Reszel
Reszel (deutsch Rößel) ist eine Kleinstadt im Powiat Kętrzyński der polnischen Woiwodschaft Ermland-Masuren. Sie ist Sitz der gleichnamigen Stadt-und-Land-Gemeinde mit 7464 Einwohnern (Stand 31. Dezember 2020). ,Geographische LageDie Stadt liegt im historischen Ermland, am Nordhang des Baltischen Höhenrückens, rechts der Zaine, nicht weit von den sich östlich erstreckenden Großen Masurischen Seen, etwa 55 Kilometer nordöstlich von Olsztyn (Allenstein). Das Stadtgebiet befindet sich über den Steilhängen des Ufers der Sajna (Zaine), einem kleinen Fluss, der in nordwestlicher Richtung an der Stadt vorbeifließt. GeschichteStadtgeschichte1241 wurde an der Stelle der heutigen Stadt, deren Name pruzzischer Herkunft ist, eine hölzerne Wehranlage der Ritter des Deutschen Ordens errichtet, die den wichtigen Handelsweg vom Frischen Haff über Heilsberg nach Polen schützen sollte. Während der Pruzzenaufstände wurde die Anlage in den Jahren 1242 und 1262 zerstört. Nach der Niederschlagung der Aufstände wurde 1273 eine feste Burg errichtet, die danach dem ermländischen Fürstbischof als Stützpunkt diente. Zu Beginn des 14. Jahrhunderts begann unter der Leitung des Lokators Elerus von Braunsberg die Besiedlung des Burgvorlandes, hauptsächlich durch Braunsberger Einwohner. 1337 hatte sich die Ansiedlung so gefestigt, dass ihr unter dem Namen Rößel das Stadtrecht verliehen werden konnte. Die Burg wurde 1347 von den litauischen Großfürsten eingenommen und erneut zerstört. Unter den Bischöfen Johann von Meißen und Johann Stryprock wurde in den Jahren von 1350 bis etwa 1371 eine neue, heute noch vorhandene Burganlage errichtet. 1347 hatten sich Augustinermönche niedergelassen, die in der Nähe der Burg ein kleines Kloster und die Johanniskirche errichteten. 1353 ging die Stadt in das Eigentum der Bischöfe von Ermland über. Von 1373 bis 1401 wurde eine Stadtmauer mit Wehrtürmen errichtet. Am südlichen Rand der Stadt entstand in den Jahren von 1360 bis 1381 eine dreischiffige Hallenkirche, die heutige Pfarrkirche St. Peter und Paul. 1440 wurde die Stadt an den Deutschen Orden verpfändet. 66 Jahre später befand sich Rößel wieder unter ermländischer Obrigkeit und kam damit zu Polen, zum so genannten „Königlichen Preußen“. 1520 übergab Sigismund I. die Burg an tschechische Söldner, die von dort aus die Umgebung plünderten. Während des „Reiterkrieges“, der letzten militärischen Auseinandersetzung zwischen dem Deutschen Orden und Polen, war Rößel von 1520 bis 1521 ein polnischer Militärstützpunkt, von welchem aus Angriffe gestartet wurden. Während des 16. Jahrhunderts entwickelte sich in Rößel das Handwerk. Vor allem Rüstungen und Waffen wurden hergestellt. Später kamen Kunsttischler und Goldschmiede hinzu, deren Fertigkeiten über die Stadt hinaus geschätzt wurden. 1632 übernahmen Jesuiten das seit über hundert Jahren verlassene Augustinerkloster und richteten dort ein Kolleg ein, das in den ersten Jahren 15 Schüler kostenlos unterrichtete. Aus ihm entwickelte sich später ein staatliches Gymnasium. 1656 und 1704 wurde Rößel von den Schweden besetzt und war 1772 mit etwa 3030 Einwohnern nach Braunsberg und Heilsberg (polnisch Lidzbark) die drittgrößte Stadt im Ermland, noch größer als Allenstein (1770 Einwohner). Im selben Jahr kam Rößel im Ergebnis der ersten Teilung Polens zusammen mit dem gesamten Fürstbistum Ermland zum preußischen Staat. Die vom Bistum aufgegebene Burg wurde 1780 zu einem Zuchthaus umgebaut. Am 27. und 28. Mai 1806 wurde die Stadt durch einen großen Brand zerstört, in dessen Folge sie fast ganz neu aufgebaut werden musste. Erst 1816 waren das Rathaus und 1817 die Pfarrkirche wiederhergestellt. Die ebenfalls zerstörte Burg überließ der preußische König Friedrich Wilhelm III. der evangelischen Gemeinde, die sich dort nach Plänen von Karl Friedrich Schinkel eine Kirche und Wohnungen für Pfarrer und Kantor errichtete. Insgesamt dauerte der Wiederaufbau der Stadt bis 1840. Den Brand lastete man ungerechtfertigterweise der Magd Barbara Zdunk an, die ihn durch Zauberkraft entfacht haben sollte. Von 1818 bis 1862 befand sich das Landratsamt des Kreises Rößel in der Stadt, danach wurde es nach Bischofsburg verlegt, da der neue Landrat sein Gut in dessen Nähe hatte. Im Rahmen des um 1850 beginnenden Ausbaus des Straßennetzes in der Region wurde Rößel an die spätere Reichsstraße 141 angeschlossen, die sie mit Rastenburg und Bischofsburg verband. Das Land- und Stadtgericht Rößel wurde 1824 aus dem Stadtgericht Rößel, dem Stadtgericht Bischofstein und dem Justizamt Rößel gebildet. 1849 wurden in Preußen die Patrimonialgerichte abgeschafft und das Kreisgericht Rössel gebildet. Dieses wurde 1879 durch das Amtsgericht Rößel abgelöst. Das Wirtschaftsleben wurde durch Webkammherstellung, Landmaschinenbau, durch eine Eisengießerei und zwei Mühlen geprägt. Erst 1908 wurde Rößel als zweitletzte Stadt Ostpreußens durch die Bahnlinie Heilsberg—Rastenburg an das Schienennetz angeschlossen. Während des Ersten Weltkrieges hatten Hindenburg und Ludendorff vom 7. bis 11. September 1914 ihr Generalstabsquartier in der Taubstummenanstalt von Rößel eingerichtet und leiteten von dort aus die Schlacht an den masurischen Seen. Nach dem Ersten Weltkrieg fand aufgrund der Bestimmungen des Versailler Vertrags am 11. Juli 1920 in der Stadt eine Volksabstimmung über die zukünftige staatliche Zugehörigkeit Rößels statt. Zur Wahl standen der Verbleib in Deutschland oder der Anschluss an Polen. In Rößel, das zum Abstimmungsgebiet Allenstein gehörte, stimmten 3260 Einwohner für Ostpreußen, auf Polen entfiel keine Stimme.[1] Im Landkreis stimmten 97,90 % der Bevölkerung für den Verbleib bei Deutschland.[2] Im Jahr 1945 war die Stadt Rößel Verwaltungssitz des Landkreises Rößel im Regierungsbezirk Allenstein der Provinz Ostpreußen des Deutschen Reichs. Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs besetzte am 29. Januar 1945 die Rote Armee Rößel ohne größere Kampfhandlungen.[3] Da die Einwohner nicht evakuiert worden waren, wurden viele von ihnen Opfer gewalttätiger Übergriffe durch die sowjetischen Soldaten. Der Stadt blieb im Gegensatz zu den meisten anderen Städten in Ostpreußen eine flächendeckende Zerstörung erspart. Bald nach Einstellung der Kampfhandlungen wurde die Stadt seitens der sowjetischen Besatzungsmacht der Volksrepublik Polen zur Verwaltung überlassen. Es begann danach der Zuzug polnischer Zivilisten. Die einheimische Bevölkerung wurde mit wenigen Ausnahme, zu denen auch das Krankenhauspersonal zählte, am 10. Februar 1945 größtenteils aus der Stadt vertrieben. Etwa 250 Einwohner gehören dem Verband der deutschen Minderheit an. Demographie
KircheBereits in der Ordenszeit wurde – etwa um 1331 – in Rößel eine Kirche gegründet.[11] Im Jahre 1337 wurde die Kirche in der Stadthandfeste mit sechs Hufen als Dotation bedacht. Aus vorreformatorischer Zeit sind außerdem die Namen einzelner Geistlicher bekannt[11], die an der Kirche amtierten:
Römisch-katholische KircheKirchengebäudeDas noch in der Ordenszeit errichtete Kirchengebäude am südlichen Rand der Altstadt errichtete man zwischen 1360 und 1381 als dreischiffige Hallenkirche.[12] Nach einem Brand 1474 entstand 1475 der gestaffelte Ostgiebel, und im Innern schuf Niclis Scheunemann 1475/76 die Sterngewölbe. Eine Umgestaltung der Kirche mit Erneuerung und Erhöhung des Turms fand 1484 bis 1503 statt. Am 3. April 1580 weihte der Fürstbischof von Ermland, Martin Cromer, die Kirche zu Ehren der Gottesmutter und der Apostel Petrus und Paulus. 1760/1765 fertigte der Orgelbauer Adam Gottlob Casparini (1715–1788) die Orgel an. Bei einer Feuersbrunst brannte 1806 die Kirche zum großen Teil aus, der Wiederaufbau erfolgte bis 1817, die Weihe nahm Weihbischof Andreas Stanislaus von Hatten vor. 1837 erhielt der Turm eine Laterne. Nach dem großen Brand erhielt die Kirche eine Erneuerung der Ausstattung im Stil der Zeit.[12] Es entstand der Hochaltar von Wilhelm Biereichel (1820–1822) mit Bildern und Figuren aus dem Jahr 1821 u. a. von Anton Johann Blank, Isaak Riga und Christoph Peucker, und neben einem Taufbecken von Biereichel zwei barocke Beichtstühle sowie klassizistisches Gestühl. PfarrgemeindeDie Pfarrei in Reszel gehört heute zum Dekanat Rößel im Erzbistum Ermland in der polnischen römisch-katholischen Kirche. Die aus der Zeit vor 1945 erhaltenen Kirchenbücher werden hier verwahrt und fortgeführt:
Die Zahl der vor 1945 mehr als fünfzig Pfarreiorte konnte inzwischen dank der Errichtung neuer Pfarrgemeinden erheblich verringert werden, gleichwohl ist die Zahl der Gemeindeglieder deutlich gestiegen. DekanatReszel ist wie auch schon vor 1945 Sitz eines Dekanats, das jetzt dem Erzbistum Ermland zugeordnet ist. Zum Dekanatsbezirk gehören zehn Pfarreien:
Vor 1945 gehörten Dönhofstädt und Langheim nicht zum Dekanatsbezirk, dafür jedoch die Pfarreien[13] in Groß Köllen (heute polnisch Kolno), Heiligelinde (Święta Lipka), Schellen (Ryn Reszelski) und Wilkendorf (Wilkowo). Griechisch-katholische KircheIn Reszel gibt es eine Pfarrei der griechisch-katholischen Kirche mit byzantinischer Tradition. Die Kirche ist die frühere Heilig-Kreuz-Kirche des Jesuitenklosters. Sie trägt seit 1963 den Namen „Verklärung des Herrn“ (polnisch Cerkiew greckokatolicka pw. Przemienienia Pańskiego) und ist der Erzeparchie Przemyśl-Warschau zugeordnet. Evangelische KircheKirchengebäudeIn den Jahren 1822 bis 1823 wurde der Südflügel der ehemaligen Burg der ermländischen Bischöfe nach den Plänen von Karl Friedrich Schinkel zur evangelischen Kirche umgestaltet.[14] Die Einweihung fand am 18. Oktober 1823 statt. Der Turm befand sich über dem zum Schlosshof führenden Portal an der Westseite. Die Glocken stammten aus dem Jahr 1869. Heute ist in der Kirche eine Galerie für moderne Kunst untergebracht.[15] KirchengemeindeEine evangelische Kirchengemeinde in Rößel wurde 1821 unter König Friedrich Wilhelm III. gegründet.[16] Davor waren die Kirchenglieder in Rößel nach Bäslack (polnisch Bezławki), Langheim (Łankiejmy) und Gudnick (Gudniki) ausgerichtet oder wurden durch Feldprediger versorgt.[17] In Rößel wurde eine 1821 eine Pfarrstelle eingerichtet, deren Inhaber in den im Ostflügel der Burg angelegten Pfarrräumen wohnten.[15] Bis 1945 gehörte das Kirchspiel Rößel, das im Jahre 1925 insgesamt 1660 Gemeindeglieder zählte, zum Superintendenturbezirk Allenstein (polnisch Olsztyn) innerhalb des Kirchenkreises Ermland in der Kirchenprovinz Ostpreußen der Kirche der Altpreußischen Union.[16] Der Pfarrei zugeordnet war seit 1903 eine Kapelle in Bischdorf (Sątopy-Samulewo). Flucht und Vertreibung der einheimischen Bevölkerung trugen zum Erlöschen der evangelischen Kirche in Rößel bei. Die hier lebenden Kirchenglieder gehören jetzt zur Johanneskirchengemeinde in Kętrzyn (Rastenburg) in der Diözese Masuren der Evangelisch-Augsburgischen Kirche in Polen. Kirchspielorte (bis 1945)Zum evangelischen Kirchspiel Rößel gehörten bis 1945 neben dem Pfarrort die Dörfer, Ortschaften bzw. Wohnplätze[16][18]:
PfarrerAn der Burgkirche in Rößel amtierten bis 1945 die Geistlichen[17]:
Städtepartnerschaften
Sehenswürdigkeiten
BildungIn Rössel befand sich im 20. Jahrhundert u. a. auch die „Königliche Präparandenanstalt“, die seinerzeit (1905 bis 1911) vom späteren mehrfachen Weltrekordler im Segelflug, Ferdinand Schulz, besucht wurde. Rößel hatte eine höhere Schule; 1865 wurde das bisherige Progymnasium durch ministerielle Verfügung in ein Gymnasium umgewandelt.[19] Die erste Abiturientenprüfung fand 1867 statt.[20] Als Gymnasialstadt kam Rößel – so wie heute auch Reszel – eine besondere Bedeutung zu. Absolventen des Rößeler Gymnasiums waren u. a.:
GemeindeDie Stadt-und-Land-Gemeinde Reszel umfasst die Stadt selbst und 20 Dörfer mit Schulzenämtern, denen weitere Orte zugeordnet sind. Sie hat eine Fläche von 179,2 km², von der 71 % land- und 14 % forstwirtschaftlich genutzt werden.
In der Stadt- und Landgemeinde Reszel gibt es keine evangelische Kirchengemeinde, wohl aber eine griechisch-katholische Pfarrei (Reszel) sowie drei römisch-katholische Pfarreien (Reszel, Leginy und Święta Lipka). Reszel ist außerdem römisch-katholischer Dekanatssitz innerhalb des Erzbistums Ermland. VerkehrDurch das Gebiet der Gmina Reszel verlaufen vier Woiwodschaftsstraßen:
Im Übrigen sind die Orte und Ortschaften der Gmina Reszel durch Nebenstraßen und Landwege gut vernetzt. Der nächste internationale Flughafen ist Danzig. Für Einheimische kann auch Kaliningrad im ehemaligen Königsberg eine Option sein. Seit 2016 gibt es den Regionalflughafen Olsztyn-Mazury bei Olsztyn. Noch bis in das beginnende 20. Jahrhundert hinein gab es im Gebiet der heutigen Gmina Reszel keine Anbindung an das Schienennetz. Das änderte sich erst im Jahre 1908, als die Bahnstrecke Bischdorf–Neumühl (polnisch Sątopy-Samulewo–Nowy Młyn) gebaut wurde.[21] Sie stellte den Anschluss an die Bahnstrecke Thorn–Insterburg in Bischdorf (polnisch Sątopy-Samulewo) und an die Bahnstrecke Bialystok–Preußisch Eylau bei Nowy Młyn her. Bahnstationen waren die im heutigen Gemeindegebiet liegenden Orte Klewno (Klawsdorf), Pieckowo (Pötschendorf) und die Stadt Reszel (Rößel).[22] Im Jahre 1945 wurde der Teilabschnitt Rößel–Neumühl kriegsbedingt geschlossen und demontiert sowie 1989 der Streckenabschnitt Sątopy-Samulewo–Reszel für den Personenverkehr und 1995 auch für den Güterverkehr stillgelegt. Zwischen 2003 und 2006 versuchte man eine Reaktivierung, entschied sich jedoch im Juli 2006 für die Schließung der Strecke und die Demontage der Anlagen. Somit ist die Gmina Reszel heute vom Schienennetz abgekoppelt. Persönlichkeiten
Literatur
WeblinksCommons: Reszel – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Einzelnachweise
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