Ruth Oschatz wurde 1926 als Tochter der Pädagogen Hermann und Friedel Oschatz, geborene Tillich, im sächsischen Großhartmannsdorf bei Freiberg geboren. Ihre Großeltern mütterlicherseits besaßen eine Klavierfabrik in Borna. Ruths Vater übernahm 1928 eine Dozentur an der Universität Leipzig und die Familie Oschatz ließ sich dort nieder. 1937 wurde ihre Schwester, die spätere Mezzosopranistin Gisela Pohl geboren. Ruth sang in ihrer Kindheit in einer Jugendkantorei, wo sie sich mit Gisela May anfreundete. Sie erhielt bereits als Fünfjährige Klavierunterricht und verfasste im Alter von sieben Jahren ihre erste Komposition. Im März 1943 bewarb sie sich erfolgreich um Aufnahme an der Leipziger Musikhochschule.
Georg Knepler holte sie 1950 nach Berlin. Sie erhielt eine Dozentur für Harmonielehre, Kontrapunkt, Formenlehre und Musikkunde an der Deutschen Hochschule für Musik. Pädagogisch arbeitete sie mit Rudolf Wagner-Régeny und Hanns Eisler zusammen, die sie mit den Werken der Zweiten Wiener Schule bekannt machten. Als Cembalistin unternahm sie zudem ausgiebige Konzertreisen in viele Länder Europas. Sie wurde 1950 Mitglied der NDPD (in den 1980er Jahren wechselte sie in die CDU).[1] Seit 1952 mit dem Pianisten Dieter Zechlin verheiratet, ließ sie sich 1971 von ihm scheiden.[2] 1969 wurde sie als Professorin für Komposition berufen. Im gleichen Jahr wurde sie als außerordentliches und 1970 ordentliches Mitglied der Akademie der Künste der DDR gewählt. Dort leitete sie anschließend eine Meisterklasse für Komposition. Sie stand im engen Kontakt zu den Komponisten Hans Werner Henze und Witold Lutosławski. Nach ihrer Emeritierung 1986 lehrte sie als Gastprofessorin. Seit 1990 war sie Mitglied der Akademie der Künste in Berlin, deren Vizepräsidentin sie bis 1993 war. Am 28. Oktober 1989 beteiligte sie sich an dem Konzert Gegen den Schlaf der Vernunft in Berlin.[3][4] 1990 war sie kurzzeitig als Nachfolgerin von Erhard Ragwitz Rektorin der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ Berlin.
Nach der politischen Wende zog sie nach Bayern und lebte für einige Jahre in Passau, wo auch ihre Tochter Claudia wohnte. Sie freundete sich mit dem Bischof von Passau Franz Xaver Eder und dem Intendanten Pankraz Freiherr von Freyberg an.
Zechlin schuf sowohl Instrumental- und Vokalmusik als auch Bühnenwerke, sowie Musik für Hörspiele, Dokumentar- und Fernsehfilme. Ihr Œuvre beläuft sich auf ca. 260 Kompositionen.
Konzert für Violine und Orchester Nr. 1 (1963) OCLC4386631
Konzert für Klavier und Orchester (1974)
Orgelkonzert 1 (1975)
Canzoni alla notte (deutsch: Gesänge an die Nacht) für Bariton und Orchester, Text: Salvatore Quasimodo (1974) OCLC8828565
Konzert für Violine und Orchester Nr. 2 (1992)
Konzert für Schlagzeug und Streicher (2001)
Chorwerke mit Orchester
Lidice-Kantate, im Museum von Lidice für Baritonsolo, gemischten Chor und Orchester, Text: Franz Fühmann (1959) OCLC750945543
Wenn der Wacholder wieder blüht, Oratorium (1960)
Chorwerke a cappella
Aphorismen über die Liebe für 4-8stimmigen gemischten Chor a cappella (1970/72) OCLC224160262: I Das ist die wahre Liebe, Text: Johann Wolfgang von Goethe – II Venus löste sich auf – und Welt wurde, Text: Georg Maurer – III Der Tag ist der Vormittag für den Abend, Text: Rainer Kirsch – IV Mädchenhände, sanfte Vögel des Sommers, Text: Manfred Streubel – V Wir sind einander wie warmer Sommerregen, Text: Marianne Dreifuß – VI Mein Herz lockst du überall hin, Text: Georg Maurer – VII Eh sich dein Mund mir auftut, Text: Jo Schulz
Te Deum für 4-stimmigen gemischten Chor a cappella (2001)
Kammermusik für Oboe, Cello und Schlagwerk zu Kleists „Die Marquise von O.“ (1974)
Hommages à PHL für Streichquintett und Schlagzeug (1975) OCLC1072941617
Begegnungen für Oboe, Posaune, Schlagwerk, Klavier, Viola, Violoncello und Kontrabass (1977)
Sechstes Streichquartett (1977)
Reflexionen für 14 Streicher (1978–79)
Konfrontationen für Flöte, Posaune, Schlagwerk, Viola und Bass-Klarinette (1986)
Musik für 3 Schlagzeuger (1995)
Musikalische Antworten auf Johann Sebastian Bach für Flöte und Orgel (1999)
Werke für Singstimme oder Sprecher mit Instrumentalbegleitung
Trage die Flamme voran : so dunkel ist keine Nacht für Singstimme und Klavier, Text: Hasso Grabner (1960) OCLC724496676
Sieben Lieder nach Gedichten von Wolfgang Borchert, für mittlere Stimme und Klavier (1966) OCLC247987855: I Kinderlied – II Liebesgedicht – III Legende – IV Der Mond lügt – V Nachts – VI Versuch es! – VII Aranka
Schrei.Hätte mein Wort doch die Macht für Gesang (auch chorisch) und Klavier, Text: Helmut Preißler (1966) OCLC724494783
Kinderlied für Gesang und Klavier, Text: Franz Fühmann (1967) OCLC698623226
Drei Liebeslieder aus den „Carmina Burana“ für Sopran (oder Tenor) und Cembalo (1968) OCLC902654578: I Bevat: Estivali sub fervore – II Dulce solum – III De pollicito. Deutsche Übersetzung von Karl Langosch: I Abweisende Schäferin – II Tödliche Liebe – III Liebeskummer
Schatten Rosen Schatten, für Singstimme und Klavier, Text: Ingeborg Bachmann (1969)
Prometheus für Sprecher, Klavier und Schlagwerk (1986)
Lieder nach Texten der Hildegard von Bingen für Mezzosopran und Querflöte (1998)
Situationen, Reflexionen, Gespräche, Erfahrungen, Gedanken. Hrsg. von Annelore und Jürgen Mainka. In Zusammenarbeit mit der Sektion Musik der Akademie der Künste der DDR. Verlag Neue Musik, Berlin 1986.
Zechlin, Prof. Ruth. In: Wilfried W. Bruchhäuser: Komponisten der Gegenwart im Deutschen Komponisten-Interessenverband. Ein Handbuch. 4. Auflage, Deutscher Komponisten-Interessenverband, Berlin 1995, ISBN 3-555-61410-X, S. 1440.
Eberhard Kneipel: Ruth Zechlin. In: Dietrich Brennecke, Hannelore Gerlach, Mathias Hansen (Hrsg.): Musiker in unserer Zeit. Mitglieder der Sektion Musik der Akademie der Künste der DDR. Deutscher Verlag für Musik, Leipzig 1979, S. 243 ff.
Zechlin, Ruth. In: Brockhaus-Riemann Musiklexikon. CD-ROM, Directmedia Publishing, Berlin 2004, ISBN 3-89853-438-3, S. 11456.
Alexander Suder (Hrsg.): Ruth Zechlin (= Komponisten in Bayern, Dokumente musikalischen Schaffens im 20. Jahrhundert. Bd. 41). Hans Schneider, Tutzing 2001, ISBN 3-7952-1066-6.
Einspielungen
Als Komponistin
Lidice-Kantate, Kurt Kögel (Bariton), Solistenvereinigung des Deutschlandsenders, Großer Chor des Berliner Rundfunks, Mitglieder des Berliner Rundfunk-Sinfonie-Orchesters, Leitung: Helmut Koch, VEB Deutsche Schallplatte, 1962 OCLC824672674
Wenn der Wacholder wieder blüht (1960), Oratorium von der Freiheit; gekürzte Fassung, Jutta Vulpius (Sopran), Soňa Červená (Alt). Rolf Apreck (Tenor). Reiner Süß (Bass), Solistenvereinigung und Großer Chor des Berliner Rundfunks, Berliner Rundfunk-Sinfonie.Orchester. Leitung: Helmut Koch, VEB Deutsche Schallplatte, 1962 OCLC809149633
Als Interpretin
Englische Virginalmusik, Ruth Zechlin (Klavier), VEB Deutsche Schallplatten, 1965 OCLC909136105
Marion Fürst: Artikel Ruth Zechlin in: MUGI. Musikvermittlung und Genderforschung: Lexikon und multimediale Präsentationen, hrsg. von Beatrix Borchard und Nina Noeske, Hochschule für Musik und Theater Hamburg, 2003ff. Stand vom 25. April 2018
↑Günter Wirth: Erinnerungen und Erwägungen zur CDU-Kulturpolitik. In: Evemarie Badstübner: Befremdlich anders. Leben in der DDR. Dietz, Berlin 2000, S. 472–512, hier S. 497.
↑Peter Seidle: Dieter Zechlin. In: Ingo Harden, Gregor Willmes: Pianistenprofile: 600 Interpreten: ihre Biografie, ihr Stil, ihre Aufnahmen. Bärenreiter, Kassel 2008, ISBN 978-3-7618-1616-5, S. 88.