Das Dorf Schlierbach liegt 168 m über NN, ca. 10 km nordöstlich von Dieburg, am nördlichen Rand des Odenwaldes. Durch den Ort fließt der gleichnamige Bach, der Voraussetzung für die drei Mühlen in Schlierbach war. Der Ortsteil Schlierbach besteht aus der Gemarkung Schlierbach.[3] in ihr liegt der Siedlungsplatz Straßenmühle.[4]
Geschichte
Frühgeschichte und Ersterwähnung
In der Schlierbacher Gemarkung verläuft die „Hohe Straße“. Schon für die urgeschichtliche und römische Zeit ist deshalb davon auszugehen, dass die Gegend besiedelt war. Die älteste erhaltene Erwähnung von Schlierbach stammt aus dem Jahr 770 und findet sich im Lorscher Codex[5] des Klosters Lorsch. Das ist eine der ältesten Erwähnungen eines Ortes in der Region.
Ortsname
Der Ortsname Schlierbach kommt vom althochdeutschen Wort „Sliere“. Es bedeutet lehmig. Führt der Schlierbach viel Wasser, dann ist es auch heute noch stark eingetrübt. In den historischen Dokumenten ist der Ort im Laufe der Jahrhunderte unter wechselnden Ortsnamen belegt:[1]
Slierbach (770)
Slirbach (1429)
Slirbach (1122)
Sleerbach (1457)
Slirbach (1267)
Schlierbach (1490, 1528)
Slierbach (1276)
Schryllbach (1543)
superior slerbach (1299)
Schlirpach (1577)
Slierbach (1353)
Herrschafts- und Verwaltungsgeschichte
Schlierbach besaß eine Burg der Herren von Hanau, mehrfach erwähnt zwischen 1393 und 1506 in Zusammenhang mit Mannlehen und Weinzehnten um die Burg, die wahrscheinlich nur ein Festes Haus war. Deren ehemaliger Standort liegt heute allerdings vermutlich auf der Gemarkung von Langstadt, einen Kilometer östlich von Langstadt und einen Kilometer nördlich von Schlierbach.[6]
Schlierbach zählte im späten Mittelalter zum Kondominat Umstadt, einem Kondominat zwischen der Kurpfalz und der Herrschaft Hanau, später Grafschaft Hanau und dann der Grafschaft Hanau-Lichtenberg. Daraus lässt sich schließen, dass es zunächst zum Kloster Fulda gehörte. Als Konrad IV. von Hanau sich 1373 für seine Wahl zum Fürstabt des Klosters hoch verschulden musste, hatte das gleich nach seinem Regierungsantritt die Konsequenz, dass er versuchte, die eingegangenen Schulden aus dem Reichsstift Fulda zu refinanzieren. Schon 1374 verpfändet er deshalb Klosterbesitz im Bereich der Burg Otzberg und von Umstadt für 23.875 Gulden an seinen Neffen, Ulrich IV. von Hanau. KurfürstRuprecht I. von der Pfalz erwarb 1390 von der Abtei Fulda deren Auslösungsrecht für das Pfand gegenüber Hanau, soweit es das Amt Umstadt betraf, zur Hälfte. 1521 schied Hanau aus dem so entstandenen Kondominat aus und erhielt dafür unter anderem das Dorf Schlierbach insgesamt.[7] Es gliederte Schlierbach seinem Amt Babenhausen ein.
Nach dem Tod des letzten Hanauer Grafen, Johann Reinhard III., 1736, erbte LandgrafFriedrich I. von Hessen-Kassel aufgrund eines Erbvertrages aus dem Jahr 1643 die Grafschaft Hanau-Münzenberg. Aufgrund der Intestaterbfolge fiel die Grafschaft Hanau-Lichtenberg an den Sohn der einzigen Tochter von Johann Reinhard III., Landgraf Ludwig IX. von Hessen-Darmstadt. Umstritten zwischen den beiden Erben war die Zugehörigkeit des Amtes Babenhausen und seiner Dörfer zu Hanau-Münzenberg oder zu Hanau-Lichtenberg. Es kam fast zu einer kriegerischen Auseinandersetzung, als die beiden Hessen versuchten, das Amt Babenhausen besetzten, so auch Schlierbach, das von Hessen-Darmstadt okkupiert wurde. Die Auseinandersetzung konnte erst nach einem langjährigen Rechtsstreit vor den höchsten Reichsgerichten 1771 mit einem Vergleich beendet werden, dem so genannten Partifikationsrezess. Schlierbach wurde darin Hessen-Darmstadt endgültig zugesprochen. Hessen-Darmstadt gliederte es seinem neu gebildeten Amt Schaafheim ein. Diese Zuordnung blieb auch bestehen, als aus der Landgrafschaft das Großherzogtum Hessen wurde.
Die Statistisch-topographisch-historische Beschreibung des Großherzogthums Hessen berichtet 1829 über Schlierbach:
»Schlierbach (L. Bez. Dieburg) luth. Filialdorf; liegt 21⁄2 St. von Dieburg und 11⁄2 St. von Umstadt, und hat 67 Häuser und 380 Einw., die bis auf 1 Reform., 1 Kath. und 3 Juden lutherisch sind. Man findet 3 Mühlen, und in der Nähe am Wege von Höchst nach Babenhausen Grabhügel, deren römischer oder teutscher Ursprung aber ungewiß ist. – Der Ort erscheint schon 770; er hatte seine eigene Kapelle, die sammt Kirchsatz 1218 den hier stark begüterten Grafen von Wertheim zustand. Der Kirchsatz kam 1218 durch Schenkung an den Johanniter-Convent zu Moßbach und später an Hanau. Schlierbach wurde 1521 vom Grafen Philipp III. von Hanau seiner Herrschaft Babenhausen einverleibt. Nach dem Ausgang der Hanau-Lichtenbergischen Linie 1736 kam der Ort mit andern durch die Vergleiche von 1762 und 1771 an Hessen-Darmstadt. Schlierbach hatte ehemals eine eigene Kapelle; auch stand in der Nähe des Orts früher eine Burg.«[8]
Zum 31. Dezember 1971 kam die bis dahin selbstständige Gemeinde Schlierbach im Zuge der Gebietsreform in Hessen auf freiwilliger Basis als Ortsteil zur Gemeinde Schaafheim.[1] Für Schlierbach sowie für die übrigen nach Schaafheim eingemeindeten Orte wurden Ortsbezirke gebildet.[9]
Verwaltungsgeschichte im Überblick
Die folgende Liste zeigt die Staaten und Verwaltungseinheiten,[Anm. 1] denen Schlierbach angehört(e):[1][10][11]
Blasonierung: „In Silber mit rotem Bord ein schwarzer Löwe, der ein rotes Kreuz in den Pranken hält.“[14]
Ein Gerichtssiegel des 16. Jahrhunderts zeigt über dem Hanau-Lichtenberger Schild als Schildhalterin eine unzweifelhaft weibliche Heilige mit langem wehenden Haar, ein Kreuz in der Rechten, links neben ihr der Buchstabe S. Die Umschrift ist verderbt, Schlierbach jedoch noch sicher zu entziffern. Diesem Siegelstempel ist ein zweiter des 17. Jahrhunderts nachgeschnitten mit gleichem Bild und gleichverderbter Umschrift. Da der Hanau-Lichtenberger Schild nicht als Schlierbacher Ortswappen verwendet werden kann, die Heilige nicht sicher zu bestimmen (jedenfalls nicht mit dem Titelheiligen der Schlierbacher Kapelle, Sankt Veit, identisch) ist, wird vorgeschlagen, den Löwen aus dem Hanau-Lichtenberger Schild mit dem Kreuzattribut der Heiligen in obiger Weise zu einem Ortswappen zu vereinigen.
Siegelbild und Wappenvorschlag
Siegelbild
Wappenvorschlag
Wirtschaftsgeschichte
Um 1350 ist eine Mühle in Schlierbach belegt. Noch Anfang des 20. Jahrhunderts sind die Untermühle am Nord- und die Obermühle am Südrand des Dorfes vorhanden. Als dritte Mühle bestand die Straßenmühle einen Kilometer nordwestlich des Ortes.
Bevölkerung
Einwohnerstruktur 2011
Nach den Erhebungen des Zensus 2011 lebten am Stichtag dem 9. Mai 2011 in Schlierbach 642 Einwohner. Darunter waren 36 (5,6 %) Ausländer. Nach dem Lebensalter waren 108 Einwohner unter 18 Jahren, 285 waren zwischen 18 und 49, 150 zwischen 50 und 64 und 99 Einwohner waren älter.[15] Die Einwohner lebten in 261 Haushalten. Davon waren 63 Singlehaushalte, 72 Paare ohne Kinder und 99 Paare mit Kindern, sowie 24 Alleinerziehende und 3 Wohngemeinschaften.
Datenquelle: Historisches Gemeindeverzeichnis für Hessen: Die Bevölkerung der Gemeinden 1834 bis 1967. Wiesbaden: Hessisches Statistisches Landesamt, 1968. Weitere Quellen: LAGIS[1]; Zensus 2011[15]; nach 2011 Gemeinde Schaafheim
Für Schlierbach besteht ein Ortsbezirk (Gebiete der ehemaligen Gemeinde Schlierbach) mit Ortsbeirat und Ortsvorsteher nach der Hessischen Gemeindeordnung. Der Ortsbeirat besteht aus sieben Mitgliedern.[9] Bei den Kommunalwahlen in Hessen 2021 betrug die Wahlbeteiligung zum Ortsbeirat 65,83 %. Dabei wurden gewählt: ein Mitglied der CDU und des Bündnis 90/Die Grünen sowie drei Mitglieder „Freien Wählergemeinschaft Schafheim“ (FWG) und zwei Mitglieder der SPD.[17] Der Ortsbeirat wählte Reinhard Selzer (FWG) zum Ortsvorsteher.[18]
Kultur und Sehenswürdigkeiten
Vereine
Das Vereinsleben spielt sich überwiegend beim FSV Schlierbach, dem Gesangverein Liederkranz Schlierbach, der Freiwilligen Feuerwehr Schlierbach und der im Frühjahr 2006 gegründeten Interessengemeinschaft Schlierbach ab.
Barbara Demandt: Die mittelalterliche Kirchenorganisation in Hessen südlich des Mains (= Schriften des Hessischen Landesamtes für geschichtliche Landeskunde. 29.) 1966, S. 149.
Siegfried Enders: Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland – Kulturdenkmäler in Hessen – Landkreis Darmstadt-Dieburg. Braunschweig 1988, ISBN 3-528-06235-5, S. 507 f.
Max Herchenröder: Die Kunstdenkmäler des Landkreises Dieburg. 1940, S. 275 f.
Wilhelm Müller: Hessisches Ortsnamenbuch. Band 1: Starkenburg. 1937, S. 635 ff.
Hans Georg Ruppel (Bearb.): Historisches Ortsverzeichnis für das Gebiet des ehem. Großherzogtums und Volksstaats Hessen mit Nachweis der Kreis- und Gerichtszugehörigkeit von 1820 bis zu den Veränderungen im Zuge der kommunalen Gebietsreform (= Darmstädter Archivschriften. 2.) 1976, S. 187.
↑Das Großherzogtum Hessen war von 1815 bis 1866 Mitglied des Deutschen Bundes. Ein Staatenbund ehemaliger Territorien des Heiligen Römischen Reichs. Er gilt als gescheiterter Versuch einer erneuten Reichsgründung.
↑Einwohnerzahlen. In: Webauftritt. Gemeinde Schaafheim, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 27. Juli 2019; abgerufen im November 2019.
↑Uta Löwenstein: Grafschaft Hanau. In: Winfried Speitkamp (Hrsg.): Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Hessen. 63 (= Handbuch der hessischen Geschichte). 3: Ritter, Grafen und Fürsten – weltliche Herrschaften im hessischen Raum, ca. 900–1806. Historische Kommission für Hessen, Marburg 2014, ISBN 978-3-942225-17-5, S.196–230, hier S. 205.
↑ abHauptsatzung. (PDF; 81 kB) § 5. In: Webauftritt. Gemeinde Schaafheim, abgerufen im November 2019.
↑Michael Rademacher: Land Hessen. Online-Material zur Dissertation, Osnabrück 2006. In: eirenicon.com. Abgerufen am 1. Januar 1900
↑Grossherzogliche Centralstelle für die Landesstatistik (Hrsg.): Beiträge zur Statistik des Großherzogtums Hessen. Band1. Großherzoglicher Staatsverlag, Darmstadt 1862, OCLC894925483, S.43ff. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
↑
Gesetz über die Aufhebung der Provinzen Starkenburg, Oberhessen und Rheinhessen vom 1. April 1937. In: Der Reichsstatthalter in Hessen Sprengler (Hrsg.): Hessisches Regierungsblatt. 1937 Nr.8, S.121ff. (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 11,2MB]).