, auf denen Gott erscheint (Ex 19; 1Kön 19; Ps 48). Als Erscheinungsorte Gottes gelten vor allem der Berg Sinai/Horeb sowie der Berg Zion (Jerusalem), der in bestimmten Psalmen (zum Beispiel Ps 48; Ps 87) und prophetischen Visionen (zum Beispiel Jes 6; Ez 10; Am 1,2; Zef 1) als Ort der besonderen Gegenwart Gottes verstanden wird.[21] EngelerscheinungenDie New Catholic Encyclopedia (Neue katholische Enzyklopädie) zitiert Beispiele wie Genesis 3,8 EU und weiter Gen 16,7–14 EU.[22] Hier handelt es sich ursprünglich um einen Engel, der Hagar erscheint. Im weiteren Verlauf heißt es indes, dass Gott direkt zu ihr sprach, sie Gott sah und erlebte (Gen 16,13 EU). Ein weiteres Beispiel ist Gen 22,11–15 EU, eine Darstellung des Engels des Herrn (also nicht von Gott selbst), der zu Abraham spricht. Gleichwohl benutzt der Engel in der Darstellung die Worte Gottes in der ersten Person (Gen 22,12b EU). Obwohl in beiden Fällen Engel erscheinen, spricht Gott durch sie. Dadurch werden sie zu einer Manifestation Gottes; vgl. auch Mose und der brennende Dornbusch. Als besonders alte Theophanieschilderungen gelten Ri 5,4f. EU, Dtn 33,2 EU und Hab 3,3 EU, die die Herkunft Adonais im Süden lokalisieren. Brennender DornbuschDie alttestamentarische Biblische Erzählung vom brennenden Dornbusch (Ex 3,1 EU bis Ex 4,17 EU) beschreibt die erste Begegnung des Mose mit dem Gott JHWH. Dieser erscheint ihm auf dem Berg Horeb in einem brennenden Dornbusch, ruft ihn beim Namen und beauftragt ihn zur Befreiung der Israeliten aus der Sklaverei in Ägypten. Dabei stellt sich dieser Gott mit seinem exklusiven Namen vor (Ex 3,14). Ursprünglich sah Mose einen Engel in dem Busch, sprach dann aber direkt mit Gott (Exodus 3 EU). Wolkensäule und die FeuersäuleGott offenbart den Israeliten seine göttliche Gegenwart und seinen Schutz, indem er sie aus Ägypten und durch die Wüste Sinai führt, indem er ihnen tagsüber in einer Wolkensäule und nachts in einer Feuersäule erscheint.[23] Nach Rabbi Eliezer sah jeder unter den Israeliten, selbst die am wenigsten intelligente Leibeigene, die Herrlichkeit Gottes am Schilfmeer deutlicher als später die Propheten vom Schlage Ezechiels, weshalb sie in das Lied ausbrachen: „Das ist mein Gott“ (Mek.(Mekiita), l.c., mit Bezug auf Exodus xv. 2).[24] Weitere ErscheinungenDer alttestamentarische Gott erscheint dem Jesaja „sitzend auf einem hohen und erhabenen Thron und sein Saum füllte den Tempel“ (Jes. 6,1), dem Ezechiel inmitten mysteriöser „lebender Kreaturen“, die später als „Kerubim“ identifiziert werden (Ez. 1,10), und dem Daniel als der „Uralte“ in einem Traum (Dan. 7,9–10). DavidDie in Psalm 18,8–16 beschriebene Theophanie ist sehr verschieden. David, König von Juda und von Israel, ist in großer Not, und auf sein inständiges Bitten hin erscheint Gott, um ihn zu retten. Vor Gott erbebt die Erde und Feuer glüht. Gott reitet auf einem Cherub auf dem Wind. Gott ist von Wolken umgeben, die von Gottes Glanz überstrahlt werden. Mit Blitz und Donner vernichtet Gott die Feinde des Sängers und rettet ihn.[25] ChristentumChristusJesus Christus wird entsprechend den Evangelien und der christlichen Tradition als menschgewordener Sohn Gottes gesehen (Joh 1,14 EU). Die New Catholic Encyclopedia nimmt Bezug auf einige Theophanien in den Evangelien, wie Mk 1,9–11 EU und Lk 9,28–36 EU, wo die Taufe und die Verklärung Jesu Christi nacherzählt wird. Obgleich Jesus Christus von seinen Jüngern während seines Lebens als Manifestation Gottes angesehen wurde, würde man hier nur von einer Theophanie sprechen, wenn sich sein göttlicher Glanz und seine Machtfülle gezeigt hätten und nicht – wie es nach Darstellung der Evangelien der Fall war – von seiner Menschlichkeit verhüllt gewesen wäre. Traditionelle Analysen dieser Textstellen brachten christliche Gelehrte zu der Ansicht, Theophanien als eindeutige Äußerung Gottes gegenüber dem Menschen zu verstehen, wobei „eindeutig“ andeutet, dass sich die Menschen über die Anwesenheit Gottes zweifelsfrei bewusst sind. PfingstenDas neue Testament berichtet davon, dass der Heilige Geist unter außerordentlichen Begleiterscheinungen auf die Apostel herabgekommen und die Wirkung, das Fremdsprachenwunder, von Menschen aus verschiedenen Ländern bezeugt worden sei:
– Bibel, Apostelgeschichte[26]
PaulusNach Apg 9,3–29 EU begegnete Paulus auf dem Weg nach Damaskus – „nicht weit vor der Stadt“ – in einer visionären Lichterscheinung der auferstandene Jesus selbst. Dieser habe ihn mit seinem hebräischen Namen angerufen: „Saul, Saul! Warum verfolgst du mich?“ Er habe zurückgefragt: „Wer bist du, Herr?“ Darauf habe die Stimme geantwortet: „Ich bin Jesus, den du verfolgst!“ Danach sei Paulus für mehrere Tage erblindet und habe nichts essen können, bis ihn ein anderer Urchrist im Namen Jesu geheilt habe. Daraufhin habe er sich taufen lassen und begonnen, Jesus als Sohn Gottes zu verkünden. Später erschien Paulus, dem Missionar und Apostel des Urchristentums, während einer Seenot der Engel des Herrn und teilte ihm mit, dass alle auf dem Schiff ihr Leben retten, aber das Schiff verlieren würden. AugustinusIm Jahr 386 geriet Augustinus in eine Krise, worauf er seinen Beruf aufgab (Conf. VIII 2,2–4). Die Wende brachte eine meist als Bekehrungserlebnis bezeichnete religiöse Erfahrung, die seine Hinwendung zum Christentum vollendete. Augustinus hat diese Erfahrung mehrfach beschrieben. Am berühmtesten wurde die Schilderung am Ende des achten Buches (Conf. VIII 12,29) der Confessiones. Sie hat in Malerei, Literatur und biographischem Schrifttum ein starkes Echo gefunden. Im Zustand religiöser Unruhe und Ungewissheit verließ Augustinus, wie er selbst sagt, das Haus und ging in den Garten, gefolgt von Alypius. Dort wurde ihm sein Elend bewusst, er brach in Tränen aus. Er entfernte sich von Alypius, legte sich weinend unter einen Feigenbaum und sprach zu Gott. Plötzlich vernahm er eine Kinderstimme, die angeblich immer wieder rief: „Nimm, lies!“ (lateinisch Tolle, lege!). Da ihm Ähnliches über Antonius, den Einsiedler aus der Wüste, bekannt war, verstand er: Gott befahl ihm, ein Buch aufzuschlagen und die Stelle zu lesen, auf die sein Blick als erste fallen würde. Er schlug die Seiten mit den Paulusbriefen auf, las und erlangte Gewissheit. Orthodoxe KirchenSpätestens im 2. Jahrhundert entstand in der Ostkirche das christliche Epiphanias- oder Theophaniefest,[28] das bis zum 4. Jahrhundert das alte Ritual des Kaiserkultes überlagert hatte. Das Fest der Theophanie wird in der orthodoxen Kirche am 6. Januar gefeiert. (Dieser Tag fällt in den Kirchen, die den julianischen Kalender als liturgischen Kalender verwenden, wie etwa die russische und die serbische orthodoxe Kirche, derzeit auf den 19. Januar des gregorianischen Kalenders.) Beim Fest wird insbesondere auch der Taufe Christi im Jordan durch Johannes den Täufer gedacht.[29] An diesem Tag findet auch die Große Wasserweihe statt, bei der aber nicht, wie es der Name vermuten lässt, primär das Wasser, sondern durch das Wasser die gesamte Schöpfung gesegnet wird. Die Theophanie ist eines der sogenannten Zwölf Großen Feste des orthodoxen Christentums. Das Fest entspricht dem Epiphaniasfest in der römisch-katholischen Kirche. In Russland hat sich der Brauch verbreitet, ein Loch in das Eis eines Flusses zu graben und in das eiskalte Wasser zu tauchen.[30] Man nennt diesen Brauch „Theophanie-Bäder“ oder Yordan, in Erinnerung an die Taufe Jesu Christi im Wasser des Jordans. Die orthodoxen Armenier feiern am 19. Januar nicht nur die Theophanie, sondern auch das Weihnachtsfest, bei dem am Ende der Liturgie auch das Wasser gesegnet wird. Der Bischof Eusebius von Caesarea, der im 4. Jahrhundert lebte, schrieb ein Buch mit dem Titel Theophania, das auf Christi Inkarnation Bezug nimmt. MormonenJoseph Smith, Jr., der Prophet und Begründer der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage (Mormonen), wurde im Alter von vierzehn Jahren von Gottvater und Jesus Christus in einem Hain in der Nähe seines Hauses besucht, eine Theophanie als Antwort auf sein erstes gesprochenes Gebet. Diese Vision gilt als Ursprung der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage. Evangelikale ChristenheitEinige moderne evangelikale christliche Bibelkommentatoren wie Ron Rhodes interpretieren den „Engel des Herrn“, der an mehreren Stellen des Alten Testaments erscheint, als den präinkarnierten Christus, d. h. Jesus vor seiner im Neuen Testament beschriebenen Manifestation in menschlicher Gestalt.[31] Der Begriff Christophanie wurde auch geprägt, um präinkarnierte Erscheinungen Christi im Alten Testament zu bezeichnen. Dies war auch die traditionelle Auslegung der frühesten Kirchenväter und des Apostels Paulus selbst. IslamDer islamische Prophet Mohammed begann, jedes Jahr mehrere Wochen lang allein in einer Höhle namens Hirā auf dem Berg Jabal al-Nour in der Nähe von Mekka zu beten.[32] Die islamische Überlieferung besagt, dass ihm bei einem seiner Besuche in dieser Höhle im Jahr 610 der Erzengel Gabriel erschien und Mohammed befahl, Verse zu rezitieren, die in den Koran aufgenommen werden sollten.[33] Es besteht Einigkeit darüber, dass die ersten offenbarten Koranworte der Anfang von Koran 96:1 waren. Eine weitere Theophanie im Islam ist die Mi’raj, die Himmelfahrt von Mohammed, bei der er mit Gott (Allah) spricht, manchmal auch als „eine nächtliche Reise von Mekka durch Jerusalem“ bezeichnet.[34] Drusischer GlaubeDie Drusen beziehen sich zwar nicht auf bestimmte Theophanie-Ereignisse, glauben aber an die göttliche Inkarnation und die Reinkarnation, d. h. die Seelenwanderung.[35] Hamza ibn Ali ibn Ahmad gilt als Begründer der Drusen und als Hauptautor der drusischen Handschriften, er verkündete, dass Gott Mensch geworden sei und die Gestalt eines Menschen angenommen habe, al-Hakim bi-Amr Allah.[36] al-Hakim bi-Amr Allah ist eine wichtige Figur des drusischen Glaubens, dessen gleichnamiger Gründer ad-Darazi ihn im Jahr 1018 als Inkarnation Gottes verkündete.[37] BahaitumManifestation Gottes ist ein Begriff aus dem Baháʼí, welcher ihr Modell der Theophanie umreißt. Für Baha’i ist die Essenz Gottes nicht erkennbar, deshalb sendet dieser seine Sendboten, die Manifestationen Gottes, welche seine Vertreter auf Erden sind. Sie sind Theophanien, Spiegel, welche Gottes Herrlichkeit reflektieren und seine Attribute offenbaren. Der Baháʼí-Glaube bezieht sich zwar damit nicht auf bestimmte Theophanie-Ereignisse, geht aber davon aus, dass Gott sich in den Propheten manifestiert. Die „Manifestation Gottes“ ist ein Konzept, das sich auf die so genannten Propheten bezieht, zu denen unter anderem Adam, Zarathustra, Krishna, Gautama Buddha, Abraham, Moses, Jesus, Muhammad, der Bāb und Bahāʾullāh gehören.[38] Die Manifestationen Gottes sind eine Reihe von Persönlichkeiten, die die Eigenschaften des Göttlichen in der menschlichen Welt widerspiegeln, um den Fortschritt und die Weiterentwicklung der menschlichen Moral und Zivilisation zu fördern.[39] Die Manifestationen Gottes sind der einzige Weg für die Menschheit, Gott kennenzulernen, und sie fungieren als perfekte Spiegel, die die Eigenschaften Gottes in der physischen Welt widerspiegeln.[40] Thomas Kelly Cheyne (1841–1915), ein Geistlicher der Church of England und Gelehrter, beschrieb die Theophanie im Kontext des Baháʼí-Glaubens. Er schrieb: „...man spürt, dass eine Theologie ohne Theophanie sowohl trocken als auch schwer zu verteidigen ist. Wir wollen einen Avatara, d. h. eine ‚Herabkunft' Gottes in menschlicher Gestalt“.[41] HinduismusIm Hinduismus bezeichnet Avatara die Manifestation des höchsten Prinzips (Brahman) oder einen göttlichen Aspekt, der die Gestalt eines Menschen oder Tieres annimmt. Avatara bezieht sich immer auf den Gott selbst oder seine Kraft, die sich in einer besonderen gottgeweihten Seele (Atman) manifestiert bzw. zu dieser Seele hinabsteigt. Da Hinduismus oft als polytheistisch oder pantheistisch verstanden wird, hat Theophanie hier eine andere Bedeutung als im Judentum oder im Christentum. Die bekannteste Theophanie in den östlichen Traditionen ist im Bhagavad Gita enthalten. In der Gita bittet der berühmte Krieger Arjuna Krishna um Offenbarung seiner wahren Gestalt, nachdem Arjuna von Krishna mehrfach Lehrunterricht auf dem Schlachtfeld von Kurukshetra erhalten hatte. Krishna willigt ein und verleiht Arjuna die Fähigkeit, Krishna in seiner wahren, furchteinflößenden und ehrfurchtgebietenden Gestalt zu sehen. Dazu verleiht er ihm spirituelles Sehvermögen. Diese Theophanie wurde von Robert Oppenheimer beim Miterleben des ersten Atombombentests zitiert: Now I am become Death, the destroyer of worlds („Jetzt bin ich der Tod geworden, der Zerstörer der Welten“). Die von Oppenheimer falsch übersetzte Stelle bedeutet in der deutschen Übersetzung ursprünglich: „Ich bin die Zeit, die alle Welt vernichtet, erschienen, um die Menschen fortzuraffen“ (Bhagavad Gita Kapitel 11/32). Viele hinduistische Götter und Göttinnen haben sich in Avatara inkarniert. So hat sich zum Beispiel Vishnu zehnfach als Avatara inkarniert, wobei Rama die siebte und Krishna die achte Inkarnation war. Über die Identität des neunten Avatars herrscht Unklarheit. Meist wird hier Buddha angegeben, andere benennen Balarama, den Bruder Krishnas. Im ehemaligen Königreich Nepal galt auch der jeweilige König als Inkarnation Vishnus. Die wohl populärste Form der Göttin (devi) im Hinduismus ist Durga, die in unterschiedlichen Erscheinungsformen existiert. Sie wird als Göttin der Vollkommenheit verehrt, die in unterschiedlichen Formen, darunter Sarasvati, Lakshmi, Ambika und Ishvari, in Erscheinung tritt. Ihr werden verschiedene Attribute zugeschrieben, darunter Kraft, Wissen, Handeln und Weisheit. Eine Vielzahl indischer Gurus werden in Indien ebenfalls als Avatare verehrt. Zu den weltweit bekanntesten zählen Sri Sathya Sai Baba und Sri Mata Amritanandamayi Devi. Göttliche Erscheinungen vor TierenIn den religiösen Überlieferungen der Menschen finden sich antike literarische Aufzeichnungen über das Erscheinen von Gottheiten bei Tieren, wobei die Tiere in der Regel in der Lage sind, den Menschen in menschlicher Sprache von ihren Erfahrungen zu berichten:
PhilosophieDie Auffassung der „immerwährenden bzw. ewigen Philosophie“ (Philosophia perennis) ist, dass es eine einzige oder zentrale Wahrheit oder Erfahrung gibt, die von allen Religionen geteilt wird, auch wenn sie unterschiedliche Begriffe und Sprachen verwenden, um sie auszudrücken. Diese Ansicht wird unter anderem von Aldous Huxley, Ken Wilber, den Denkern des Traditionalismus und dem Neo-Vedanta vertreten. Johannes Scottus Eriugena (* im frühen 9. Jahrhundert; † im späten 9. Jahrhundert), ein Gelehrter, Theologe und Philosoph irischer Herkunft, war der Auffassung, dass wir Gott nur durch die Dinge, die er geschaffen hat[44][45] kennen, das heißt nur durch die Theophanie,[46] wie Dionysius Areopagita vor ihm argumentierte.[47] Die „Schöpfung“ der Welt ist in Wirklichkeit eine Theophanie, eine Offenbarung des Wesens Gottes in den geschaffenen Dingen. So wie er sich dem Verstand und der Seele in der höheren intellektuellen und geistigen Wahrheit offenbart, so offenbart er sich den Sinnen in der geschaffenen Welt um uns herum. Die Schöpfung ist also ein Prozess der Entfaltung der göttlichen Natur. Die Theophanie ist also in diesem engeren Sinne auf Seiten des Menschen ein Aufstieg zu Gott, bei dem jeder gute Wunsch und jede gute Tat eine Stufe ist, und auf Seiten Gottes eine Offenbarung seiner selbst an den menschlichen Geist in einer Weise, die unser Verstand verstehen kann. Der deutsche Philosoph der Aufklärung Immanuel Kant benennt in seiner Kritik der Urteilskraft das Erdbeben von Lissabon (1755), angesichts dessen Ausmaße das Vorstellungsvermögen versagt, als eine der Mächte, die das Gefühl des Erhabenen und den Respekt vor dem Übersinnlichen im Menschen weckt und die menschliche Sprache verstummen lässt,[48] gewissermaßen als eine Theophanie.[49] Die französische Philosophin, politische Aktivistin und Mystikerin Simone Weil beschreibt ihre Theophanie in der Abtei Saint-Pierre de Solesmes, wo sie alle Gottesdienste besuchte und täglich gregorianische Gesänge hörte, folgendermaßen.[50] „Ich hatte bohrende Kopfschmerzen; jeder Ton schmerzte mich wie ein Schlag; und da erlaubte mir eine äußerste Anstrengung der Aufmerksamkeit, aus dem elenden Fleisch herauszutreten, es in seinen Winkel hingekauert allein leiden zu lassen und in der unerhörten Schönheit der Gesänge und Worte eine reine und vollkommene Freude zu finden. Diese Erfahrung hat mich durch Analogie besser verstehen lassen, wie es möglich sei, die göttliche Liebe durch das Unglück hindurch zu lieben. Ich brauche nicht eigens hinzuzufügen, dass im Verlauf der Gottesdienste der Gedanke an die Passion Christi ein für alle Mal in mich Eingang fand.“[51] Moderne1852 wurde Bahāʾullāh (arabisch: Herrlichkeit Gottes) eingekerkert und in schwere Ketten gelegt. Später berichtete Bahāʾullāh, dort den Beginn seiner göttlichen Offenbarung erfahren zu haben:[52][53][54]
– Bahāʾullāh[55] Das Sonnenwunder vom 13. Oktober 1917 war eine Theophanie im Rahmen der Erscheinungen von Fátima, die von mindestens 30.000 Menschen nahe Fátima in Portugal beobachtet wurde und von der katholischen Kirche als Wunder eingestuft wird.[56] Vielen Zeugenaussagen entsprechend sollen nach einem Regenguss die Wolken aufgebrochen und die Sonne als eine undurchsichtige, sich drehende Scheibe am Himmel erschienen sein. Es wurde berichtet, sie sei erheblich weniger hell als gewöhnlich gewesen und habe bunte Lichter[57] auf Landschaft, Anwesende und Wolken sowie Schatten geworfen. Die Sonne habe sich dann zur Seite geneigt und in einem Zickzackkurs auf die Erde zubewegt. Augenzeugen berichteten, dass der vom Regen nasse Boden und ihre Kleidung binnen der ungefähr zehn Minuten, in denen das Ereignis stattfand, trocken geworden seien. Nach Aussagen der polnischen Ordensschwester und Mystikerin Maria Faustyna Kowalska (1905–1938) erschienen ihr wiederholt Jesus Christus (manchmal in Gestalt des Jesuskindes, manchmal als Erwachsener), Maria, Engel und andere Heilige. In diesen Visionen erhielt sie nach ihren Angaben von Jesus den Auftrag, Künderin der Barmherzigkeit Gottes zu sein. Ihr sei ferner aufgetragen worden, ein Bild Jesu malen zu lassen, von dessen Heiligstem Herzen zwei Strahlen ausgehen. Die französische Philosophin, Mystikerin und politische Aktivistin Simone Weil erlebte im November 1938 eine tiefe spirituelle Erfahrungen beim gebetartigen Sprechen eines Gedichts von George Herbert (1593–1633). Das Gedicht hinterließ bei ihr einen starken Eindruck. Das Empfinden, dass Christus zugegen sei, beschrieb Simone Weil nicht als Erscheinung, sondern als „eine persönliche, gewissere, wirklichere Gegenwart als die eines menschlichen Wesens“. Weder Sinne noch Einbildungskraft seien an der „plötzlichen Übermächtigung durch Christus“ beteiligt gewesen. Sie habe durch das Leiden hindurch die Gegenwart einer Liebe empfunden gleich jener, „die man in dem Lächeln eines geliebten Antlitzes liest“. Als Mutter Teresa am 10. September 1946 durch Kalkutta fuhr, spürte sie beim Anblick eines Kruzifixes die Berufung, den Armen zu helfen. In ihrem Tagebuch beschrieb sie dieses Erlebnis als mystische Begegnung mit Jesus, der sie mit den Worten „Mich dürstet“ zum Dienst an den Ärmsten der Armen aufforderte.[58] Im Februar und März 1974 erlebte der Science-Fiction-Autor Philip K. Dick eine Reihe von Halluzinationen.[59] Abgesehen von dem „rosa Strahl“[60] beschrieb er die anfänglichen Halluzinationen als geometrische Muster und gelegentlich als kurze Bilder von Jesus und dem alten Rom. Als die Visionen an Dauer und Häufigkeit zunahmen, behauptete Dick, er habe begonnen, zwei parallele Leben zu führen – eines als er selbst, „Philip K. Dick“, und eines als „Thomas“,[61] ein von den Römern im ersten Jahrhundert nach Christus verfolgter Christ. Er bezeichnete den „transzendentalen rationalen Verstand“ als „Zebra“, „Gott“ und „VALIS“ (ein Akronym für Vast Active Living Intelligence System; Umfassendes intelligentes lebendes System). Er schrieb über diese gnostische Erfahrungen, zunächst in dem halb-autobiografischen Roman Radio Free Albemuth (1985), dann in Valis (1981) und dem unvollendeten The Owl in Daylight (die VALIS-Trilogie).[62] Die Philosophin Christina Schefer trägt Indizien für ihre Ansicht vor, wonach im Zentrum von Platons Denken weder die geschriebene Ideenlehre noch die ungeschriebene Lehre stand, sondern eine „unsagbare“ religiöse Erfahrung, die Theophanie des antiken griechischen Gottes Apollon.[63] Siehe auch
LiteraturWiktionary: Theophanie – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
WeblinksCommons: Theophanie – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Einzelnachweise
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