2011 wurde Steinke mit einer völkerstrafrechtlichen Studie über die politische Funktion von Kriegsverbrechertribunalen seit 1945 promoviert. Darin argumentiert er, hinter menschenrechtlicher Rhetorik wie jener der deutschen Regierung, die den Internationalen Strafgerichtshof unterstützt, verbärgen sich dennoch machtpolitische Interessen. Die Untersuchung wurde von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung als „Meisterstück“ gelobt.[2][3][4]
2013 erschien Steinkes Biografie Fritz Bauer. Oder: Auschwitz vor Gericht[10] über den jüdischen Juristen, der in der Nachkriegszeit gegen große Widerstände gekämpft hatte, um NS-Täter vor Gericht zu bringen. Das Buch, das der Schriftsteller Daniel Kehlmann „grandios“ nannte,[11] wurde zur Grundlage für den preisgekrönten Kinofilm „Der Staat gegen Fritz Bauer“. Steinke erhielt als bis dato jüngster Redner die Einladung, die traditionelle Neujahrsansprache im Bundesjustizministerium zu halten.[12]Erardo Cristoforo Rautenberg, brandenburgischer Generalstaatsanwalt, kritisierte allerdings in seiner Rezension das Buch und provozierte damit eine Kontroverse.[13]
Antisemitismus
Nach dem Anschlag auf die Synagoge in Halle 2019 veröffentlichte Steinke, der selbst jüdisch ist, eine Kritik an dem, was er das systematische Versagen des Staates im Umgang mit antisemitischer Gewalt nannte.[14] Das Buch, das sich mit Polizei und Justiz auseinandersetzt, wurde auf Platz 2 der Sachbuch-Bestenliste von Zeit und Deutschlandfunk Kultur gewählt.[15] Auf die Frage, ob Juden überlegen sollten, nach Israel auszuwandern, sagte Steinke in einem Interview mit dem Bayerischen Rundfunk:
„Ich bin absolut dafür, dass Menschen wegen des grassierenden Antisemitismus aus Deutschland auswandern. Allerdings sollten bitte nicht die Juden auswandern, sondern die Antisemiten. Auf dem Nordpol ist noch Platz.“[16]
Darauf folgte 2020 ein Essay in Buchlänge, in dem Steinke antisemitische Wendungen in der heutigen deutschen Sprache kritisierte.[17]
Jüdische Geschichte
In Kairo, New York und Berlin recherchierte Steinke die Geschichte des ägyptischen Arztes Mohamed Helmy, der als Teil eines Netzwerks von Arabern während der NS-Zeit Juden rettete.[18] Daraus entstand 2017 das Buch Der Muslim und die Jüdin: Die Geschichte einer Rettung in Berlin.[19] Als erster Araber überhaupt wurde Mohamed Helmy von Yad Vashem als Gerechter unter den Völkern ausgezeichnet. Die englische Übersetzung des Buches wurde durch den Guardian zum „Book of the week“ ernannt.[20]
Rechtsextremismus
Gemeinsam mit anderen Juristen und Journalisten rief Steinke 2020 eine jährliche Dokumentation unter dem Titel „Recht gegen rechts“ ins Leben, um zu beobachten, wie sich staatliche Stellen mit dem erstarkenden Rechtsextremismus auseinandersetzen.[21] Die Herausgeber des Jahrbuchs, zu denen auch der Rechtsprofessor Andreas Fischer-Lescano und die Opferanwältin Kati Lang gehören, schalteten sich etwa in die Kontroverse um den sächsischen AfD-Richter Jens Maier ein.[22]
Klassenjustiz
Die soziale Schieflage zwischen Armen und Reichen vor der Strafjustiz machte Steinke zum Thema einer langfristigen Recherche, die er 2022 unter dem Titel Vor dem Gesetz sind nicht alle gleich veröffentlichte.[23] Steinke zeigt darin auf, dass arm und prekär lebende Menschen bei gleicher Schuld schneller in Haft genommen werden, seltener eine Chance auf eine Aussetzung einer Haftstrafe zur Bewährung haben und häufiger unter verschärfte Strafrahmen gefasst werden.[24] Vor allem löste sein Buch eine Diskussion um die in Deutschland sehr häufige Ersatzfreiheitsstrafe für Zahlungsunfähige aus. Hieraus folgte ein 2022 von JustizministerMarco Buschmann angekündigter[25] Gesetzesentwurf, der zur Änderung des Umrechnungsmaßstabes der Haftstrafen für Menschen, die ihre Geldstrafe nicht bezahlen können, führte.[26] Die Ersatzfreiheitsstrafe (§ 43 StG) wurde halbiert.[27]Jochen Zenthöfer warf Steinke in der FAZ das Weglassen wichtiger Details vor.[28]
Positionen
Während des Israel-Gaza-Krieges ab 2023 veröffentlichte der nicht-jüdische Autor und Unternehmer Tobias Huch in der Jüdischen Allgemeinen einen Meinungsbeitrag, in dem er der Zivilbevölkerung im Gazastreifen eine kollektive Mitverantwortung für die Taten der militant-islamistischen Hamas und des Massakers vom 7. Oktober 2023 attestierte; die Zivilisten im Gazastreifen seien daher „nicht unschuldig“.[29] Ronen Steinke zeigte sich in einer ebenfalls in der JA erschienenen Erwiderung irritiert, „wie die Jüdische Allgemeine dazu kommt, eine derart menschenverachtende Polemik ins Blatt zu heben“, mit der unausgesprochen die „ganze Bevölkerung von mehr als zwei Millionen Menschen“ zum legitimen Kriegsziel erklärt und damit ihre physische Auslöschung gerechtfertigt werde.[30]
The politics of international criminal justice: German perspectives from Nuremberg to the Hague (= Studies in international law. Nr.41). v. 41. Hart, Oxford ; Portland, Or 2012, ISBN 978-1-84946-313-3 (englisch, Zugl.: Hamburg, Univ., Diss., 2011 unter dem Titel: Germany's politics of international criminal justice. A case study on cosmopolitan ideals and national interests).
Der Muslim und die Jüdin. Die Geschichte einer Rettung in Berlin. Berlin Verlag, Berlin 2017, ISBN 978-3-8270-1351-4.
Terror gegen Juden. Wie antisemitische Gewalt erstarkt und der Staat versagt. Eine Anklage. Berlin Verlag, Berlin 2020, ISBN 978-3-8270-1425-2.
Antisemitismus in der Sprache. Warum es auf die Wortwahl ankommt. Bibliographisches Institut – Duden, Berlin 2020, ISBN 978-3-411-74375-9.
Vor dem Gesetz sind nicht alle gleich. Die neue Klassenjustiz. Berlin Verlag, Berlin 2022, ISBN 978-3-8270-1415-3.
Verfassungsschutz. Wie der Geheimdienst Politik macht. Berlin Verlag, Berlin, München 2023, ISBN 978-3-8270-1471-9.
Mit Nora Markard: Jura not alone. 12 Ermutigungen, die Welt mit den Mitteln des Rechts zu verändern. Campus Verlag, Frankfurt am Main 2024, ISBN 978-3-593-51850-3.
↑„Überzeugend und wichtig, gerade weil sie eine allzu idealistische und idealisierende Sichtweise der Entwicklung des Völkerstrafrechts … mit guten Gründen relativiert“: Eckart Conze, Historische Zeitschrift, Bd. 297, 2013.
↑„A very worthy and stimulating contribution to an overlooked subject“: Steven C. Roach, Political Studies Review, Vol. 11, Nr. 3.
↑Ronen Steinke über Klassenjustiz: Gleich, gleicher, Rechtsstaat? In: Die Tageszeitung: taz. 3. Januar 2022, ISSN0931-9085 (taz.de [abgerufen am 19. August 2022]).
↑Jochen Zenthöfer: Wie der SZ-Justizspezialist Ronen Steinke Dinge zuspitzt. In: FAZ.NET. 14. September 2023, ISSN0174-4909 (faz.net [abgerufen am 14. September 2023]).
↑Rezension von Ralf Oberndörfer: Ronen Steinke: Fritz Bauer oder Auschwitz vor Gericht.Vorgänge. Zeitschrift für Bürgerrechte und Gesellschaftspolitik Nr. 205 (Heft 1/2014), S. 98 ff. und Forschungsjournal Soziale Bewegungen, Heft 4/2015, S. 372 f.