SynagogenorgelDie Synagogenorgel ist eine Pfeifenorgel, die für eine Synagoge gebaut wurde und liturgischen Zwecken dient. Die Synagogenorgel hielt zu Beginn des 19. Jahrhunderts Einzug in den Reformgemeinden, die orthodoxen Gemeinden lehnten sie ab. Während der Novemberpogrome 1938 wurden fast alle Synagogenorgeln in Deutschland zerstört. Die Anzahl der Synagogenorgeln liegt heute weltweit bei unter 100. GeschichteDie ersten Synagogenorgeln sind in Prag für das Jahr 1594 und für das 17. Jahrhundert und in Venedig für das 17. Jahrhundert nachweisbar.[1] In Deutschland war die Einführung der Orgel erst durch die jüdische Aufklärungsbewegung der Haskala möglich. Durch die Öffnung für die christliche Gesellschaft glich sich der jüdische Gottesdienst in den reformorientierten Gemeinden dem protestantischen Gottesdienst an. Nachdem Ende des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts in Synagogen die Liturgie verkürzt und der Chorgesang, der Gemeindegesang und Predigt und Gebete in der Landessprache eingeführt worden waren, hielt auch die Orgel in deutschen reformgesinnten Synagogen Einzug.[2] Allerdings blieb das Reformjudentum weitgehend auf Mitglieder der Oberschicht in mittelgroßen und größeren Städten beschränkt. Israel Jacobson ließ im Jahr 1810 für die Jacobsonschule in Seesen eine Orgel bauen. 1815 wurden in Berlin und 1816 in Kassel erstmals synagogale Lieder auf der Orgel begleitet. Für den Hamburger Israelitischen Tempel entstand 1818 die erste Synagogenorgel.[3] Zu einer Verbreitung der Synagogenorgeln kam es, als die zweite deutsche Rabbinerversammlung 1845 ihren Bau gestattete. In den Folgejahren bauten führende deutsche Orgelbauer ihrer Zeit wie Buchholz, Ladegast, Sauer und Walcker & Cie. Instrumente in Berlin (private Synagoge, 1846), Hildesheim (1850), Mainz (1853), Berlin (Neue Synagoge, 1854), Mannheim (1855), Leipzig (1856).[4] Walcker baute allein zwischen 1910 und 1914 fünf Orgeln mit über 50 Registern für deutsche Synagogen.[5] Die konstruktiven Bauprinzipien unterschieden sich nicht von Kirchenorgeln. In Synagogen wie in Kirchen wurden sie in der Regel auf der Empore aufgestellt. Konnte sich eine liberale Gemeinde keine teure Orgel leisten, schaffte sie ein Harmonium an.[6] Die meisten Gemeinden standen der Orgel kritisch gegenüber, da sie als christliches Instrument betrachtet wurde und aus dem traditionellen Respekt gegenüber dem zerstörten Jerusalemer Tempel das Musizieren am Sabbat unterbleiben sollte. Als die Rabbinerversammlung 1869 in Leipzig die Anschaffung von Orgeln empfahl und 1871 jüdischen Organisten das Orgelspiel am Sabbat erlaubte, nahm die Verbreitung der Synagogenorgel einen weiteren Aufschwung, sodass in fast allen deutschen Großstädten Orgeln in Synagogen erklangen. Bis ins 20. Jahrhundert hinein spielten allerdings überwiegend christliche Organisten auf Synagogenorgeln. Die orthodoxen Gemeinden blieben bei ihrer kritischen Haltung gegenüber der Orgel. In mehreren Städten wie Erfurt, Frankfurt, Mainz, Worms und Zürich führte die Einführung der Orgel zur Spaltung in eine orthodoxe und eine liberale Gemeinde.[7] Teils umfangreiche synagogale Orgelmusik schrieben Louis Lewandowski, Josef Löw, Joseph Sulzer und Moritz Deutsch. Fast der gesamte Instrumentenbestand wurde in der sogenannten Reichspogromnacht 1938 vernichtet. In den knapp 130 Jahren konnte sich kaum eine spezifisch jüdische Orgelmusik ausprägen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden in Deutschland nur in Einzelfällen Synagogenorgeln gebaut.[2] Heute gibt es in Deutschland nur noch Synagogenorgeln in der Frankfurter Westend-Synagoge und in der Synagoge Saarbrücken, die beide 1950 gebaut wurden, sowie in der Synagoge Rykestraße (Berlin). In der Bielefelder Synagoge, einer ehemaligen Kirche, wurde die bestehende Orgel übernommen.[8] Eine Orgel aus Berlin steht seit 2011 in der Villa Seligmann in Hannover.[9] In Europa finden sich die meisten Synagogenorgeln in Tschechien (16 Werke). Außerhalb Europas gibt es nur noch in den USA eine größere Anzahl von Synagogenorgeln (etwa 50 Instrumente).[10] Bestehende Synagogenorgeln (Auswahl)
Ehemalige Synagogenorgeln (Auswahl)
Siehe auchCommons: Synagogenorgeln – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Literatur
WeblinksCommons: Synagogenorgeln – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Einzelnachweise
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