Satelliten sind subvirale Partikel, die aus einem Nukleinsäuremolekül und einigen Proteinen bestehen. Sie können als unselbständige Viren aufgefasst werden, die allein nicht in der Lage sind, sich in einer Wirtszelle zu vermehren. Sie benötigen für ihre Replikation zusätzlich ein oder sogar mehrere Helferviren, mit denen die Wirtszelle gleichzeitig infiziert sein muss (Koinfektion). Das Helfervirus stellt die für die Vermehrung des Satelliten benötigten Funktionen zur Verfügung. Die Wirtszelle produziert dann anstelle des Virus hauptsächlich den Satelliten.
Codiert das Genom des Satelliten für ein Nukleokapsid, wird er als Satellitenvirus bezeichnet. Satellitenviren können sich in der Regel nicht selbständig replizieren. Virusoide hingegen können sich unabhängig vom Helfervirus replizieren, codieren jedoch nicht für ein Capsid.
Beeinträchtigt oder stört der Satellit die Vermehrung des Helfervirus (parasitiert er dieses also), so nennt man ihn gelegentlich auch einen „Virophagen“.
Ein verwandter Begriff ist auch der des DIV („Defektives interferierendes Virus“, englischdefective interfering virus, auch defective interfering particle, DIP). Dies ist eine natürlich entstandene oder künstlich erzeugte defektive Abart eines Virus-Wildtyps, die den Wildtyp als Helfervirus braucht und dessen Replikation m. o. w. stören kann.[1]
Satelliten wurden mit dem ICTV Update im November 2018 taxonomisch erfasst. Im Prinzip wird dasselbe Schema verwendet wie für Viren, allerdings mit Namensendungen, die nicht „vir“, sondern „satellit“ als Bestandteil haben.[2] Im tatsächlichen Gebrauch sind bei diesem Stand folgende Gruppen:[3]
In der Praxis findet jedoch für viele Satellitenviren die gewöhnliche Namenskonvention für Viren Anwendung, z. B. für die Gattung Mavirus oder die Art Mimivirus-dependent virus Sputnik (beide vom ICTV bestätigt).
Weitere Vorschläge von Mart Krupovic et al. (2016) wurden vom ICTV bis März 2020 übernommen:[4]
Realm Riboviria: Familie Sarthroviridae – nur Gattung Macronovirus (ebenfalls ohne Zuordnung zu höheren Taxa der Riboviria) für (+)RNA-Satellitenviren, die Bakterien infizieren, und
Virophagen sind Viren der Preplasmiviricota (Polinton-artige Viren, PLVs), die als Helfervirus (hier auch „Mamavirus“ genannt) der Riesenviren aus der Klasse Nucleocytoviricota (NCLDVs) benötigen, d. h. parasitieren. Die bisher offiziell bestätigten Virophagen gehören alle zur Klasse Maveriviricetes, obwohl es auch Vorschläge für Vertreter offenbar außerhalb dieser Klasse gibt (z. B. Gezel-14T).
Realm Varidnaviria: Klasse Preplasmiviricota mit Klasse Maveriviricetes für dsDNA-Virophagen mit den bestätigten Gattungen Sputnikvirus und Mavirus.
Die als Virusoide bezeichneten „subviralen Partikel“ aus der Verwandtschaft des Hepatitis-D-Virus (Gattung Deltavirus) benötigen ebenfalls Helferviren (im genannten Fall das Hepatitis-B-Virus) und sind daher (im weiteren Sinn) ebenfalls Satelliten. Sie bilden zusammen die Familie Kolmioviridae, monotypisch im Realm Ribozyviria:
Auch diese Satelliten gehören augenscheinlich zur Klasse Caudoviricetes im Realm Duplodnaviria, obwohl dafür noch keine offizielle Bestätigung vorliegt. Im Jahr 2023 konnte gezeigt werden, wie beispielsweise sich der „Streptomyces-Satellitenphage MiniFlayer“ am „Hals“ (dem kurzen Verbindungsteil zwischen dem „Kopf“ (Kapsid) und „Schwanz“ des Helfervirus-Partikel) anheftet, wo sich offenbar entsprechende Adhäsionsrezeptoren befinden.[6]
Klassifizierung
Zuvor hatte man die Satellitenviren vorläufig in verschiedene Gruppen und Untergruppen klassifiziert:
↑Oben: Bekannte Escherichia-Satellitenphagen haben einen kleinen „Kopf“ und einen dem Helfervirus ähnlichen „Schwanz“. Die Kapsid-Gene von Satellitenviren sind in der Regel Helfer-kodiert, aber Kapsid-bildende Satellitenphagen (Phagelets) verwenden ihre eigenen Gene für die Verkapselung. Unten: Bei den Mulch- und Flayer-Systemen (mit Bakterienwirt aus der Gattung Streptomyces) kodieren Helfer- und Satellitenvirus für die Kapside. Die Satelliten weisen die bekannte typische Morphologie auf, wenn sie temperent sind, aber eine neuartige Morphologie für die simultane Co-Infektion, wenn sie virulent sind.
Quellen
Principles of Virology: Molecular Biology, Pathogenesis and Control of Animal Viruses / S.J. Flint [et al.] 2nd ed. ISBN 1-55581-259-7
Gerhard Drews, Günter Adam, Cornelia Heinze: Molekulare Pflanzenvirologie, Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2004, ISBN 3-540-00661-3, Seiten 92f und 230ff.
↑ abcdefgh
Tagide N. deCarvalho, Elia Mascolo, Steven M. Caruso, Júlia López-Pérez, Kathleen Weston-Hafer, Christopher Shaffer, Ivan Erill: Simultaneous entry as an adaptation to virulence in a novel satellite-helper system infecting Streptomyces species. In: Nature: The ISME Journal, 31. Oktober 2023; doi:10.1038/s41396-023-01548-0 (englisch). Dazu:
↑ abc
Nasser Alqurainy, Laura Miguel-Romero, Jorge Moura de Sousa, John Chen, Eduardo P. C. Rocha, Alfred Fillol-Salom, José R. Penadés: A widespread family of phage-inducible chromosomal islands only steals bacteriophage tails to spread in nature. In: Cell Host & Microbe, Band 31, Nr. 1, S. 69-82.e5, 11. Januar 2023; doi:10.1016/j.chom.2022.12.001, ResearchGate, Epub: 2. Januar 2023 (englisch).