Schickhardt ist die heute verbreitete Schreibweise eines Familiennamens, der in zahlreichen Schreibweisen überliefert ist. Für einzelne Träger dieses Namens etablierten sich zum Teil andere Schreibweisen. Aus der seit dem ausgehenden Mittelalter bekannten Familie gingen viele bedeutende Persönlichkeiten hervor.
Die Familie Schickhardt stammt aus Siegen. Im 15. Jahrhundert gab es dort mehrere Personen mit diesem Namen. Es waren in der Regel Handwerker. Nach dem ältesten Bürgerverzeichnis der Stadt Siegen besaß ein Hanß Schickart (wohl um 1420 geboren) ein Haus in der Loirgasse (heutige Löhrstraße). 1461 wurde im Register über die Herbst-Schatzung im Siegener und Rödger Kirchspiel ein „Jonger Schickart“, möglicherweise ein Sohn des Hanß erwähnt. Zu der gleichen Zeit, 1460, studierte in Erfurt ein Johannes Schickart de Sygen. Dieser erste Akademiker unter den Schickhardts könnte ein anderer Sohn von Hanß Schickart gewesen sein.[1]
Zu der gleichen Zeit lebte in Siegen der Schnitzer Hentze Schickart (* um 1430), der gegen Ende des 15. Jahrhunderts zusammen mit seiner Frau Gela und dem Sohn Heinrich diese Stadt verließ, um sich in den Süden zu begeben. Dieser Hentze Schickart, der vielleicht ein Bruder des Hanß Schickart war, gab den Anfang der schwäbischen Linie. Zwar verstarb er wohl während der Wanderschaft, doch sein Sohn Heinrich ließ sich in Herrenberg nieder und heiratete 1503 Margarete Homel, die wohl ebenfalls aus Siegen mitgekommen war.[2]
Siegener Linie
Während die Genealogie der schwäbischen Linie Schickhardts im 16. Jahrhundert lückenlos überliefert ist, lässt sich die Genealogie der Siegener Linie nicht mehr rekonstruieren. Das liegt daran, dass die älteren Kirchenbücher der Stadt Siegen verloren gegangen sind – die Taufregister setzen erst mit dem Jahr 1623, die Trauregister mit dem Jahr 1675 und die Sterberegister mit dem Jahr 1692 ein. Im Stadtarchiv Siegen gab es viele andere alte Schriften (Bürgermeisterrechnungen, Reisekostenbelege, Listen u. ä.), die als Sekundärquellen herangezogen werden könnten. Ein Großteil davon, der im Tresor der Siegener Reichsbahnfiliale ausgelagert und bis dahin noch nicht ausgewertet worden war, wurde leider 1946 durch ein Hochwasser zerstört. Aus den vorhandenen Sekundärquellen kann man nur sehr schlecht und lückenhaft auf die Genealogie schließen.[3] Aus dem Jahr 1549 ist z. B. eine Kaufurkunde überliefert, aus der hervorgeht, dass der Siegener Ratsmann Hans Schickhart als Zeuge bei der Transaktion fungierte.[4]
Horst Schmid-Schickhardt stellte eine Genealogie der akademischen Linie (einer Teillinie der Siegener Linie) auf, die erst Mitte des 16. Jahrhunderts anfängt. Obwohl er dies mit großer Sorgfalt tat, schließt er jedoch nicht aus, dass diese Genealogie Fehler enthalten kann. Zu dieser Zeit waren alle Siegener Schickharts Calvinisten. Die akademische Linie hatte vielfach Beziehungen zu den Niederlanden, nachdem Jacob Schickhart dort 1614 Arbeit und Anerkennung gefunden hatte. Nach ihm sind in den Folgejahren drei seiner Geschwister Philip Herman, Philip und Magdalena, sowie 1629 sein Onkel Martin in die Niederlande ausgewandert. Zu dieser Auswanderung trug der Dreißigjährige Krieg bei, da die calvinistischen Schickharts um ihr Leben fürchten mussten. Einige weiteren Schickharts, wie ein Bruder und ein Cousin von Jacob, Martin Schickhard und Ägidius Schickhard studierten zwar in den Niederlanden, aber nach Deutschland zurückkehrten. Viele weitere Schickharts, die in Siegen Handwerker, insbesondere Stahlschmiede waren, haben Mitte/Ende des 17. Jahrhunderts diese Stadt verlassen, da die Arbeitsbedingungen in der Stadt im Vergleich zur Konkurrenz auf dem Lande für sie ungünstig geworden waren. Im Laufe des 17. Jahrhunderts verließen alle Schickharts Siegen, so dass dieser Name in den überlieferten Kirchenbüchern nicht mehr auftaucht.[5] Zu der Siegener Linie gehört auch der aus Braunschweig stammende Komponist Johann Christian Schickhardt, dessen Großeltern vermutlich aus Siegen oder Herborn nach Braunschweig auswanderten.
Schwäbische Linie
In der schwäbischen Linie gab es zunächst künstlerisch begabte Handwerker, die in dem Baumeister Heinrich Schickhardt ihren besten Vertreter fanden. Schon bald – mit Paul Schickhart (1548–1609) – fingen ihre Vertreter zu studieren an. Die meisten von ihnen beließen es zwar bei einem einfachen Theologiestudium und der Anstellung als Pfarrer, doch mit Wilhelm Schickard kam ein Universalgelehrter von großem Rang. Die schwäbischen Schickhardts waren seit der Reformation evangelisch.
Eine Seitenlinie der schwäbischen bildet die badische Linie. Sie geht auf Johann Sebastian Schickhardt, einen aus Stuttgart stammenden Arzt zurück, der ein Enkel von Lucas Schickhardt (II.) war. Er heiratete 1670 Maria Ursula Ettlinger in Gernsbach. Sein Sohn Ludwig Daniel Schickhardt (* 1674) heiratete 1699 Maria Elisabeth Kast und war Burgvogt von Schloss Eberstein. Ihr Sohn Johann Ludwig Schickhardt war Hauptschiffer in Gernsbach. Ein anderer Sohn Sebastian Schickhardts, Casimir, der Floßhändler in Calmach bei Wildbad war, heiratete 1714 Maria Clara Kast. Ihre einzige Tochter Catherine Schickhardt wurde 1737 die zweite Ehefrau von Johann Georg Katz, der Schiffer in Gernsbach war. Dadurch kam es zur Verbindung der bedeutenden Familien Kast – Katz – Schickhardt, die in Murgtal als „Holzbarone“ bezeichnet wurden. Es waren Waldbesitzer, Floßherren, Sägewerkbesitzer und Fernhandelskaufleute, die sich bereits im Mittelalter zur genossenschaftlichen Gesellschaft Murgschifferschaft zusammengeschlossen hatten. Im Murgtal wird der Name Schickhardt noch heute so stark mit der Schifferschaft verbunden, dass Casimir Paul Katz diesen Namen der fiktiven Hauptfigur seines Romans Die Holzbarone (2005) gab.[6]
Genealogie
Akademische Linie
Henrich Schickhartt (um 1540 – nach 1606), Hofmeister des Stiftes Keppel bei Siegen
Jacob Schickhart der Ältere (um 1565 – spätestens 1637), Siegener Rechtsanwalt im Dienste der nassauischen Grafen
Jacob Schickhart (1584–1664), Landschreiber und Vertreter der niederländischen Provinz Drente
Maria Schickhart, ⚭ um 1607 Johannes Buch, Pfarrer in Siegen und Krombach
Horst Schmid-Schickhardt: Die Siegener Familie Schickhardt im 15. bis 17. Jahrhundert. Versuch einer Teil-Genealogie, Baden-Baden: Schmid-Schickhardt 2008
Horst Schmid-Schickhardt: Heinrich Schickhardt der Ältere aus Siegen – Begründer einer bedeutenden schwäbischen Künstler- und Gelehrtenfamilie. In: „Siegener Beiträge. Jahrbuch für regionale Geschichte“, Siegen 2004
Horst Schmid-Schickhardt: Der Schnitzer von Herrenberg. Heinrich Schickhardt der Ältere aus Siegen (1464–1540) oder 500 Jahre schwäbische Familie Schickhardt 1503/2003, Baden-Baden : Schmid-Schickhardt 2003
Horst Schmid-Schickhardt: Künstlerfamilie Schickhardt aus Siegen – Heinrich Schickhardt als „schwäbischer Leonardo“ geschätzt. In: „Siegerland“, 2000, S. 125–138
↑ Horst Schmid-Schickhardt: Die Siegener Familie ..., S. 16 unter Verwendung von F. Philippi: Siegener Urkundenbuch, 2 Abteilung, Siegen 1927 und Emil Becker: Siegerländer auf den Universitäten Erfurt, Jena und Wittenberg im 15. und 16. Jahrhundert. In „Heimatland. Beilage zu Siegener Zeitung“, 10, 1935, S. 165
↑ Horst Schmid-Schickhardt: Die Siegener Familie …, S. 17
↑ Horst Schmid-Schickhardt: Die Siegener Familie ..., S. 18 bzw. 46
↑ Horst Schmid-Schickhardt: Die Siegener Familie ..., S. 41
↑ Horst Schmid-Schickhardt: Die Siegener Familie ..., S. 46/47 bzw. 43
↑ Horst Schmid-Schickhardt: Die Siegener Familie ..., S. 67/68