Der Schwarze Bär in Göttingen ist ein Fachwerkhaus aus der Renaissance-Zeit. Der Hausname wurde 1592 erstmals erwähnt; die Traditionsgaststätte Zum Schwarzen Bären besteht seit 1637. Die Adresse in der Altstadt ist Kurze Straße 12.[1]
Der Begriff Schwarzer Bär ist als Haus- und Gasthausname in deutschsprachigen Ländern verbreitet. Weitere bekannte Häuser gleichen Namens standen bzw. stehen unter anderem in Hannover, Worms, Jena, Dresden, Querfurt, Weimar, Linz und Emmersdorf. Der Fachwerkbau des Göttinger Schwarzen Bären wurde nach baustilistischer Einschätzung im ausgehenden 16. Jahrhundert errichtet[2] und diente zunächst wohl als Bürger- oder Kaufmannshaus. Die beiden Bauinschriften an der Straßenfassade („Erbaut um 1600“[3]) sind nachträglich erst im 20. Jahrhundert aufgemalt. Die erste nachrichtliche Erwähnung ist aus dem Jahr 1592 überliefert, als das Gebäude wohl gerade erst erbaut worden war: Vom 30. März bis 2. April 1592 fanden dort Verhandlungen über die Rückgabe der in der Nähe von Göttingen gelegenen Burg Niedeck statt, und zwar zwischen den bisherigen Pfandbesitzern der Burg, den Herren von Kerstlingerode, und dem Landesherren Herzog Heinrich Julius von Braunschweig, vertreten durch den Kammerrat Joachim Götz von Olenhusen und den Oberamtmann Heinrich Wissel aus Göttingen.
Fachwerkfassade
Das Vorderhaus des Schwarzen Bären steht in geschlossener Reihe traufständig an der Westseite der Kurzen Straße und erscheint mit 10 Fachwerkachsen besonders breitgelagert und repräsentativ. Die zur Straße ausgerichtete Schmuck-Fachwerkfassade steht gefügekundlich in der Tradition gotischer Fachwerk-Dielenhäuser des 15. Jahrhunderts, die sich durch ein hoch aufgeständertes Erdgeschoss (für eine große Halle im Innern) mit einem aufgesetzten Speichergeschoss auszeichnen, wobei das Obergeschoss in Stockwerksbauweise vorkragt. Dass die Fassade bei dieser ursprünglich zweigeschossigen Bauweise dennoch dreigeschossig wirkt, hängt mit den später vorgenommenen Wohnnutzungen des Vorderhauses zusammen, wozu oftmals ein Zwischengeschoss eingezogen wurde, das man eigens auch befensterte.[4][5] Trotz dieser älteren Bautradition ist die Fachwerkfassade des Schwarzen Bären jedoch erkennbar nicht mehr gotisch oder spätmittelalterlich, sondern jünger und von Renaissance-Formen geprägt. Das zeigen die Schmuck- und Detailformen des Fachwerks, namentlich in der Deckenbalkenzonen die zeittypischen Schmuck-Knaggen unter den Balkenköpfen. Vergleichbare als Voluten-Konsolen ausgebildete Schmuck-Knaggen gibt es in Göttingen heute noch an den Gebäuden Hardenberger Hof Ritterplan 7 (1592), Groner Straße 35 (um 1595) und Rote Straße 14 (1606).[6]
An der Fachwerkfassade des Schwarzen Bären fällt außerdem der rechts aus dem Zwischengeschoss vortretende Erker auf, der offenbar einer besonderen Raumnutzung diente. Die dort anders profilierten Balkenköpfe und Füllhölzer sprechen für einen nachträglichen Einbau des Erkers Mitte des 17. Jahrhunderts.[7] Fraglich ist, ob auch das mächtige, aber asymmetrisch aufgesetzte Zwerchhaus aus der ursprünglichen Erbauungszeit des späten 16. Jahrhunderts stammt. Nähere bauhistorische Untersuchungen stehen aus.
Traditionsgastwirtschaft
Seit 1637 wird der Schwarze Bär gastronomisch genutzt und heißt Zum Schwarzen Bären. Im Jahr 1734 gehörte das Haus Heinrich Andreas Koch, der dort eine Garküche betrieb. Diese wurde besonders von Studenten der 1734 in Göttingen neu gegründeten Universität genutzt. Nachdem es im Schwarzen Bären bereits Fremdenzimmer gegeben hatte, wurden nun lukrative Studentenwohnungen eingerichtet. Ab 1755 gehörte das Haus Heinrich Arnold Koch, ab 1775 ist als Eigentümer der Metzger Johann Heinrich Bleßmann eingetragen, 1782 der Kaufmann Heinrich Christian Werber, 1798 der Maurer Johann Heinrich Meier, 1800 der Bäcker Johann Andreas Koch, 1803 der Kutscher Justus Albrecht und ab 1810 der Bäcker Johann Justus Barthold Schepeler. Schepeler betrieb eine Logier- und Speisewirtschaft, starb jedoch bereits 1818. Seine Frau heiratete in zweiter Ehe den Goldschmied Lorenz Kollmann, der die Schankwirtschaft weiterbetrieb.
In den 1830er Jahren gab es in dem Haus bis zu sieben Studentenquartiere. Im Jahre 1837 wird der Schwarze Bär bezüglich der Hundert-Jahr-Feier der Universität als empfehlenswertes Gasthaus angepriesen. Doch erst 1848 sollte die große Zeit des Schwarzen Bären beginnen, nachdem durch die Verfügung der hannoverschen Regierung vom 27. April 1848 der Ausschank fremder Biere in allen Gaststätten Göttingens freigegeben worden war. Bis dahin durfte nur Göttinger Bier ausgeschenkt werden, das allerdings nicht besonders beliebt war. Mit dem nun beginnenden Ausschank echten bayrischen Bieres sicherte sich der Schwarze Bär den starken Besuch besonders anspruchsvoller Gäste, unter anderem auch Honoratioren der Stadt und der Universität. Und so wurde das Gasthaus in den 1850er Jahren besonders für sein gutes und echt bayrisches Bier bekannt und gerne von Studenten besucht.[8]
Ab 1854 bis 1928 beherbergte der Schwarze Bär zahlreiche Göttinger Studentenverbindungen. So tagten um 1854 die Bärenfriesen,[10] ein Teil des heutigen Corps Frisia, bis 1860 im Bären, der das traditionelle Stammlokal für die Friesen bis ins Jahr 1915 sein sollte und noch einmal von 1910 bis 1919 als Kneipe genutzt wurde. Auch der 1859 gegründeten Verbindung Lunaburgia diente der Schwarze Bär 50 Jahre lang als Stammlokal; er wurde in das Wappen der Korporation aufgenommen. Die Lüneburger bezogen ihre Kneipe im ersten Stock des Schwarzen Bären, bis zum Umzug in das eigene Haus im Jahr 1909. Am 10. November 1860 wurde im Schwarzen Bären die Burschenschaft Holzminda gegründet.[11] Bis zum Umzug in ihr eigenes Haus im Jahr 1910 hatte die Holzminda im Schwarzen Bären ein eigenes Kneip-Zimmer angemietet,[12] in dem Kneipbilder aller Mitglieder aufgehängt wurden und regelmäßige Kneipen, Convente und Spielabende stattfanden.[13] Im Jahre 1900 wurde von der Holzminda ein weiteres Zimmer hinzu gemietet.[14] Auch in das Wappen dieser Studentenverbindung wurde der Schwarze Bär übernommen. Etliche Jahre unterhielt auch die Turnerschaft Mündenia ihre Kneipe im Schwarzen Bären, bis sie 1928 ihr eigenes Haus bezog. In den 1870er Jahren entstand im Schwarzen Bären ein weiterer Zusammenschluss von Studenten, die Bärenblase.[15]
1934 ging das Haus in das Eigentum der städtischen Göttinger Brauhaus die zur Einbecker Brauerei gehört; seit 2010 wurde ein Verkauf erwogen.[16][17]
Verkauf 2011 und ungewisse Zukunft
Am 15. Juli 2011 schloss die Traditionsgaststätte.[18] Im September 2011 erwarb der Göttinger Kaufmann Helmut Turck das Haus und gab bekannt, dass er es „mit Millionenaufwand“ sanieren und schon 2012 als Gasthaus wiedereröffnen wolle.[16][19][20] Als Turck bald darauf starb, übernahm der Göttinger Investor Henning Hauschild die Immobilie.[21][22] Bei den Entkernungsarbeiten im Innern wurde die ursprüngliche zweigeschossige Erdgeschosshalle wiederentdeckt und freigelegt. Auch entdeckte man bei Bauuntersuchungen einen Gewölbekeller aus dem 14. Jahrhundert,[23] der zu einem Vorgängerbau gehörte. Hauschild kündigte in der Presse an: „Die alte Hausstruktur mit der [...] Halle und den Torbögen will ich rekonstruieren“.[21] Die noch ungenehmigten Bauarbeiten gestalteten sich jedoch schwierig, zudem gab es Beschwerden wegen Baustellenlärms in den Abendstunden und wegen Gefährdungen für Kinder im Baustellenbereich.[24] Weitere Probleme ergaben sich mit Planungen für die bestehenden Hofgebäude auf dem rückwärtigen Grundstück, auf dem sich ein ebenfalls denkmalgeschützter „Alter Rittersaal“ befindet,[25] den der Investor als „Hinterhof-Geraffel abzureißen“[26] beabsichtigte. Als auch 2017 immer noch kein vollständiger Bauantrag mit statischem Nachweis bei der städtischen Baubehörde eingegangen war[23] und die Baustelle von der Stadtverwaltung stillgelegt werden musste,[26] drohte der Bauherr öffentlich in einem Zeitungsinterview mit dem Abriss des Baudenkmals.[23] Bauherr und Stadtverwaltung konnten sich seither nicht auf eine genehmigungsfähige Planung einigen, was mehrfach Gegenstand von kritischer Berichterstattung in der Presse war.[26][27][25][28] Inzwischen verwahrloste das Baudenkmal zunehmend; die Fassaden sind teilweise offen. Aktuell – Stand August 2021 – ruht die Baustelle immer noch.
Bildergalerie
Kurze Straße und Schwarzer Bär, Ölgemälde um 1910
Schwarzer Bär mit eingezeichneter Kneipe der Verbindung Lunaburgia (1880)
Der Schwarze Bär und verschiedene Studentenutensilien (um 1894)
Aus der Geschichte des "Schwarzen Bären" zu Göttingen in: R. Lies (Hrsg.): Mitteilungsblatt des Vereins Alter Holzminder zu Göttingen e. V. Hannover Mai 1936, S. 6–10 und September 1936 S. 8–10.
Theo Weinobst: Romantisches Göttingen. Bürgerhäuser aus dem 16. Jahrhundert. Verlag Göttinger Tageblatt, Göttingen 1975, S. 44–46.
Hans-Georg Schmeling: Alt-Göttingen. Historische Photographien. Wartberg Verlag, Gudensberg-Gleichen, 2. Auflage 1996, ISBN 3-925277-35-8, S. 23 (Mit Fotografie aus dem Fotoarchiv des Stadtarchivs Göttingen aus der Zeit um 1900, welche einen älteren Zwischenzustand mit monochromer (einfarbiger) Fachwerkfassung und anderen Fenstern sowie noch ohne die linke Torfahrt und mit noch nicht wieder freigelegtem Mitteltorbogen zeigt.)
↑Vor der Einführung von Straßennamen in Göttingen hatte der Schwarze Bär die Altstadt-Hausnummer „121“. Vgl. Prizelius-Plan von 1864, abgebildet u. a. in: „Eine Welt allein ist nicht genug“ Großbritannien, Hannover und Göttingen 1714–1837. Hrsg. Elmar Mittler. Göttingen 2005, ISBN 3-930457-75-X (Digitalisat auf univerlag.uni-goettingen.de, abgerufen am 7. August 2021), S. 19 (Plan dort falsch datiert „um 1800“).
↑Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland, Baudenkmale in Niedersachsen, Bd. 5.1 Stadt Göttingen. Bearbeitet von Ilse Rüttgerodt-Riechmann. Friedr. Vieweg & Sohn, Braunschweig / Wiesbaden 1982, ISBN 3-528-06203-7, S. 49. (Digitalisat auf digi.ub.uni-heidelberg.de, abgerufen am 7. August 2021)
↑In den 1970er Jahren war die Datierung "Um 1500" aufgemalt. Vgl. Theo Weinobst: Romantisches Göttingen. Bürgerhäuser aus dem 16. Jahrhundert. Verlag Göttinger Tageblatt, Göttingen 1975, S. 46 (mit Detailabbildung).
↑Zur Göttinger Fachwerkentwicklung siehe: Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland, Baudenkmale in Niedersachsen, Bd. 5.1 Stadt Göttingen. Bearbeitet von Ilse Rüttgerodt-Riechmann. Friedr. Vieweg & Sohn, Braunschweig / Wiesbaden 1982, ISBN 3-528-06203-7, S. 15 f. (Digitalisat auf digi.ub.uni-heidelberg.de, abgerufen am 7. August 2021)
↑Zum in Südniedersachsen typischen gotischen Fachwerk-Dielenhaus vgl. Elmar Arnhold: Die Fachwerkarchitektur im Fachwerk5Eck. Ein Führer zu den Schätzen niedersächsischer Holzbaukunst. Druckerei Ernst, Northeim 2018 (Digitalisat, abgerufen am 7. August 2021), S. 5 f.
↑Vgl. Hans-Georg Schmeling: Alt-Göttingen. Historische Photographien. Wartberg Verlag, Gudensberg-Gleichen, 2. Auflage 1996, ISBN 3-925277-35-8, S. 13, 24, 87.
↑Theo Weinobst: Romantisches Göttingen. Bürgerhäuser aus dem 16. Jahrhundert. Verlag Göttinger Tageblatt, Göttingen 1975, S. 46.
↑Brüning, Quaet-Faslem, Nicol: Geschichte des Corps Bremensia. 1812–1912. Göttingen 1914, S. 477.
↑Hierzu: Die Spaltung der Frisia 1854 und die "Friesenkneipe im Bären" bis zum Schillerjahr 1859. In: Alfred Wandsleb: Frisia Gottingensis 1811–1931, Heide 1931, S. 119–127.
↑Hansheiner Schumacher (Hrsg.): Burschenschaft Holzminda Göttingen. Beiträge zu ihrer Geschichte 1860–1985. Göttingen 1985, S. 7.
↑Historische Perle wird saniert, in: ExtraTip (Göttingen), Jg. 25, 2011, Nr. 39 vom 2. Oktober 2011 (Digitalisat (Memento des Originals vom 7. August 2021 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.gwg-online.de auf gwg-online.de, abgerufen am 7. August 2021), S. 3
↑ abcEduard Warda: Historische Gaststätte. Was wird aus dem „Schwarzen Bären“ in Göttingen? In: goettinger-tageblatt.de. Göttinger Tageblatt (Online-Ausgabe), 2. August 2019, abgerufen am 7. August 2021 (In diesem Zeitungsartikel wird seltenerweise auch die Sichtweise der Göttinger Stadtverwaltung berichtet, da sich Stadtbaurat Thomas Dienberg im Interview zu Wort meldete).
↑Siegfried Schütz, Walter Nissen: Göttinger Gedenktafeln. Ein biographischer Wegweiser. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2016, ISBN 978-3-525-30081-7, S. 200.